04. Mai 2018 · Kommentare deaktiviert für „Ellwangen: Großeinsatz in aufgeheizter Lage“ · Kategorien: Deutschland · Tags: , ,

Süddeutsche Zeitung | 03.05.2018

Nach der gewaltsam vereitelten Abschiebung eines Asylbewerbers durchsuchen Hunderte Polizisten die Unterkunft in Ellwangen. Viele Bewohner verstehen nicht, warum das sein muss.

Von Thomas Hummel, Ellwangen, und Bernd Kastner

Es ist noch dunkel, als der Einsatz beginnt. Auf Fotos sieht man eine Reihe von Mannschaftsbussen der Polizei, sie haben die Lichter ausgeschaltet; gegen 5.15Uhr am Donnerstag passieren sie das Tor der Kaserne in Ellwangen. Dort sind seit drei Jahren Flüchtlinge untergebracht. Einen von ihnen, einen 23-Jährigen aus Togo, wollte die Polizei in der Nacht zum Montag abschieben. Das misslang, weil sich 150 bis 200 Flüchtlinge mit ihm solidarisierten. In jener Nacht zog die Polizei wieder ab – um am Donnerstag wiederzukommen. Es ist eine Demonstration der Stärke, mehrere Hundert Polizisten sind angerückt, die Botschaft des Staates lautet: Wir setzen das Recht durch.

Schauplatz der Großrazzia ist die ehemalige Reinhardt-Kaserne, zwei Kilometer entfernt von Ellwangen, einer Stadt mit etwa 27 000 Einwohnern; sie liegt im Osten Baden-Württembergs an der Grenze zu Bayern. Dort wurde 2015 eine Landeserstaufnahmestelle (Lea) eingerichtet, derzeit leben hier knapp 500Flüchtlinge. Gut die Hälfte von ihnen stammt aus Afrika.

Den gesuchten Togoer machte die Polizei am Donnerstag in der Kaserne ausfindig. Er soll nun nach Italien abgeschoben werden, dort hat er zuerst europäischen Boden betreten. Auch für andere Flüchtlinge hat die Razzia Konsequenzen: Zehn weitere Bewohner will man in andere Unterkünfte verlegen, weil sie als Unruhestifter aufgefallen seien, sagte Polizeivizepräsident Bernhard Weber. Und sein Einsatzleiter fügte hinzu: „Die Situation insgesamt war sehr angespannt, sehr aufgeheizt.“

Die Polizei ist sich sicher, dass am Montag die Abschiebung des Togoers organisiert vereitelt worden sei. Die Polizisten trafen den Mann in seinem Zimmer an und nahmen ihn in Gewahrsam. „Der Mann hat sich nicht gewehrt, aber die Zeit verzögert, irgendwelche Dinge erledigt. Wir haben ihm das zugestanden“, berichtet Weber. Während die Polizisten warteten, hätten sich andere Bewohner „an strategischen Plätzen postiert“, viele hätten telefoniert, sagte Weber. „Im Nachhinein müssen wir davon ausgehen, dass die Leute Informationen weitergaben, so dass sich in kürzester Zeit Menschen versammelten, die die Polizei hinderten, die Aktion durchzuführen.“

Zahlreiche Flüchtlinge sollen dann die beiden Streifenwagen umzingelt und beschädigt haben. Sie hätten mit einem Angriff auf die Beamten gedroht, wenn nicht schnell der Schlüssel für die Handschellen, mit denen der Togoer gefesselt war, herausgegeben würde. Genau das taten die Polizisten und verließen die Lea, um eine unkontrollierbare Konfrontation zu vermeiden. Später lobte Polizeichef Weber seine Leute: „In einer so aggressiven und gewaltbereiten Ausnahmesituation den kühlen Kopf bewahrt zu haben, da kann ich meinen Kollegen nur großen Respekt zollen.“

72 Stunden später war das Überraschungsmoment auf Seiten der Polizei. Die Beamten kamen mit schwerer Ausrüstung, sie rechneten damit, dass Waffen in der Unterkunft lagern. Dem war zwar nicht so, dennoch war die Polizei sehr beunruhigt. Unter einer Gruppe von Schwarzafrikanern, sagt Weber, hätten sich „Strukturen entwickelt“, um Behördenmaßnahmen zu verhindern. Es sei damit quasi ein „rechtsfreier Raum entstanden“. Deshalb der massive Einsatz. „Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass man die Polizei mit einer organisierten Übermacht in die Flucht schlagen kann, hätte das verheerende Folgen“, sagt der Einsatzleiter.

