22. Juni 2018 · Kommentare deaktiviert für „Europas Puffer im Südosten“ · Kategorien: Albanien, Balkanroute, Bosnien · Tags:

FR | 22.06.2018

Immer mehr Migranten suchen über Albanien und Bosnien-Herzegowina einen Weg in die EU

von Adelhaid Wölfl

Mittwochfrüh kenterte ein Boot mit zehn Migranten, die versuchten, über die Drina von Serbien nach Bosnien-Herzegowina zu gelangen. Keine der Personen wurde verletzt. Die meisten Migranten, die in diesen Tagen nach Bosnien-Herzegowina kommen – etwa 70 Prozent – kommen aus Serbien. Viele sind bereits vor Jahren nach Serbien eingereist, von dort aber nicht weitergekommen, unter anderem, weil die ungarische Grenze streng bewacht wird. In den serbischen Aufnahmezentren sind unter anderem auch 682 Minderjährige untergebracht, davon sind 75 unbegleitet. In Bosnien-Herzegowina befinden sich über 300 minderjährige Migranten. Einige Migranten – darunter viele Pakistaner – schlafen mittlerweile vor dem Bahnhof in Sarajevo auf den Verkehrsinseln, weil der Park in der Altstadt geräumt wurde.

Die polizeilichen Maßnahmen werden immer weiter verstärkt. Am Montag wurde beschlossen, dass an den bosnischen Außengrenzen 200 weitere Polizisten zum Grenzschutz eingesetzt werden. Insgesamt verfügt die bosnische Grenzpolizei über 1800 Grenzbeamte – die Grenze ist über 1500 Kilometer lang. Viele Migranten versuchen es an allen möglichen Stellen an der Grenze und werden immer wieder zurückgewiesen. An der bosnisch-kroatischen Grenze wurden am Montag etwa hundert Migranten im Wald daran gehindert, in die EU zu kommen. Die etwa 6500 Migranten, die in diesem Jahr nach Bosnien-Herzegowina gelangten, gaben zumeist an, Asyl zu suchen, die meisten hoffen aber, irgendwie nach Slowenien oder Italien zu gelangen.

Umweg über Albanien

Manche kehren unverrichteter Dinge wieder nach Serbien zurück. Seit die Balkanroute geschlossen wurde und die mazedonische, die bulgarische und die serbische Politik immer restriktiver wurde, versuchen es Migranten auch zunehmend über das unwegsame Albanien, über Montenegro und Bosnien-Herzegowina. An verschiedensten Orten wird versucht, die Grenze illegal zu überschreiten.

Seit Februar laufen Vorbereitungen für eine Statusvereinbarung zwischen Albanien und der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Sie würde Frontex erlauben, im Land auch exekutive Aufgaben zu übernehmen. Bisher können die derzeit fünf Frontex-Beamten in Albanien nur beratend tätig sein. Auch Montenegro will Medienberichten zufolge ein Statusabkommen mit der Frontex abschließen. Zwei Frontex-Mitarbeiter sind derzeit in Bosnien-Herzegowina, vier in Mazedonien und einer im Kosovo.

Der Grenzschutz ist eine wichtige hoheitsrechtliche Aufgabe von Staaten. Deswegen weist das albanische Innenministerium wohl auch Berichte über eine angebliche Entsendung von österreichischen oder deutschen Polizisten aufgrund bilateraler Vereinbarungen zurück. An einer solchen Entsendung werde nicht gearbeitet, betont der Kabinettschef des albanischen Innenministeriums Adriatik Mema gegenüber der Zeitung „Standard“: „Meines Wissens nach arbeitet niemand an einer solchen Kooperation.“ Auch die Schaffung eines Zentrums für Migranten in Albanien, die in der EU abgelehnt wurden oder auf ihren Asylbescheid warten, sei „kein Thema“, betont Mema.

Auch der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos hatte am Dienstag gesagt, dass Initiativen für Asylzentren außerhalb der EU in Brüssel nicht diskutiert würden, weder mit Albanien noch mit einem anderen Land. Zuletzt gab es in österreichischen Medien immer wieder Berichte, Österreich und Dänemark würden an der Schaffung solcher Zentren außerhalb der EU auf dem Balkan arbeiten.

Albanien braucht Unterstützung

Laut dem Innenministerium in Tirana braucht Albanien andere Unterstützung. Dringend nötig seien etwa Transportmittel für die Grenzpolizei. In Albanien betont man, dass die Migranten aus dem EU-Staat Griechenland nach Albanien kommen würden und deshalb auch die EU in der Verantwortung stehe. Das albanische Innenministerium betont, dass es alles tue, um die Migranten, die nach Albanien kommen aufzuhalten und zu registrieren. In diesem Jahr habe man etwa 2500 Migranten – davon über 1000 an der Grenze – gestoppt. Man gehe auch gegen griechisch-albanische Schmugglernetzwerke vor. Man brauche dafür neben Vans auch Motorräder, Wärmekameras, Feldstecher, Radaranlagen und Dronen. Auch für den Grenzschutz an der Adria brauche es Ausrüstung, so Mema zum Standard. Bisher habe Albanien vor allem Training und Ausrüstung von den USA und Deutschland erhalten.

Albanische Politiker hatten sich in den vergangenen Wochen gegenüber den österreichischen Plänen offiziell offen gezeigt, weil die albanische Regierung Unterstützung für den Beginn der Beitrittsverhandlungen braucht, was Ende Juni entschieden wird. Die albanische Regierung ist demnach, was die Wünsche von EU-Staaten betrifft, in gewisser Hinsicht „erpressbar“. Die anhaltenden politischen Ansagen aus Österreich, man würde im Falle eines Flüchtlingszustroms die Grenzen schließen, haben zudem auch auf dem Balkan zu Reaktionen geführt. Falls Österreich und Slowenien wirklich ganz die Grenzen schließen sollten, werde man dies auch in Bosnien-Herzegowina tun, heißt es in Sarajevo.

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