31. Juli 2015 · Kommentare deaktiviert für „Eine völlig perverse Politik“ · Kategorien: Frankreich, Großbritannien · Tags:

Quelle: TAZ

von Rudolf Balmer

In Europa wird viel von Menschenwürde gesprochen und Asyl nur unter Lebensgefahr gewährt. Für diese Politik ist Calais das traurige Symbol.

Großbritannien und Frankreich investieren ein paar zusätzliche Millionen in die verstärkte Sicherung der Zugänge zum Eurotunnel unter dem Ärmelkanal. Auf beiden Seiten weiß man, dass auch das die Migranten keineswegs vom Versuch einer illegalen Überquerung abhalten wird. Und wie seit Jahren werden es einige früher oder später auch nach Großbritannien schaffen.

Nur: Das Risiko steigt fast proportional zur Höhe der Zäune und Mauern, die die Anlegestellen für die Fähren sowie die Tunneleinfahrt umgeben.

Die Migranten sind, und das ist noch vorsichtig ausgedrückt, nicht willkommen. Großbritannien verlangt von Frankreich, alles zu tun, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen. Umgekehrt wäre es Frankreich recht, wenn die Briten mehr unternähmen, um für die Menschen aus den Krisengebieten und Elendsvierteln der Welt weniger attraktiv zu sein. Zudem setzen fremdenfeindliche Populisten auf beiden Seiten die Behörden politisch unter Druck.

Der Zynismus an beiden Ufern des Ärmelkanals erreicht nun einen neuen Höhepunkt. Offiziell machen französische Polizisten Jagd auf die Flüchtlinge, die versuchen, den Ärmelkanal als blinde Passagiere zu überqueren. Den Behörden bleibt nichts anderes übrig, als ein Flüchtlingslager mit rund 3.000 Menschen in der Nähe der Stadt Calais und nur ein paar hundert Meter vom Eurotunnel entfernt zu dulden. Die Briten protestieren zwar gegen den zunehmenden Ansturm von Flüchtlingen, doch ihre Wirtschaft profitiert schamlos von den billigen Schwarzarbeitern und der Selektion am Kanal: denn nur den Besten und Stärksten gelingt die illegale Einreise.

Das Nadelöhr von Calais wird damit zum Symbol einer völlig perversen Flüchtlingspolitik in Europa, wo viel von Menschenwürde gesprochen wird, während die Betroffenen ihr ­Leben riskieren – für ein Asylrecht, das alle europäischen Länder eigentlich gesetzlich garantieren.

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siehe auch: ARD moma

Calais: Tausende Flüchtlinge wollen durch den Eurotunnel

Im französischen Calais versuchen täglich hunderte Flüchtlinge, durch den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen. Die Passage durch den Tunnel ist lebensgefährlich und die Aussichten auf der anderen Seite alles andere als rosig. Unsere Korrespondentinnen Ellis Fröder und Julie Kurz berichteten von beiden Seiten des Eurotunnels.

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siehe auch: TAZ

Kein Weg unter dem Kanal

Die französische Polizei hindert erneut Hunderte am Betreten des Tunnels. In Großbritannien tritt das Sicherheitskabinett wegen der Lage in Calais zusammen.

LONDON dpa | In den vergangenen Tagen haben hunderte Flüchtlinge versucht, vom französischen Calis aus durch den Eurotunnel zu gelangen. Nach Schätzungen warten in Calais zwischen 3.000 und 5.000 Migranten auf eine Gelegenheit, nach Großbritannien zu kommen. Sie erhoffen sich dort bessere Asylchancen und Lebensbedingungen als in Frankreich.

Wie die französische Nachrichtenagentur afp meldete, stoppten Sicherheitskräfte in der Nacht erneut rund 200 Menschen, die versuchten, auf das Eurotunnel-Gelände vorzudringen. Am frühen Morgen gegen 01.00 Uhr patrouillierten demnach rund um den Bahnhof noch immer zahlreiche Polizeifahrzeuge.

Seit Anfang Juni waren auf der Fluchtroute durch den Eurotunnel mindestens zehn Menschen umgekommen und viele weitere verletzt worden. Rund 150 Migranten sollen es Berichten zufolge über die Grenze geschafft haben; offizielle Angaben dazu gibt es nicht. In diesem Jahr hat Eurotunnel auf der französischen Seite bereits mehr als 37.000 Versuche gezählt, die Grenze illegal zu überqueren.

Der britische Premierminister David Cameron hat angesichts der Lage am Ärmelkanaltunnel das Nationale Sicherheitskabinett (Cobra) einberufen. Das Gremium solle am Freitagmorgen unter Camerons Leitung zusammentreffen, teilte das Büro des Premierministers in der Nacht bei Twitter mit. Es solle sichergestellt werden, dass die Regierung unternehme, was sie kann, um der Situation in Calais zu begegnen.

Cameron hatte eine striktere Einwanderungspolitik angekündigt. Dem Sicherheitskabinett, das in nationalen Notlagen zusammenkommt, gehören Regierungsmitglieder, aber je nach Lage auch weitere Funktionsträger, etwa Militärs oder Geheimdienstmitarbeiter, an.

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