18. November 2015 · Kommentare deaktiviert für „Visegrader Angstmacherei“ · Kategorien: Nicht zugeordnet · Tags: ,

Quelle: NZZ

Die Anschläge verschärfen die Debatte in Ostmitteleuropa

In Ostmitteleuropa schüren Spitzenpolitiker seit Wochen die Angst vor steigender Terrorgefahr durch Migranten. Nun sehen sie ihre Kritik an Europas Flüchtlingspolitik bestätigt.

bam. Wien

Während führende Politiker in Westeuropa vor der Herstellung eines Zusammenhangs zwischen der Flüchtlingskrise und den Terroranschlägen in Paris warnen, haben die Ereignisse den Ton in der ohnehin polemisch geführten Debatte in den ostmitteleuropäischen Ländern nochmals verschärft. Dabei macht sich insbesondere der neue Kurs Polens bemerkbar, nachdem die nationalkonservative Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydlo diese Woche ihre Arbeit aufgenommen hat.

Budapest will klagen

Nur Stunden nach der Bluttat erklärte Konrad Szymanski, inzwischen als Europaminister vereidigt, die Entscheidung des EU-Innenministerrats vom September zur Umsiedlung von 120 000 Flüchtlingen sei zwar verbindlich. Angesichts der tragischen Ereignisse in Paris sehe man aber keine Möglichkeit, sie auszuführen. Warschau hatte unter der liberalkonservativen Vorgängerregierung von Ewa Kopacz den Entschluss mitgetragen und war damit aus der jede Quotenlösung ablehnenden Koalition der Visegrad-Länder (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) ausgeschert. Die neue Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte dies damals scharf kritisiert. Am Montag hat Szydlo die Aussage ihres Ministers relativiert und erklärt, Polen werde sich an EU-Bestimmungen halten, sofern sie mit der Sicherheit des Landes vereinbar seien. Ähnlich argumentierte der neue Aussenminister Witold Waszczykowski, der zudem mit der kruden Idee auffiel, man könnte mit den Tausenden von geflohenen Syrern eine Armee aufbauen, die dann ihr Land befreien solle.

In Polen ist das Beschwören der Gefahr von Terroristen unter den Migranten durch die Regierung neu, in den übrigen Visegrad-Staaten ist dies aber seit Monaten Bestandteil der Rhetorik und mit ein Grund für die ablehnende Haltung gegenüber Flüchtlingen. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban äusserte sich am Montag bei einer Rede im Parlament gewohnt drastisch. Es habe sich gezeigt, dass Terroristen die «Völkerwanderung» dazu nutzten, sich unter die Flüchtenden zu mischen und nach Europa zu gelangen, behauptete er. Verbindliche Quoten zur Verteilung von Asylsuchenden würden den Terrorismus in Europa verbreiten. Budapest will den EU-Beschluss denn auch juristisch bekämpfen. Das Parlament ermächtigte am Dienstag die Regierung, den Plan wegen Missachtung des Subsidiaritätsprinzips und der Rechte nationaler Parlamente vor dem Europäischen Gerichtshof anzufechten.

«Jeden Muslim überwachen»

Auch der populistische Regierungschef der Slowakei, Robert Fico, wies neuerlich auf eine mit der Migrationswelle verbundene Gefahr hin. Er ging in der Pauschalisierung aber noch weiter und erklärte am Sonntag, als Massnahme zur Vorbeugung von Terrorakten werde «jeder einzelne Muslim» überwacht, der sich in der Slowakei befinde. Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka warnte davor, aufgrund der Anschläge Fremdenfeindlichkeit und Vorbehalte gegen Flüchtlinge zu schüren. Diese seien gerade wegen der Fanatiker aus ihrer Heimat geflohen. Eine Quotenregelung lehnt er aber weiterhin ab.

Kommentare geschlossen.