25. Dezember 2017 · Kommentare deaktiviert für „Flüchtling erzwingt Familiennachzug vor Gericht“ · Kategorien: Deutschland · Tags: ,

Zeit Online | 22.12.2017

Die Regierung hat den Nachzug von Familienmitgliedern für subsidiär Geschützte ausgesetzt. Doch nun erlaubt ein Gericht, dass die Familie eines jungen Syrers nachkommt.

Ein minderjähriger Flüchtling aus Syrien darf seine engere Familie nach Deutschland holen, obwohl die Bundesregierung den Familiennachzug für anerkannte Asylbewerber mit beschränkten Schutz bis Ende März ausgesetzt hat. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios zog das Auswärtige Amt seine Berufung gegen ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zurück. Das hatte dem 16-Jährigen den Nachzug seiner Eltern und Geschwister zugebilligt.

Sein Vormund hatte dem Bericht zufolge mehr als zwei Jahre lang versucht, eine Härtefallentscheidung zu erwirken. Das Auswärtige Amt wies ihn aber immer wieder ab. Die Richter erkannten darin einen schweren Verstoß gegen das Kindeswohl, das durch Grundgesetz, Europäische Menschenrechtskonvention und UN-Flüchtlingskonvention besonders geschützt sei.

Der Jugendliche war im Sommer 2015 mit einem älteren Cousin nach Deutschland gekommen. Er soll früh deutliche Anzeichen einer schweren Traumatisierung gezeigt haben.

Das von dem SPD-Politiker Sigmar Gabriel geführte Auswärtige Amt hatte nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios erst vor wenigen Tagen Berufung gegen das Urteil eingelegt. Nachfragen bei führenden Sozialdemokraten hatten zu erheblicher Unruhe in der Partei geführt.

Gabriel sagte der Tagesschau nun, das Auswärtige Amt verzichte auf eine Berufung und ermögliche so, dass das Urteil rechtskräftig wird. „Wir haben als Sozialdemokraten immer gesagt, dass die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen von besonderer Bedeutung ist – wie wir überhaupt wissen, dass es natürlich schlecht ist, wenn Minderjährige hier ohne Eltern sind.“

Der Familiennachzug ist auch Thema der Sondierungsgespräche für eine neue Regierungskoalition. In den gescheiterte Gesprächen zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen war es besonders umstritten. In den bald beginnenden Verhandlungen mit der Union wehrt sich die SPD gegen die Forderung, den Familiennachzug bei subsidiär geschützten Flüchtlingen über den März 2018 hinaus auszusetzen.

„Gebot der Menschlichkeit“

Auch nach Auffassung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sollte der Familiennachzug nicht länger ausgesetzt bleiben. „Wenn Flüchtlinge ihre Familien nach Deutschland nachholen können, wenn die Kinder und Ehefrauen kommen, dann tut das der Integration sehr gut“, sagte Bedford-Strohm der Passauer Neuen Presse. Das sei nicht nur sinnvoll, es sei ein Gebot der Menschlichkeit. Auch der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch hält den Familiennachzug für „unbedingt notwendig“. Zwar könne dies missbraucht werden, „wenn ein Kind alleine los geschickt wird, damit die Familie nachkommen kann“, sagte Koch dem Tagesspiegel.

Einige Wissenschaftler sehen die Familie als Baustein zur Integration. Andere widersprechen und verweisen auf die mögliche Entstehung von Parallelgesellschaften. Wie viele Familienmitglieder demnächst nach Deutschland nachkommen könnten, ist nicht klar. Schätzungen liegen zwischen Zehntausenden und einer Dreiviertelmillion.

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