09. Oktober 2017 · Kommentare deaktiviert für „Bulgariens europäischer Weg“ · Kategorien: Bulgarien, Deutschland, Europa

German Foreign Policy | 09.10.2017

Die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) berät in Bulgarien eine Koalition aus einer konservativen und mehreren extrem rechten Parteien bei der Vorbereitung auf die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft. Der Regierung in Sofia, die von einem Kooperationspartner der Adenauer-Stiftung geführt wird, gehört eine Partei an, deren Vorsitzender einst geschrieben hat, „eine Bande von Juden“ habe „die Orthodoxie in den Ruin getrieben“. Der Vorsitzende einer weiteren an der bulgarischen Regierung beteiligten Partei hat Roma einst „zu Bestien gewordene menschenähnliche Wesen“ genannt; er amtiert inzwischen als stellvertretender Premierminister. Der bulgarische Verteidigungsminister will „hoch spezialisierte Kampftruppen“ an die bulgarisch-türkische Grenze schicken und die EU-Außengrenzen „mit Waffengewalt“ gegen Flüchtlinge „verteidigen“. Weil die bulgarische Regierung am 1. Januar 2018 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird, darauf aber kaum vorbereitet ist, tritt ihr nun die Adenauer-Stiftung beratend zur Seite. Der Vorsitzende der Stiftung, Ex-Europaparlamentspräsident Hans-Gert Pöttering, lobt den Beitrag Bulgariens zur „Bekämpfung illegaler Migration“.

„Ohne klare Linie, korrupt“

Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat ihre Bemühungen um die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft bereits kurz nach der offiziellen Regierungsbildung in Sofia am 4. Mai dieses Jahres gestartet. Hintergrund ist nicht nur die übliche Berliner Einflussnahme auf die EU-Politik. Hinzu kommt, dass die Vorbereitungen der bulgarischen Regierung offenbar in einem desaströsen Zustand sind. In der vergangenen Woche hat der Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) für Südosteuropa festgestellt, Sofia bleibe bezüglich der Themen, die es während seiner Ratspräsidentschaft in den Vordergrund rücken wolle, „weiter vage“ und nenne „verschiedenste Prioritäten ohne eine klare Linie“; es habe nicht einmal „eigene […] Projekte“ formulieren können. Die „Renovierung des zentralen Tagungsortes“ werde von „schwere[n] Vorwürfen wegen Veruntreuung der Mittel des Prestigeprojektes und Korruption bei der Auftragsvergabe“ begleitet; unter anderem werde der Platz vor dem Nationalen Kulturpalast für fünf Millionen Lewa (gut 2,5 Millionen Euro) renoviert, obwohl dieselbe Tätigkeit bereits im vergangenen Jahr für ebenfalls mehrere Millionen Lewa durchgeführt worden sei. „Sinnbildlich für den Stand der Vorbereitung“ könne die Internetpräsenz des Ministeriums stehen, das eigens für die EU-Ratspräsidentschaft gegründet worden sei: „Sie ist nicht nur ausschließlich in bulgarischer Sprache gehalten, sie funktioniert auch nur in Teilen.“[1]

Intensivberatung

Die Adenauer-Stiftung intensiviert deshalb nun ihre Bemühungen. Dass ausgerechnet sie tätig wird, hat seine Ursache darin, dass die Partei von Premierminister Bojko Borissow, GERB („Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“), der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) zugehört, in der die deutschen Unionsparteien eine starke Stellung innehaben. Die Frauen- und die Jugendorganisation der Partei werden von der Adenauer-Stiftung direkt unterstützt. Bereits zweimal, am 31. Mai und am 18. Juli, haben sich führende Stiftungsrepräsentanten mit Bulgariens Außenministerin Ekaterina Sachariewa getroffen, um Sofias EU-Ratspräsidentschaft zu besprechen. Am 7. Juni hat Premierminister Borissow zum selben Zweck den stellvertretenden Generalsekretär der Stiftung, Gerhard Wahlers, aufgesucht. Zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung am 11. September in Sofia, die eigentlich die zehnjährige EU-Mitgliedschaft Bulgariens feiern sollte, war eigens der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Ole Schröder (CDU), angereist, um über „besondere Herausforderungen der EU-Ratspräsidentschaft 2018“ zu referieren. Zusätzlich hat Premierminister Borissow ein sechsköpfiges Beratergremium einberufen, das die Ratspräsidentschaft mit vorbereiten soll. Ihm gehört neben Ex-Präsident Rossen Plewneliew (2012 bis 2017) und Ex-Premierminister Simeon Sakskoburggotski (2001 bis 2005) insbesondere der Vorsitzende der Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, an.[2] Pöttering ist ehemaliger Präsident des Europaparlaments (2007 bis 2009).

