01. November 2015 · Kommentare deaktiviert für Tschechien macht dicht: Keinen Bock auf Flüchtlinge · Kategorien: Nicht zugeordnet · Tags:

Quelle: n-tv

Von Christian Rothenberg

Neben Ungarn stellt sich auch die tschechische Regierung deutlich gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel – mit knallharter Abschottung, düsteren Aufnahmelagern und scharfer Rhetorik gegen Zuwanderer.

In Tschechien kommen in diesen Tagen kaum noch Flüchtlinge an. Zuletzt habe die Zahl an einem Tag auch mal bei Null gelegen, sagte Innenminister Milan Chovanec am Freitag der Zeitung „Hospodarske noviny“. Zwischen Anfang des Jahres und Ende September stellten nur 1115 Menschen einen Asylantrag in Tschechien, ähnlich viele wie im gesamten Vorjahr. Überraschend ist dies nicht. Die Regierung in Prag betreibt eine eiserne Abschreckungspolitik. Das wirkt.

Das Land, das einen Ausländeranteil von vier Prozent hat, gehört europaweit zu den schärfsten Kritikern der deutschen Flüchtlingspolitik. Nach ihrer Ankunft werden die Zuwanderer in einem der vier Aufnahmelager festgehalten „Wenn wir alle aufnehmen und durchreisen ließen, ohne uns um die Sicherheit zu kümmern, dann würde ich nicht Innenminister sein wollen“, sagt Sozialdemokrat Chovanec. Die tschechische Menschenrechtsbeauftragte Anna Sabatova äußerte scharfe Kritik an den Zuständen in den Lagern. In diesen herrschten „schlechtere Bedingungen als in tschechischen Gefängnissen“. Dass sich dort Hunderte Kinder aufhielten, widerspreche „unserer Vorstellung von Tschechien als zivilisiertem Land“.

Sabatova zufolge würden Flüchtlinge in Handschellen in das Lager gebracht, hinter vier Meter hohem Stacheldraht eingesperrt und vor den Augen ihrer Kinder erniedrigt. „Jeden Abend werden die Ausländer von Polizisten, die mitunter Helme oder Sturmhauben tragen, aus dem Bett gezwungen und gezählt“, sagte sie. Auch Hilfsorganisationen kritisierten die „Haftbedingungen“, freiwillige Helfer erhielten nur eingeschränkten Zugang.

„Untreue Ehefrauen werden gesteinigt“

In der tschechischen Hauptstadt gehen in diesen Tagen regelmäßig Tausende auf die Straße und demonstrieren gegen Flüchtlinge und „für unsere Kultur und ein sicheres Land“. Zwar unterzeichneten mehr als 2500 Intellektuelle und Persönlichkeiten einen Aufruf, indem sie einen offeneren Umgang mit Flüchtlingen fordern. Doch die Befürworter sind in der Minderheit. Laut einer Umfrage des Instituts „CVVM“ sind 69 Prozent der Tschechen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten und Nordafrika.

Die tschechischen Politiker bedienen die Ressentiments. Der sozialdemokratische Präsident Milos Zeman warf islamischen Flüchtlingen jüngst vor, die Scharia nach Europa zu bringen. „Das heißt untreue Ehefrauen werden gesteinigt, und Verbrechern werden die Hände abgehackt“, sagte er der Agentur CTK. Einige Tage später legte er in der Zeitung „Blesk“ nach. Zeman kritisierte, dass Flüchtlinge ihre Kinder als „lebende Schutzschilde“ missbrauchten, um auf diese Weise Mitleid hervorrufen zu wollen. Dabei seien die meisten Flüchtlinge wohlhabende junge Männer mit Smartphones und hätten kein Mitleid verdient.

Zielscheibe der Kritik ist auch Angela Merkel. Zeman bescheinigte der deutschen Kanzlerin einen „falschen Humanismus“. Ex-Präsident Vaclav Klaus sagte der Zeitung „Lidove noviny“: „Ihr Versagen ist schlicht und einfach unübersehbar – sie ist eine Schönwetter-Politikerin.“ Klaus fordert ein landesweites Referendum über die Aufnahme von Migranten. Ministerpräsident Boshulav Sobotka hält dies für unnötig.“ Ich bin gegen Quoten, die Regierung ist gegen Quoten, das Parlament ist gegen Quoten…, ich weiß wirklich nicht, worüber man ein Referendum abhalten sollte“, sagte er der Zeitung „MF Denes“.

1500 Flüchtlinge in zwei Jahren

Wie stur die Regierung ist, zeigte sich vor einigen Wochen bei den EU-Verhandlungen über eine Quotenregelung. Wie die anderen Visegrad-Staaten Ungarn und die Slowakei lehnt Tschechien dies ab. „Nicht aus mangelnder Solidarität“, sondern „weil die nach unserer Überzeugung nicht funktioniert“, so Sobotka. Nach den EU-Plänen wären nur 3000 der 120.000 zu verteilenden Flüchtlingen nach Tschechien gekommen, aber selbst dagegen wehrte sich die Regierung. Sie will in den kommenden zwei Jahren maximal 1500 aufnehmen. Für alle anderen Zuwanderer gelte: „Wer nach Tschechien kommt, schläft hier eine Nacht und macht sich am Tag darauf auf den Weg zu den westlichen Nachbarn.“

Im europäischen Ausland stößt die tschechische Politik auf Ablehnung. Die Vereinten Nationen werfen Tschechien eine systematische Verletzung der Menschenrechte vor. Seid Raad Al Hussein, der Hochkommissar für Menschenrechte, verurteilte den islamophoben und fremdenfeindlichen Diskurs im Land. Die Regierung in Prag versuche, Flüchtlinge vom Betreten des Landes abzuschrecken. Hussein kritisierte, dass Flüchtlinge routinemäßig 40 Tage und in Einzelfällen sogar bis zu 90 Tagen in erniedrigenden Bedingungen interniert werden und für ihren Aufenthalt dort sogar 250 Kronen (10 Euro) pro Tag zahlen müssen.

Die ehemalige tschechische Verfassungsrichterin Eliska Wagnerova erklärt ein der Zeitung „Pravo“, sie gehe davon aus, dass Tschechien es auf eine Klage wegen grausamen und unmenschlichen Verhaltens ankommen lässt. SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer sagt n-tv.de: „Die Haltung unserer Parteifreunde lehnen wir ab. Ich bin erschüttert.“ Parteivize Ralf Stegner sagt: „Haltungen, die wir falsch finden, werden nicht dadurch richtiger, dass Parteifreunde das in anderen Ländern vertreten.“

In Prag rufen die Vorwürfe eine Mischung aus Schulterzucken und Ablehnung hervor. Der Regierung ist es nur recht, dass sich die repressive Asylpolitik des Landes auch unter Flüchtlingen herumspricht. Kritik weist der Sprecher von Präsident Zeman zurück. Diese sei lediglich Teil einer Kampagne.

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