Pater Reinhold Baumann kennt die Lea von innen, der Comboni-Missionar gibt dort Deutschkurse. Er wolle, sagt er, den Widerstand überhaupt nicht rechtfertigen, aber doch habe er Verständnis für die schwierige Situation der Flüchtlinge, vor allem der Afrikaner. Von ihnen hätten „die meisten so gut wie keine Chance“, in Deutschland bleiben zu dürfen. Das realisierten viele erst jetzt, nachdem sie schon Jahre unterwegs sind, viel Geld für die Flucht ausgegeben, sich verschuldet haben und ihre Familien vergeblich auf gute Nachrichten warten. Alles war umsonst: So fasst Baumann die späte Erkenntnis zusammen. Viele seien sehr niedergeschlagen, und die erzwungene Untätigkeit tue ein Übriges. Er selbst, sagt Pater Baumann, habe bei seinen Besuchen nie Aggression erlebt, aber er könne sich vorstellen, dass es bedrohlich wirke, wenn Dutzende Afrikaner ein paar Polizisten gegenüberstünden und laut protestierten. Wie gesagt, er wolle keinen Widerstand rechtfertigen, bloß das noch: „Solidarität mit einem Hilflosen ist auch ein menschlicher Wert.“

Einige Bewohner sprangen aus dem Fenster, die Flucht gelang ihnen aber nicht

Gegen halb eins am Donnerstagmittag ist der Einsatz beendet, anschließend zieht die Polizei Bilanz: Knapp 300 Bewohner habe man kontrolliert, 23 hätten sich zunächst widersetzt. 26 Asylsuchende wollten flüchten, einige sprangen aus dem Fenster, die Flucht gelang aber nicht. Bei dem Einsatz wurden zwölf Menschen verletzt, darunter elf Bewohner, manche beim Sprung aus dem Fenster. Verletzt wurde auch ein Polizist, aber nicht durch Dritte. Man ermittle wegen Drogendelikten, Diebstahls und Hausfriedensbruchs.

Als alles wieder ruhig wirkt, steht ein paar Meter vor dem Schlagbaum Rex Osa, Aktivist bei „refugees4refugees“. Er unterhält sich mit einem Nigerianer, der nicht so recht weiß, wohin mit seinen Erinnerungen an diesen Morgen. Noch im Schlaf sei die Polizei in sein Zimmer eingedrungen, habe ihm mit Kabelbindern die Arme gefesselt, das Zimmer durchsucht und den Ausweis überprüft. Der Einsatz hinterlässt Eindruck, viele Bewohner verstehen nicht, warum das sein musste. Rund um die Ellwanger Lea erzählt man sich, dass die Polizei angeblich immer Montagfrüh komme, um die Menschen abzuholen. Aus Angst, sie könnte es treffen, übernachteten einige von Sonntag auf Montag im Wald. Osa glaubt, dass sie sich eher in ein deutsches Gefängnis stecken lassen, als eine Rückkehr in ihr Heimatland zu riskieren.

Thomas Deines glaubt, viele Bewohner seien froh, dass jetzt wieder Ruhe einkehre. Der Referatsleiter im Regierungspräsidium Stuttgart spricht von einer „wunderschönen Einrichtung, die prima funktioniert“. Klar, es gebe Delikte wie Diebstahl oder Verstöße gegen die Hausordnung, aber alles noch im Rahmen. Zugleich weiß er, dass die Razzia auch verunsichere. „Es gibt schon Unruhe bei den Leuten. Einige haben Angst, sie werden nun alle abgeschoben“, sagte Deines. Viele warten bang auf den nächsten Montagmorgen und fragen sich, wen die Polizei dann mitnimmt.

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taz | 03.05.2018

Was geschah in Ellwangen?

