12. Oktober 2015 · Kommentare deaktiviert für „Ein Stelldichein von Schleppern und Schleusern“ · Kategorien: Deutschland · Tags:

Quelle: NZZ

Stephanie Lahrtz, München

Offenbar hat da eine Branche schnell auf die Flüchtlingskrise reagiert: «Die ISS 2015 in München», so verkünden die Organisatoren auf ihrer Website, «präsentiert sich erneut als die relevante Fachtagung der weltweit agierenden Fluchthilfe-Unternehmen. Wichtigstes Tagungsziel 2015 ist die Image-Aufwertung sowie die damit einhergehende Neubewertung der Dienstleistungen Schleppen und Schleusen.» Nun ist München ohne Frage eine Weltstadt mit offenem Herzen. Man heisst Tausende erschöpfter Flüchtlinge ebenso willkommen wie Millionen übermüdeter Oktoberfest-Besucher. Aber wie soll die vielzitierte Liberalitas Bavariae mit den für Mitte Oktober angekündigten Besuchern der Internationalen Schlepper- und Schleusertagung umgehen?

Je weiter man auf der Website scrollt, desto verwunderter reibt man sich die Augen: Die Konferenz geniesst die Unterstützung des Bayerischen Flüchtlingsrats, der Stadt München und der EU. Haben wir das Thema bisher zu einseitig gesehen? Sind vielleicht Menschenschmuggler, die eine syrische Familie aus Aleppo wegbringen, ebenso heroisch wie jene, die einst Kritiker des Naziregimes auf ein Schiff in Lissabon brachten?

Beim genaueren Hinsehen jedoch wird klar, dass die Hoffnung auf ein sensationelles Interview mit dem Boss der Bosse der Schleppermafia nicht in Erfüllung gehen wird. Die Tagung ist nämlich ein Treffen von Künstlern und Theaterleuten, Autoren und Migrationsexperten, welche sich mit dem Thema Flucht und Einwanderung auseinandersetzen wollen. Ihrer künstlerischen Natur gemäss haben sie schon die Ankündigung als Satire inszeniert.

Dumm nur, dass ein Münchner Bundestagsabgeordneter der CSU dies nicht erkannt hat. Zutiefst erschrocken und erbost informierte er das bayrische Innenministerium und dieses das Landeskriminalamt. Erst dessen detektivische Beamte haben die Veranstalter demaskiert: die Münchner Kammerspiele. Doch da tobte schon die rechtsextreme Hetze in Blogs und Internetforen. Jetzt benötigt die Tagung Polizeischutz – aus Angst vor Neonazis.

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