06. November 2015 · Kommentare deaktiviert für Flüchtlinge an der serbischen Grenze: Hoffen auf den Zug nach Kroatien · Kategorien: Balkanroute, Kroatien, Serbien · Tags:

Quelle: ARD Tagesschau

Nach wie vor kommen in Serbien täglich Tausende Flüchtlinge an. Ihre große Hoffnung: Ein Platz im „Zug der Hoffnung“ ins EU-Land Kroatien. Ihre große Angst: Dass Deutschland seine Grenzen schließt – denn dann droht Chaos.

Von Ralf Borchard, ARD-Hörfunkstudio Wien

Es ist bereits der dritte Zug aus Kroatien an diesem Tag, der mit quietschenden Bremsen im serbischen Grenzbahnhof Sid einfährt, um Passagiere aufzunehmen. Vor dem Bahnhof warten 20 Busse voller Flüchtlinge. Sobald die serbischen Polizisten die Metall-Barrieren zur Seite geräumt haben, drängen die Menschen auf den Bahnsteig.

Mitarbeiter des UN-Flüchtlingshilfswerks verteilen Wasserflaschen und begleiten die Männer, Frauen und Kinder in die Waggons. Immerhin – die Situation hier an der Grenze von Serbien nach Kroatien hat sich deutlich verbessert, sagt UNHCR-Teamleiter Mahmud Awad: „Es sind weiter täglich zwischen 4000 und 7000 Flüchtlinge, die die Grenze von Serbien nach Kroatien passieren.“

„Es ist jetzt besser organisiert“

Bis vor kurzem mussten Tausende in der Nähe auf freiem Feld campieren, standen bei Regen knöcheltief im Schlamm, gingen zu Fuß über die Grenze. Jetzt schickt die kroatische Regierung täglich Züge, die die Flüchtlinge direkt vom serbischen Sid ins kroatische Durchgangslager Slavonski Brod bringen. „Es ist jetzt besser organisiert“, sagt Awad, der selbst Iraker ist. „Das einzige was wir uns wünschen, sind mehr Züge, die hier ankommen.“

Ehemaliges Hotel für Flüchtlinge

An einer Autobahn-Raststätte kurz vor Sid haben die serbischen Behörden ein jahrelang geschlossenes Hotel wieder eröffnet. Dort machen die meisten Flüchtlingsbusse Zwischenstation, bevor sie zum Bahnhof weiterfahren. „Viele, die hier ankommen, sagen, dass ihre Familien auf dem Weg durch die Türkei, Griechenland und Mazedonien getrennt wurden, dass sie Angst haben und Hunger“, sagt Jovana Vincic, die für die serbische Hilfsorganisation „Asylum Protection Center“ arbeitet. „Viele Kinder sind krank. Und die Wartezeit hier beträgt oft zehn Stunden. Es ist noch längst nicht alles gut – es ist mehr Hilfe und Koordination nötig.“

„Ja, wir haben im Bus übernachtet“, sagt Khamran Han, Flüchtling aus Afghanistan. „Und ich warte immer noch.“ Der 21-Jährige will nach Belgien. Ahmed Adas aus Syrien hofft mit seiner sechsköpfigen Familie auf Asyl in Deutschland. Sein Schwager sitzt neben ihm im Rollstuhl. Er hat beim Beschuss seines Autos durch syrische Regierungstruppen ein Bein verloren und hofft in Berlin, wo Verwandte wohnen, auf medizinische Behandlung.

Schließt Deutschland seine Grenzen, droht Chaos

Wenig später wird auch Familie Adas am Bahnhof Sid zum Zug gebracht. „Wir hoffen, dass sie jetzt schnell nach Deutschland kommen“, sagt Flüchtlingshelferin Jovana Vincic. Wie viele in Serbien befürchtet sie, dass Deutschland bald erste Schritte unternimmt, die Grenzen zu schließen: „Sobald Deutschland die Grenzen schließt, müssen wir hier mit Chaos rechnen. Wenn dann Österreich, Slowenien und Kroatien das gleiche tun, entsteht hier ein großer Rückstau, eine Grauzone. Die Leute werden wieder draußen im Freien schlafen müssen. Ich fürchte, dass sie dann ohne jeden angemessenen Schutz sind.“

Noch fahren sie, die Züge von Sid nach Slavonski Brod, und noch haben auch die mehr als 1000 Menschen, die in diesem Zug sitzen, die Hoffnung anzukommen.

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