Polizei und Politik sprechen von Angriffen, Gewalt und womöglich versteckten Waffen. Unsere Recherche zeigt: Kaum ein Vorwurf erhärtet sich

Christian Jakob

Nachdem die Polizei am frühen Morgen ein Flüchtlingsheim im baden-württembergischen Ellwangen gestürmt hatte, kochte die Diskussion am Donnerstag hoch. Dass es überhaupt so weit gekommen sei, sei „ein Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Berlin.

Hunderte Polizisten, schwer bewaffnet und maskiert, darunter Spezialeinheiten, waren am Morgen um 5.15 Uhr zu einer Razzia in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) Ellwangen eingerückt. Dort sind derzeit etwa 500 AsylbewerberInnen untergebracht. Sie suchten einen Togoer, der abgeschoben werden sollte. Die Aktion war eine Reaktion darauf, dass Bewohner des Heimes am Montag Polizisten vertrieben hatten, die den abgelehnten Asylbewerber abschieben sollten.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dankte am Donnerstag nach der Razzia der Polizei, die „mit der erforderlichen Konsequenz und Härte reagiert hat“. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte, ein Flüchtling, der einen Polizisten angreife, dürfte „keine Stunde mehr in Freiheit sein, bis er zurück in seinem Herkunftsland ist“. Selbst der Deutschland-Repräsentant des UN-Flüchtlingswerks UNHCR, Dominik Bartsch, sagte, er „verurteile den Angriff auf die Polizisten scharf“. Eine Abschiebung rechtfertige „keinen aggressiven Widerstand“ und „erst recht keine Gewalt“. Doch ob das, was in Ellwangen geschah, „Angriff“ und „Gewalt“ zu nennen ist, ist zweifelhaft.

Die Geschichte nahm ihren Anfang am Montag um 2.30 Uhr in der Nacht. Vier Beamte waren in die LEA gekommen, um einen 23-jährigen Togoer abzuholen. Er sollte nach Italien abgeschoben werden. Etwa 150 Bewohner der Einrichtung bedrängten die Beamten so sehr, dass diese den Togoer wieder laufen ließen und sich zurückzogen.

Auch Nötigung gilt als Form der Gewalt

Zwei Tage später, am Mittwoch, veröffentlichte das zuständige Polizeipräsidium Aalen eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Abschiebung aus der LEA mit Gewalt verhindert“. Im Text selbst war dann lediglich von „aggressivem“ und „drohendem Verhalten“ die Rede. Durch „Schlagen mit den Fäusten auf die zwei Streifenwagen“ sei „ein Dienstfahrzeug beschädigt worden“.

Dass bei dem Vorfall am Montag „Polizisten persönlich attackiert worden seien, solche Berichte kenne ich nicht“, sagt der migrationspolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Daniel Lede Abal, der taz am Donnerstag. Die Beamten hätten die Situation „als bedrohlich empfunden“, sagte Lede Abal, die Lage sei „aufgeheizt“ gewesen. Es sei eine „kluge Entscheidung“ gewesen, den Einsatz abzubrechen, um zu „deeskalieren“. Doch: „Aus juristischer Sicht ist Nötigung auch eine Form von Gewalt.“

Die Polizei vermochte auf Anfrage der taz den Schaden an den Streifenwagen nicht zu beziffern. Dieser sei „jetzt nicht so immens“ gewesen, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen. Es habe eine „Eindellung“ gegeben.

Doch machte der Vorfall am Montag die Runde. Der Staat fühlte sich offenbar herausgefordert. Am Mittwoch sagte der baden-württembergische CDU-Innenpolitiker Armin Schuster: „In unserem Rechtsstaat gibt es eindeutige rote Linien, die mittlerweile beinahe täglich von Asylbewerbern vorsätzlich überschritten werden.“ Das „Entschuldigen solcher Entgleisungen ist jetzt völlig fehl am Platz“. Er fordere „mehr spürbare Härte“.

Zwei Bewohner sprangen angeblich aus dem Fenster

Und so kam es auch: Donnerstag früh rückten die Spezialeinheiten an. Sie nahmen den gesuchten Togoer fest, kontrollierten 292 Bewohner der Einrichtung, leiteten zwölf Ermittlungsverfahren ein und beschlagnahmten bei 18 Personen „erhöhte Bargeldbestände, die über der Selbstbehaltsgrenze von 350 Euro lagen“.

