03. November 2014 · Kommentare deaktiviert für „Europa rettet nur noch kurz vor der Küste“ · Kategorien: Alarm Phone · Tags: ,

Frankfurter Rundschau

Ein Jahr lang leistete Italien mit Mare Nostrum humanitäre Hilfe und rettete Tausende von Menschen vor dem Ertrinken. Nun übernimmt die EU die Aufgabe – doch die Mission „Triton“ ist keine gute Nachricht für Flüchtlinge, die über das Meer kommen.

In Brüssel zeigte sich die scheidende EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Freitag zuversichtlich. „Ich bin glücklich, mitteilen zu können, dass Triton – wie von Italien gefordert – am 1. November wie geplant starten kann“, erklärte Malmström. In Rom aber klang das anders.

Zwar hat der italienische Innenminister Angelino Alfano zuletzt mehrfach betont, dass Italien sein Programm „Mare Nostrum“ zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer einstelle. Ein Datum nannte Alfano aber nicht. Auch hat es bisher keinen entsprechenden Beschluss der italienischen Regierung gegeben. Marineadmiral Filippo Foffi erklärte, die Marine habe noch keine offizielle Mitteilung erhalten, dass Mare Nostrum beendet werde. „Daher werden wir auch nach dem Start von Triton die Gewässer im Mittelmeer patrouillieren“, sagte Foffi.

Italien hatte im vergangenen Oktober nach der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa mit offiziell 366 Toten gehandelt und ein Rettungsprogramm gestartet mit pathetisch-althistorischem Namen: Mare Nostrum – Unser Meer. In eigener Regie und auf eigene Kosten. Nun soll Europa mit Triton das Kommando übernehmen. Aber keiner weiß genau wie. Die deutsche Bundesregierung etwa hat einen seeflugtauglichen Polizeihubschrauber für die EU-Mission angeboten und Beamte der Bundespolizei. Aber nach Angaben von EU-Diplomaten hat die für Triton zuständige EU-Grenzagentur Frontex noch keinen definitiven Bedarf nach Berlin gemeldet.

Fest steht bislang nur: Triton wird mit vermindertem Radius agieren. Neun Millionen Euro pro Monat stellte Italien für Mare Nostrum bereit, die EU-Mission Triton soll mit einem Drittel der Summe auskommen. Mehr aber noch: Mare Nostrum hatte Flüchtlinge auch außerhalb der italienischen Hoheitsgewässer gerettet – viele von ihnen stammen aus dem Bürgerkriegsland Syrien.

Die Triton-Schiffe sollen aber nur in einem Gebiet bis 30 Seemeilen vor Italiens Küste kreuzen. Europa zieht sich zurück. Und erntet dafür Kritik. „Mare Nostrum darf nicht beendet werden“, forderten Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen und das Zentrum für Immigrationsstudien Asgi in einem offenen Brief an Italiens Premierminister Matteo Renzi.

Die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller sagte der Frankfurter Rundschau: „Wenn Mare Nostrum jetzt abgelöst wird durch einen Frontex-Einsatz zur Bekämpfung irregulärer Migration kommt das einem Todesurteil für viele Flüchtlinge gleich.“ Keller weiter: „Bundesinnenminister Thomas de Maizière und seine europäischen Amtskollegen wissen ganz genau, dass die meisten Flüchtlinge gezwungen sind, den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer zu nehmen.“

153.000 Flüchtlinge hat Italiens Marine seit dem vergangenen Oktober im Mittelmeer gerettet, davon 98 000 aus Seenot. Dennoch starben allein in diesem Jahr mehr als 3300 Menschen bei der Überfahrt von Libyen nach Italien. „Die Flüchtlingsrettungsaktion Mare Nostrum muss fortgesetzt werden“, forderte die Grünen-Abgeordnete Ska Keller und warnte davor „sehenden Auges den Tod von Flüchtlingen in Kauf zu nehmen“.

Flüchtlingsströme

Aber Europa kapituliert. Manche verweigern sogar gänzlich die Hilfe. Großbritannien will sich am Triton-Einsatz nicht beteiligen. „Wir unterstützen keine gezielte Such- und Rettungsaktion im Mittelmeer“, teilte Staatssekretärin Joyce Anelay jetzt barsch mit.

Flüchtlinge_EU

Ganz so weit gehen Kritiker von Mare Nostrum wie Innenminister De Maizière nicht. Aber sie hatten bemängelt, dass die Aussicht auf Rettung Flüchtlinge manche erst zur gefährlichen Überfahrt im Mittelmeer ermutige. De Maizière hatte daher auf den Kampf gegen Schlepper gesetzt. Die Grünen-Abgeordnete Skeller entgegnete: „Wenn wir kriminelle Schlepper und Menschenhändler wirklich effektiv bekämpfen wollen, brauchen wir nicht weniger Flüchtlingsrettung, sondern mehr sichere und legale Zugangsmöglichkeiten für Flüchtlinge nach Europa.“

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