15. Dezember 2017 · Kommentare deaktiviert für „Deutschland baut weiter an Tunesiens Grenze“ · Kategorien: Deutschland, Tunesien · Tags: , ,

Der Tagesspiegel | 14.12.2017

Mit deutschem Geld und Material soll die gesamte tunesisch-libysche Grenze lückenlos kontrolliert werden.

Andrea Dernbach

Deutschland rüstet Tunesien weiter für die Befestigung der Landesgrenzen aus. Wie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht, hat die Bundesregierung Bodenüberwachungs-, Nachtsichtgeräte und Spotter finanziert, die im Süden der Grenze zu Libyen eingesetzt werden sollen. Lieferantin ist die in Taufkirchen bei München ansässige Firma Hensoldt, die früher Teil von Airbus war.

„Welle illegaler Migranten“

Außerdem wolle man „mit einem zweistelligen Millionenbetrag“ eine fest installierte elektronische Grenzüberwachung der gesamten Grenze zu Libyen ermöglichen. Partnerin dabei ist die „Defense Threat Reduction Agency“, eine Unterbehörde des US-Verteidigungsministeriums. Im November wurde nach Angaben des Bundesinnenministeriums bereits eine Delegation des tunesischen Innen- und Transportministeriums im Umgang mit Sicherheitsscannern aus deutscher Produktion geschult.

Der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko sprach von einem „massiven Konjunkturprogramm für die europäische Rüstungs- und Überwachungsindustrie“. Auch „die Trainings tunesischer Behörden an deutschen Körperscannern werden Geld in die Kassen deutscher Konzerne spülen“, von denen „vor allem europäische Rüstungskonzerne profitieren“, sagt Hunko. Das Engagement werde zwar mit Terrorabwehr begründet – Airbus bewerbe seine Produkte aber als Möglichkeit, sich gegen Migranten zu schützen. Auf der Airbus-Website hieß es noch vor einem Jahr: „Eine Welle von illegalen Migranten schlägt an Europas südliche Küsten und Inseln.“ Dafür brauche man Überwachungstechnik, „die Boote auch in 20 bis 30 Kilometern Entfernung aufspürt“. Explizit genannt war das Modell Night Owl, das auch in der Antwort der Bundesregierung aufgeführt ist.

Tunesien, unmittelbare Nachbarin Libyens, ist wie andere Länder des westlichen Nordafrika in diesem Jahr zum Ausweichziel von Flüchtlingen geworden, seit Libyens Küste, ebenfalls mit EU-Geld, immer stärker abgedichtet wird.

Bisher Politik der Offenheit

Italien registrierte im Spätherbst aber auch eine sprunghaft gestiegene Zahl tunesischer Bürger, die ihr Land verlassen, weil sie dort keine Lebenschancen sehen. Tunesiens Wirtschaft stagniert, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Schon 2011, als eine internationale Allianz Libyen bombardierte, flohen 350 000 Menschen von dort nach Tunesien, darunter 97 000 Tunesier, die zurückkehren mussten. Nach dem Sturz des Diktators Ben Ali, ebenfalls 2011, der Verträge mit dem nahen Italien und die Grenzen dichtgehalten hatte, schafften es kurzfristig 25 000 Menschen von Tunesien nach Italien.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen lobte das Land noch im Sommer dafür, dass es eine Politik der offenen Grenzen verfolge und sich nicht gegen Flüchtlinge abschotte. In Tunesien begann die als Arabischer Frühling bekannte Aufstandsbewegung – und nur dort hat sie auch zu einem demokratischen Systemwechsel geführt. Nach zwei schweren Terrorattacken vor zwei Jahren, die sich planvoll gegen den wichtigen Tourismussektor richteten, hat sich der Fokus der Regierung allerdings wieder Richtung Sicherheit und Grenzschutz verschoben.

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DW | 15.12.2017

Um ein Scheitern des demokratischen Prozesses in Tunesien zu verhindern, investiert die Bundesregierung mehrere Millionen Euro in die Grenzsicherung des Landes. Die Risiken: Nachbar Libyen und die illegale Migration.

Mit Überwachungstechnik im Wert von 34 Millionen Euro hilft die Bundesregierung dem nordafrikanischen Land bei der Sicherung seiner Grenze zu Libyen. In einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei heißt es, in diesem Jahr seien für 16 Millionen Euro mobile Radarsysteme, Nachtsichtgeräte und weitreichende Kameras beschafft worden.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums erhielt Tunesien zudem Pionierfahrzeuge im Wert von fast drei Millionen Euro. Ein Schwerpunkt sei auch die Unterstützung der Militärschulen durch Ausrüstung und Infrastruktur. So floss eine knappe Million Euro in Ausbildungshilfe für Teile der Streitkräfte, die unter anderem zu Spezialeinheiten trainiert werden sollen. Als Begründung nannte das Verteidigungsministerium die demokratische Entwicklung Tunesiens. Das Land sei im Vergleich zu anderen Staaten des „Arabischen Frühlings“ ein „Stabilitätsanker“ in der Region und ein „Leuchtturm der Demokratie“.

Importierter Terror

Aus diesem Grund würden im kommenden Jahr weitere 18 Millionen Euro aus dem Wehretat im Rahmen der „Ertüchtigungsinitiative Tunesien“ in eine fest installierte elektronische Überwachungsanlage investiert, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. Die Regierung in Tunis will verhindern, dass aus dem instabilen Libyen Terroristen und Waffen nach Tunesien gelangen.

Nach dem „Arabischen Frühling“ kämpft Tunesien mit massiven Problemen. Daher hatte die Bundesregierung ihre Hilfe für Tunesien zuletzt verstärkt, um ein Scheitern des 2011 begonnenen demokratischen Reformprozesses zu verhindern. Tunesien hilft im Gegenzug der Europäischen Union, die „irreguläre Migration“ über das Mittelmeer einzudämmen. Auch personell unterstützt Deutschland mit der Entsendung von Bundespolizisten die Grenzsicherung in Tunesien.

Kampf gegen Migration

Der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko, kritisierte die Militärhilfe. Er erklärte, hinter den Projekten gegen Terrorismus stehe vor allem die Bekämpfung „unerwünschter Migration“, verbunden mit einem „Konjunkturprogramm für die europäische Rüstungs- und Überwachungsindustrie“.

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