Elf Bewohner wurden nach Polizeiangaben bei der Aktion verletzt. Zwei seien aus dem Fenster gesprungen. Die Übrigen hätten „Widerstand geleistet“, der „gebrochen werden musste“, so ein Polizeisprecher zur taz.

Die dpa schrieb um 8:24 Uhr, es seien „einige Polizeibeamte“ verletzt worden. Auf Nachfrage der taz erklärte die zuständige dpa-Redakteurin, die Information sei „nicht von der Polizei“, aber „aus Polizeikreisen“ gekommen. Dies war der Stand, den die Öffentlichkeit kannte, als Seehofer am Vormittag seine länger geplante Pressekonferenz gab. Mit Verweis auf den Vorfall in Ellwangen zog er kräftig vom Leder und kündigte eine härtere Gangart gegen Flüchtlinge an.

Am Mittag dann sagte ein Sprecher der Polizei Aalen der taz, es sei lediglich ein Beamter „verletzt“ worden. Was dem genau passiert sei, sagte er nicht. Nur so viel: Dies sei „nicht durch Dritte, ohne Fremdeinwirkung“ geschehen. Von dem Vorwurf der „Angriffe“ und „Gewalt“ war nicht mehr viel übrig.

Echte Waffen wurden nicht gefunden

Offenbar um die Massivität des Einsatzes zu rechtfertigen, hatte die Polizei, während dieser lief, erklärt, auch nach Waffen zu suchen. Es habe bei der „aggressiven Ansammlung“ in der Nacht zum Montag „ernst zu nehmende Aussagen“ gegeben, dass man „sich durch Bewaffnung auf die nächste Polizeiaktion vorbereiten wolle“.

Ein Sprecher der Polizei Aalen sagte der taz, er könne nicht genau sagen, wie der Verdacht auf Waffenhortung entstanden sei. Er sprach von „Mosaiksteinen“ und erwähnte „andere Sicherheitsdienste“, sagte dann aber, er könne nicht bestätigen, dass der private Sicherheitsdienst in der Einrichtung entsprechende Äußerungen gehört und die Polizei darüber informiert habe.

Gefunden worden seien jedenfalls „keine Waffen im technischen und nicht-technischen Sinne“. Was das bedeute? „Gefunden wurden Gegenstände des täglichen Lebens, die auch als Schlagwerkzeuge eingesetzt werden können“, so der Sprecher. Die Äußerung von Baden-Württembergs CDU-Innenminister Thomas Strobl, es „steht im Raum, dass künftige Abschiebungen auch unter dem Einsatz von Waffengewalt durch widerständige Flüchtlinge verhindert werden sollen“, war da allerdings längst von mindestens acht überregionalen Medien verbreitet worden. „Flüchtlinge wollten sich bewaffnen“, berichtete etwa die Welt.

Die Vorfälle werfen die grundsätzliche Frage auf, ob es eine gute Idee ist, Asylbewerber künftig dauerhaft in großen Lagern zu kasernieren, wie Bundesinnenminister Seehofer es in den geplanten Ankerzentren will. Die Grünen in Baden-Württemberg lehnen dies ab. Der Grünen-Abgeordnete Daniel Lede Abal sagt, Baden-Württemberg habe gute Erfahrungen mit kleineren Einrichtungen gemacht, die eine „steuerbare Größe“ hätten. Dort habe das Land unabhängige Sozial- und Verfahrensberatungen eingerichtet und „Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung“ gefördert. „All dies finden wir in den Ankerzentren nicht wieder“, so Lede Abal. „Das kann für uns kein sinnvoller Weg sein.“

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Frankfurter Rundschau | 03.05.2018

Vereitelte Abschiebung in Ellwangen: Flüchtlinge haben zu kuschen

Migranten vereiteln die Abschiebung eines Mitbewohners in einer Flüchtlingsunterkunft. Am Ende sorgt die Polizei per Großeinsatz für Recht und Ordnung, deren Verfechter wegen einer Geste toben. Ein Kommentar.