„Bulgarien über alles!“

Sorgen bereitet Berlin und Brüssel zudem, dass mit der bulgarischen Regierung auch Politiker der extremen Rechten die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Nach der jüngsten Parlamentswahl am 26. März dieses Jahres hatte der Wahlsieger Borissow (GERB erhielt 32,7 Prozent) Verhandlungen über die Regierungsbildung nicht mit der Bulgarischen Sozialistischen Partei (27,2 Prozent) oder mit der Bewegung für Rechte und Freiheiten (9,0 Prozent) der türkischsprachigen Minderheit, sondern mit den Vereinigten Patrioten (9,1 Prozent) aufgenommen. Bei diesen handelt es sich um ein Bündnis dreier extrem rechter Parteien.[3] Die Koalitionsverhandlungen fanden unter dem offiziellen Motto „Bulgarien über alles!“ statt und führten schließlich zum Erfolg. Der Vorsitzende einer der drei Parteien („Ataka“), die sich zu den Vereinigten Patrioten zusammengeschlossen haben, Wolen Siderow, hat einst die Roma-Minderheit im Land („Zigeuner“) aufgefordert, „sich zusammenzunehmen“, wenn sie nicht nach Indien deportiert werden wollten; auch hat er in einem Buch geschrieben, „eine Bande von Juden“ habe „die Orthodoxie in den Ruin getrieben“.[4] Waleri Simeonow, Vorsitzender einer zweiten „Vereinigte Patrioten“-Partei, der „Nationalen Front für die Rettung Bulgariens“ (NFSB), hat Roma „zu Bestien gewordene menschenähnliche Wesen“ genannt und geäußert, ihre Kinder spielten „auf der Straße mit Schweinen“.[5] Simeonow amtiert seit dem 4. Mai als stellvertretender Premierminister mit Zuständigkeit für Wirtschaft und Demographie sowie als Integrationsbeauftragter Bulgariens.

Mit Hitlergruß

Bereits zweimal sind zudem Fotos bekannt geworden, die hochrangige Funktionäre der im Mai ins Amt gelangten bulgarischen Regierung mit Gesten der NS-Verehrung zeigen. Am 17. Mai musste der damalige Minister für Regionalentwicklung, Pawel Tenew, zurücktreten, als eine Aufnahme veröffentlicht wurde, die ihn im Musée Grévin in Paris vor der Wachsfigur eines Nazi-Offiziers zeigte – den rechten Arm zum Hitlergruß erhebend. Am 19. Mai wurde eine weitere Aufnahme im Internet publiziert, die einen frisch ernannten Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium, Iwo Antonow, ebenfalls hitlergrüßend vor einem Wehrmachtspanzer aus dem Zweiten Weltkrieg zeigt (german-foreign-policy.com dokumentiert rechts einen Ausschnitt aus dem Foto). Sein oberster Dienstherr, Verteidigungsminister Krassimir Karakatschanow, Vorsitzender der WMRO-BNB, hat sich geweigert, ihn zu entlassen.[6]

Waffen gegen Flüchtlinge

Zu den wenigen erkennbaren politischen Schwerpunkten der bulgarischen Regierung zählt die Abwehr von Flüchtlingen. Premierminister Borissow hat sich ausdrücklich bei den milizenartigen Bürgerwehren bedankt, die bereits seit 2014 teilweise schwer bewaffnet an der bulgarisch-türkischen Grenze patrouillieren, um unerwünschte Migranten aus dem Land zu halten. Eine dieser Bürgerwehren, die sich „Organisation für den Schutz der bulgarischen Bürger“ nennt, hat im April 2016 eine offizielle Auszeichnung der bulgarischen Grenzpolizei erhalten. Verteidigungsminister Karakatschanow hat im August erklärt, er werde an der bulgarisch-türkischen Grenze „verstärkt das Militär“ einsetzen: „Da werden auch hoch spezialisierte Kampftruppen dabei sein.“[7] Es sollten „Videokameras, die auch nachts funktionieren, und Drohnen“ genutzt werden, „um die Bewegung der Migranten besser verfolgen und rechtzeitig eingreifen zu können“. Der Minister will auch in Griechenland und in Italien „Truppen von Nato oder EU einsetzen“; man müsse, fordert er, „die Außengrenzen der Europäischen Union notfalls mit Waffengewalt verteidigen“.

Sofias Beitrag zur EU

Bulgarien „leistet bereits heute sehr viel für die Europäische Union, etwa bei der Bekämpfung illegaler Migration“, erklärt Hans-Gert Pöttering, der Vorsitzende der Adenauer-Stiftung, die die bulgarische Regierung nun bei der Vorbereitung auf die EU-Ratspräsidentschaft berät. Über seine Berufung in das Beratergremium, das sich zuletzt am vergangenen Freitag in Sofia getroffen hat, urteilt Pöttering, sie sei „auch eine Auszeichnung für die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung, die seit 1994 in Bulgarien tätig ist und sich immer für den europäischen Weg dieses Landes eingesetzt hat“.[8]

Fussnoten

[1] Daniel Kaddik: Mangelnde Vorbereitung, fehlende Visionen. www.freiheit.org 02.10.2017.
[2] Dem Beratergremium gehören außerdem der ehemalige Landeshauptmann von Oberösterreich, Erwin Pröll (1992 bis 2017), der ehemalige Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy (2009 bis 2014) sowie der französische Diplomat Jean-David Levitte an.
[3] Den Vereinigten Patrioten gehören Ataka (Angriff), WMRO-BNB (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Bulgarische Nationale Bewegung) – und NFSB (Nationale Front für die Rettung Bulgariens) an.
[4] Thorsten Geissler: Bulgarien: Deutlicher Sieg für GERB – aber schwierige Regierungsbildung. Konrad-Adenauer-Stiftung: Länderbericht Bulgarien. 29.03.2017.
[5], [6] Jörg Kronauer: „Bulgarien über alles!“ Die extreme Rechte in Bulgarien. LOTTA 67/2017.
[7] Christoph B. Schiltz: „Wir müssen die EU-Grenzen notfalls mit Waffen schützen“. www.welt.de 17.08.2017.
[8] Dr. Hans-Gert Pöttering berät bulgarische Regierung bei EU-Ratspräsidentschaft. www.kas.de 06.10.2017.

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