22. Oktober 2015 · Kommentare deaktiviert für „Es liegt an euch, dass ihr nicht fremd bleibt „ · Kategorien: Deutschland, Medien

Quelle: FAZ

Deutsche Welle und Flüchtlinge

Die Deutsche Welle erreicht mit ihrem Online-Angebot Millionen Menschen, die von Deutschland träumen. Die Sonderseiten für Flüchtlinge beschönigen nichts. Sie beginnen mit zehn Geboten.

von Matthias Hannemann

Zehn Dinge sind es, die ein Flüchtling bei der Ankunft in Deutschland im Blick halten soll: Fürs Arbeiten braucht es eine Arbeitserlaubnis. Wer arbeiten darf, muss Steuern bezahlen. Kinder darf man nicht schlagen. Schule ist Pflicht. Pünktlichkeit zählt. Im Supermarkt wird nicht gefeilscht. Tag und Nacht hat man leise zu sein. Nachbars Katze wird nur vom Nachbarn gefüttert, Nachbars Kind nur vom Nachbarn geküsst. Und selbstverständlich: „Don’t wash your car on the street.“ Beim Umweltschutz verstehen die Deutschen keinen Spaß.

Ob man mit diesen zehn Geboten weit kommt? Die Liste findet sich jedenfalls auf einer polyglotten Sonderseite im Internet, mit der die Deutsche Welle dem Umstand Rechnung zu tragen versucht, dass ein Teil ihrer Zielgruppe über die Flucht nach Deutschland nachdenkt – oder schon im Land der Schilderwälder angekommen ist. Sie nennt sich „Erste Schritte in Deutschland“. Womit die Deutsche Welle, der Auslandskanal, der beim Thema Flüchtlinge unlängst eine enge Kooperation mit den ARD-Rundfunkanstalten vereinbarte, stärker im Inland mitzumischen beginnt.

Aber warum denn auch nicht? Das vielsprachige Nachrichtenangebot, das die Welle fürs Ausland produziert, kann sinnvoll ergänzen, was die bei WDR, RBB und Radio Bremen angesiedelte Redaktion von „Funkhaus Europa“ als mittägliches „Refugee Radio“ oder der Privatsender n-tv mit der arabischsprachigen Wochensendung „Marhaba – Ankommen in Deutschland“ auf die Beine gestellt hat. Alles hilft, was Deutschland solide erklärt.

„Deutschland von A bis Z“

Das Willkommensportal für Asylsuchende, das von der Deutschen Welle Ende September auf Arabisch, Dari, Paschtu, Urdu und Englisch online gestellt wurde, besteht dabei keineswegs nur aus den nonchalant zusammengestellten „Zehn Dingen, auf die man in Deutschland achten sollte“, sondern aus ausführlichen, mit weiterführenden Links versehenen Texten zu Asylrecht, Grundgesetz, Geschichte, Kultur und medizinischer Versorgung in Deutschland.

Dazu ein Glossar „Deutschland von A bis Z“ („Armee, Asyl, Auschwitz, Auto, Bildung, Christentum …“), die augenzwinkernde Kultur-Betrachtung eines deutsch-marokkanischen Komikers sowie ein von Jaafar Abdul Karim, dem Moderator der populären Talkshow „Shabab Talk“, verfasstes Editorial, das auffallend klare Ansagen macht.

„Ahlan wa-sahlan, willkommen in Deutschland! Eure Flucht ist zu Ende, hier seid ihr in Sicherheit“, beginnt er und schreibt Sätze wie: „Jetzt liegt es auch an euch, dass ihr nicht fremd bleibt in diesem Land.“ Oder: „Importiert keine konfessionellen Spannungen, ethnischen Konflikte oder politische Unterdrückung nach Deutschland.“ Und: „Ihr lebt jetzt in einem anderen Wertesystem, das ihr respektieren sollt, damit wir alle hier friedlich zusammenleben können.“

Er verschweigt nicht, dass die „bisher unbekannte Willkommenskultur“ in Deutschland schnell wieder kippen kann, erwähnt die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und fordert seine Leser dazu auf, den „sogenannten besorgten Bürgern, die euch gegenüber skeptisch sind“, zu beweisen, „dass sie falschliegen“. In seiner Klarheit und Ausgewogenheit ist das bemerkenswert.

Beiträge ohne Schnörkel

Das gilt auch für den weitaus kühleren Ton, der jene Sonderseiten beherrscht („Fakten statt Mythen“), die eigens für Asylsuchende aus den Balkan-Ländern gebaut wurden. Hier wurde das Editorial von Verica Spasovska verfasst, der Leiterin der Nachrichtenredaktion Online, und sowohl ihr Text wie die anderen Elemente der Seite betonen, wie gering die Chancen für Asylbewerber vom Balkan sind, dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen. Selbst in dem optimistischer gehaltenen Beitrag „Legale Wege in den Arbeitsmarkt“ heißt es ohne Schnörkel zu Anfang: „Ein Recht auf Asyl, weil man eine Arbeit sucht, gibt es nicht.“

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