Von Simon Berninger

Für die Polizei war es am Montag eigentlich ein Routinefall. Der 23-jährige Flüchtling aus Togo saß auch schon in Handschellen im Einsatzwagen, als er von der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen in Abschiebehaft gebracht werden sollte. Solche Aktionen werden mit Vorliebe des Nachts durchgeführt. Möglichst unbemerkt von der Öffentlichkeit werden die Betroffenen im Schlaf überrascht.

Für die 500 Bewohner der Ellwangener Flüchtlingsunterkunft, zumeist aus Afrika die quotenmäßigen Verlierer der deutschen Asylpolitik, dürften nächtliche Abschiebungen zur Routine gehören. Einzelne Menschen werden aus ihrer Gemeinschaft gerissen, weil sie die Behörden für „ausreisepflichtig“ erklären. Das bedeutet für jeden von ihnen das ständige Leben in Angst vor Tag, pardon, Nacht X.

Es ist diese Routine, der sich die Asylsuchenden in der Nacht von Montag in den Weg stellten. Buchstäblich. Mit der plötzlichen Solidarisierungswelle konnte die Polizei freilich nicht rechnen.

„Ein Schlag ins Gesicht“

Für die Recht- und Ordnungs-Verfechter war der Ellwangener Vorfall tatsächlich ein „Schlag ins Gesicht“, wie Horst Seehofer (CSU) sagt. Für ihn, weil Flüchtlinge „das Gastrecht mit Füßen getreten“ hätten, wie der Innenminister kommentiert. Nicht etwa, weil sich Flüchtlinge eindrucksvoll mit ihrem abzuschiebenden Mitbewohner solidarisierten und für eine Nacht das Recht der Schwächeren durchsetzten.

Welche Verzweiflung mag hinter einer solchen Aktion stecken? Denn den zum scheinbar Äußersten bereiten Protestlern dürfte klar gewesen sein, dass sie damit nicht durchkommen. Insofern war es eine menschliche Geste, motiviert vom Gedanken an die möglicherweise eigene, drohende Abschiebung und die Aussicht, dass ihr langer Traum von einer besseren Zukunft nach den erdrückenden Lebensbedingungen in einem Massenquartier am Ende wieder in ihren desolaten Herkunftsländern enden wird.

Eine solche Sicht geht den rechtsfrömmelnden Ordnungsveteranen freilich gänzlich ab. Unter ihnen schimpft die baden-württembergische AfD auf „die den Rechtsstaat pervertierende Straftat“ eines „schwarzafrikanischen Migrantenmobs“ und regt sich auf – ja, worüber denn? Einmal haben sich Flüchtlinge autark gegen eine drohende Abschiebung gewehrt, sodass die Uniformierten ohne weitere Verletzungen kleinbeigaben. Natürlich nicht ohne die Verhältnisse in der Folge mit ganz großem Besteck gerade zu rücken.

Wie kann ein „Migrantenmob“ es wagen, wie können „afrikanische Gewalttäter“ (AfD) es wagen, nicht zackig die Anweisungen befolgend ihrem fremdbestimmten Schicksal entgegenzutraben? Das ist der Grund für die Aufregung, der Flüchtling hat zu kuschen, hat aufzuhören, Mensch zu sein, sonst tobt das Land.

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DW | 03.05.2018

German police catch fugitive asylum-seeker following raid

A large-scale raid was carried out at an asylum center in Germany after a failed attempt to deport a Togolese man. Experts say the difficult conditions and limited prospects at such facilities often fuel tension.

German police sought to re-establish their authority by force at a home for asylum-seekers in the small town of Ellwangen, in the southern state of Baden-Württemberg, after a large and extraordinary operation on Thursday morning.

A 23-year-old from Togo — whose deportation to Italy was prevented by a group of between 150 and 200 asylum-seekers in the early hours of Monday morning — was recaptured during the operation.

Twenty-seven asylum-seekers offered resistance during Thursday’s police action, which involved hundreds of armed officers. Some asylum-seekers were injured jumping out of windows.

