09. Juli 2015 · Kommentare deaktiviert für Syrien-Konflikt: Zahl der syrischen Flüchtlinge weiter gestiegen · Kategorien: Syrien · Tags:

Quelle: DW

Der Bürgerkrieg in Syrien hat mittlerweile mehr als vier Millionen Menschen aus dem Land vertrieben. Dazu kommen fast doppelt so viele Binnenflüchtlinge. Ein Ende der humanitären Katastrophe ist nicht in Sicht.

Allein in den vergangenen zehn Monaten sei die Zahl der Flüchtlinge um eine Million gestiegen, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf mit. UNHCR-Chef Antonio Gutteres erklärte, es handele sich um die größte Zahl von Flüchtlingen aus einem einzigen Konflikt seit einer Generation.

Seit Beginn des Bürgerkriegs im März 2011 sind UN-Angaben zufolge etwa 7,6 Millionen Syrer innerhalb ihres Landes vertrieben worden, mehr als vier Millionen sollen in die angrenzenden Nachbarländer geflohen sein. Vor allem in der Türkei gab es in den vergangenen Monaten einen starken Zuwachs der Flüchtlingszahlen. Hier spricht das UNHCR von rund 1,8 Millionen Menschen, die im nördlichen Nachbarland Schutz suchen. Der Libanon hat rund 1,2 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, in Jordanien, Syrien, dem Irak und Ägypten sind es jeweils über 100.000 Menschen.

Keine Hoffnung auf Rückkehr

Die Zahl der Menschen, die über die Nachbarländer nach Europa weitergereist sind, beziffert das UNHCR auf etwa 270.000. Die traurige Marke von vier Millionen Flüchtlingen wurde zuletzt im Jahr 1992 erreicht. Damals hatte das Flüchtlingswerk rund 4,6 Millionen Afghanen versorgt, die vor den Mudschahedin geflüchtet waren.

Der Syrien-Konflikt geht mittlerweile in das fünfte Jahr und bislang ist keine Lösung in Sicht. Das führt laut UNHCR bei vielen Flüchtlingen zu Verzweiflung und Resignation. Viele Menschen rechnen offenbar nicht mehr damit, jemals wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. Gleichzeitig wachse die Armut in den Flüchtlingscamps. Antonio Guterres appellierte deshalb an die Weltgemeinschaft, verstärkt für die Flüchtlinge zu spenden. „Wir können es uns nicht leisten, diese Menschen weiter in die Hoffnungslosigkeit abrutschen zu lassen“, erklärte der UNHCR-Chef bei der Vorstellung der jüngsten Zahlen.

djo/sp (afp)

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Quelle: The Guardian

Syrian refugees: four million people forced to flee as crisis deepens

Largest exodus from a single conflict in a generation places humanitarian system under increasing financial strain

The conflict in Syria has now driven more than four million people – a sixth of the population – to seek sanctuary in neighbouring countries, making it the largest refugee crisis for almost a quarter of a century, according to the UN.

On Thursday the UN refugee agency, UNCHR, said the total number of Syrian refugees in Turkey, Lebanon, Iraq, Jordan, Egypt and other parts of north Africa stood at 4,013,000 people.

With at least 7.6 milion people forced from their homes within Syria, almost half the country’s people are either refugees or internally displaced. The conflict, now in its fifth year, has killed more than 220,000 people. […]

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Quelle: Telepolis

UNHCR zählt mehr als vier Millionen Syrien-Flüchtlinge

von Thomas Pany

Keine Aussicht auf eine friedliche Beilegung des Mehrfrontenkriegs: die Flüchtlinge benötigen mehr Mittel, die Aufnahmeländer in der Nachbarschaft sind an den Grenzen ihrer Kapazitäten

Der Krieg in Syrien hat inzwischen über 4 Millionen Personen dazu getrieben, ihr Land zu verlassen. Mindestens 7,6 Millionen haben ihren Wohnort aufgegeben, um als Binnenflüchtlinge eine sichere Zuflucht innerhalb des Landes zu suchen. Diese Zahlen hat das das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR heute bekannt gegeben.

Man habe es mit der größten Flüchtlingspopulation seit einer Generation zu tun, so der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, António Guterres. In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts flüchteten mehr als 4,6 Millionen Afghanen ihre Heimat.

Die Aussichten, dass der syrische Mehrfrontenkrieg in absehbarer Zeit beigelegt wird, stehen schlecht, die afghanische „Rekordmarke“ könnte, hochgerechnet nach der derzeitigen Entwicklung, schon im nächsten Jahr erreicht werden. Vor zehn Monaten meldete das UNHCR drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien.

Schon gegenwärtig dürfte die genaue Zahl der syrischen Flüchtlinge höher liegen als die genannten, weil zum Beispiel die 270.000 Asylanträge, die Syrer in Europa gestellt haben, nicht hinzugerechnet wurden. Warum sie nicht zu den Flüchtlingen gerechnet wurden, darüber gibt die UNHCR-Mitteilung keine Auskunft.

Herauszulesen ist aber das ins Auge springende enorme Problem: Die meisten Flüchtlinge sind mittellos. Sie sind mit Kindern unterwegs und müssen versorgt werden, der Großteil findet Aufnahme in den Nachbarländern: 1,8 Millionen hat die Türkei aufgenommen, knapp 1,2 Millionen der Libanon, etwa 600.000 Jordanien, 250.000 der Irak und 130.000 in Ägypten, rund 24.000 Syrer haben in anderen nordafrikanischen Staaten Zuflucht genommen.

Man habe keine ausreichenden Geldmittel für die Versorgung der Flüchtlinge, so der UNHCR. Benötigt würden für dieses Jahr 5,5 Milliarden US-Dollar, bis zur Jahresmitte habe man gerade mal ein Viertel davon empfangen. Dies führe dazu, dass man bei der Ernährung und der medizinischen Versorgung weiter kürzen müsste, eine bittere Konsequenz aus der „Spendenmüdigkeit“ angesichts der ohnehin miserablen Situation der Flüchtlinge.

Die Flüchtlingspolitik brauche ein Umdenken, fordert daher ein Artikel in der Washington Post.

Integrieren statt draußen warten lassen

Bei den gegenwärtigen Konflikten, wie in Syrien und im Jemen oder bei den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine zu erkennen, sind Lösungen, die sie beenden könnten, nicht in Sicht. Das mache die herkömmliche Grundannahme der Flüchtlingshilfe, wonach man die Geflüchteten übergangsweise versorge, bis sie in ihr Land zurück können, obsolet.

Besser wäre es, so Adam G. Lichtenheld, die Hilfen darauf auszurichten, dass sie sich möglichst gut in das Aufnahmeland integrieren könnten. Dass sie dort arbeiten, Geld verdienen und selbstständig für sich selbst sorgen können. Problematisch ist allerdings, dass der weit überwiegende Teil der Flüchtlinge, 86 Prozent, von Entwicklungsländern aufgenommen wird; die Möglichkeiten, Arbeit zu finden, sind nicht rosig.

Demgegenüber stehe, dass sich unter Flüchtlingen, die jahrelang in Zeltlagern außerhalb der Städte untergebracht werden, ohne Möglichkeiten zur Arbeit oder zu einer guten Ausbildung, eine ganze Generation von Verlorenen heranwachse. Dass es in den Ländern, die so große Mengen von Flüchtlingen aufnehmen konnten, nicht zu den Konflikten gekommen ist, die man zunächst befürchtet hatte, wird von dem Experten der Washington Post, als Hoffnung gesehen, dass eine behutsame Eingliederung möglich wäre.

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