Police said they had arrested five asylum-seekers on suspicion of theft or drug-related offenses, while 17 inhabitants are to be moved to other homes. The operation was still ongoing at noon, with asylum-seekers being led away, though the situation was described as being „under control.“

„We will not allow any law-free zones to be established,“ Bernhard Weber, vice president of the local police force, said at a press conference on Thursday morning. Peter Hönle, the local officer who directed Thursday’s operation, described the situation as „very tense and very overheated.“

Deportations had already been carried out „hundreds of times“ before without any violent incident, Weber told German channel N24, keen to underline how unusual the situation was. „It was very simple at first, until the four officers tried to leave, when hundreds of people prevented them.“

Sean McGinley, head of the Baden-Württemberg Refugee Council’s office, told DW that the Ellwangen center had not been considered particularly problematic before Monday’s incident — though he said it was one of about half-a-dozen in the state. „There are some general difficulties with these first-reception centers when it comes to these people,“ he said. „There are conditions there that are not okay, and that are in some cases legally questionable — but I don’t know to what extent that can explain the events in the last few days. I do know that people who are deported to Italy are often left on the streets, and that it is understandable that people feel like they are in an emergency situation and that they are very scared, and they want to do whatever they can to prevent it.“

„The fact that it is legal to send people away is beyond question, but on a human level you are putting people in an extreme situation,“ he added.

‚A slap in the face‘

The incident has created an enormous political media conflagration in Germany, where conservative politicians — spooked by the rise of far-right populists — have been lining up to impose even more stringent measures on asylum-seekers in Germany.

The country’s newly sworn-in interior minister, Horst Seehofer, staged his own press conference on Thursday morning to denounce the events in Ellwangen as a „slap in the face for the law-abiding population.“

„The right to hospitality must not be trampled on,“ he added.

Seehofer’s solution is to build new „anchor centers“ for asylum-seekers across Germany — large-scale facilities where entire asylum procedures can be processed under one roof and where asylum-seekers are forced to spend their entire time — not unlike the first-reception center in Ellwangen. The law was changed last year to allow states to keep asylum-seekers in the first-reception centers for up to two years — which critics say further hinders their chances of being integrated into communities.

Five or six pilot anchor centers are to be prepared for testing across the country in the coming months, Seehofer said, amid criticism from police unions, who argued officers were not trained to „run prisons.“

Seehofer is head of the conservative Christian Social Union (CSU), the Bavarian sister-party to Chancellor Angela Merkel’s Christian Democratic Union (CDU), which is facing a bitter battle for votes against the far-right, anti-refugee Alternative for Germany (AfD) in Bavaria’s state election in September.

But other political parties have questioned whether creating even more large-scale centralized shelters for asylum-seekers is a wise option, considering the events in Ellwangen. „That creates a dynamic and a potential for violence, and it all goes on the backs of police officers,“ commented Green Party domestic policy spokeswoman Irene Mihalic.

A system programmed to fail

Stephan Dünnwald, of the Bavarian Refugee Council, described the living conditions in large-scale homes in distressing terms. „Imagine you’re stuck there with three or four hundred other people and every other night the police come and pick one of you up, and you don’t know who is going to be next,“ he told DW. „That creates enormous tension among the inhabitants.“

Asylum-seekers are often left to live in the homes for months at a time while they wait for their applications to be processed — they are not allowed to look for work in that time, or even to take German classes or do any job training, which leaves them facing some difficult choices. „They sit around and wait to see what happens to them,“ said Dünnwald. „For one month you might think of it as a holiday, but if you’ve been sitting there for half-a-year and you can’t do anything — nothing at all — then of course you think about what you’re going to do: Do I stay here? Do I go into hiding? Do I try and find a job illegally? Or do I start doing something criminal?“

Asylum policy in the European Union is regulated through the so-called Dublin system, which stipulates that migrants must be transferred to the member state where they first entered the EU. In practice that often means Greece or Italy, to where the Togolese man was due to be deported on Monday.

According to Dünnwald, these countries often don’t maintain the EU’s basic humanitarian standards. „In Italy, most people aren’t looked after — they don’t get shelter, they live on the streets. They don’t get any money, so they have to get by through doing illegal work, or begging, or prostitution,“ he said. „So obviously people don’t want to go back there.“

The whole of the EU’s asylum policy, in other words, is based on the principle of trying to „scare people off,“ Dünnwald said.

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