11. Februar 2017 · Kommentare deaktiviert für „Bundesländer-Vergleich: Wer schiebt am schnellsten ab?“ · Kategorien: Deutschland · Tags:

n-tv 10.02.2017

Einige Länder sind dem Bund viel zu langsam. Deswegen will er jetzt beim Thema Abschiebungen Kompetenzen an sich ziehen. Widerstand? Nicht bei diesem Thema.

von Issio Ehrich

Schneller abschieben – das ist das Credo der Bundesregierung. Im jüngsten Maßnahmepaket, das Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag mit den Ministerpräsidenten der Länder beschlossen hat, fällt vor allem eines auf, wenn es um die Umsetzung dieses Ziels geht: Der Bund hält es offensichtlich für dringend erforderlich, Kompetenzen der Länder an sich zu ziehen. Das verwundert nicht. Die Länder handhaben Abschiebungen äußert unterschiedlich, und einige tun sich sehr schwer dabei.

Besonders schlecht liefen die Abschiebungen in Bremen. Dem kleinen Bundesland gelang es nur, 76 Personen abzuschieben. Ungefähr zehn Mal so viele blieben im Land, obwohl sie eigentlich keine Duldung genossen. Eine Duldung bekommt, wer zum Beispiel wegen einer akuten Erkrankung nicht abgeschoben werden kann.

Zum Vergleich: Insgesamt wurden 2016 rund 25.000 Personen aus Deutschland abgeschoben. Dem gegenüber standen knapp 55.000 abgelehnte Asylbewerber, die blieben, obwohl sie nicht mehr geduldet waren. Bundesweit wurde somit jeder Dritte dringend ausreisepflichtige Zuwanderer abgeschoben.

Teils deutlich unter diesem Durchschnitt lagen neben Bremen auch Nordrhein-Westfalen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Brandenburg. Verhältnismäßig effizient haben Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Baden-Württemberg abgeschoben. Den drei Bundesländern gelang es, mehr als die Hälfte der nicht geduldeten Zuwanderer in ihre Heimat zurückzubringen.

„Es ist kein Wert an sich, Menschen abzuschieben“

Die Gründe für diese Kluft sind vielschichtig und haben nicht zwingend nur mit dem Willen der jeweiligen Landesregierungen oder Landesbehörden zu tun. „Wir wissen, dass wir beim Thema Abschiebungen im Vergleich zu den anderen Ländern weit hinten liegen, aber der Begriff führt eigentlich auch in die Irre“, sagte die Sprecherin des Bremer Innenministeriums, Rose Gerdts-Schiffler, n-tv.de. Sie verweist darauf, dass Bremen bei den Beratungen für freiwillige Rückreisen sehr erfolgreich sei. Dem Land sei es im vergangenen Jahr gelungen, fast 600 Menschen, überwiegend vom Balkan, davon zu überzeugen, aus eigenen Stücken in ihre Heimat zurückzukehren. „Darauf sind wir schon auch ein bisschen stolz“, sagt Gerdts-Schiffler. „Es ist kein Wert an sich, Menschen abzuschieben. Wichtig ist, dass Menschen, die ausreisepflichtig sind, irgendwie gehen.“ Gemäß des Maßnahmepakets soll künftig auch die freiwillige Rückkehr verstärkt durch Bund und Länder gefördert werden.

Weitere Faktoren spielen eine Rolle für den Erfolg von Abschiebungen: Flüchtlinge aus bestimmten Herkunftsstaaten haben sich in einigen Bundesländern gehäuft. Einige Herkunftsstaaten sind bei der Rücknahme wiederum weniger kooperativ als andere.

All das relativiert den direkten Vergleich der Abschiebestatistik in einigen Fällen. Die teils eklatanten Unterschiede zwischen den Bundesländern heben diese Einschränkungen aber nicht auf. Einige Länder arbeiten schlicht effektiver als andere.

Mitunter hilft nur der Bund

Dass der Bund nun verstärkt einschreiten will, wenn es um Abschiebungen geht, stuft Bremen keineswegs als Übergriff ein. „Wir sehen das als Unterstützung an“, sagt Gerdts-Schiffler. Besonders positiv bewertet das Bremer Innenministerium das geplante Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR) in Berlin. Vorgesehen ist, dass Mitarbeiter von Bund und Ländern darin gemeinsam Abschiebungen koordinieren. Über die Geschäftsstelle dieser neuen Einrichtung, die unter Leitung des Innenministeriums stehen würde, soll ein direkter Draht zu den Botschaften der Herkunftsländer entstehen. Das würde es gemäß den Plänen der Bundesregierung erleichtern, die notwendigen Dokumente für Abschiebungen zu bekommen.

Gerdts-Schiffler berichtet, dass es in der Vergangenheit kaum möglich gewesen sei, Abschiebungen in die Maghreb-Staaten zu organisieren. „Die haben überhaupt nicht mit uns zusammengearbeitet“, sagt sie. Erst nachdem Innenminister Thomas de Maizière das Gespräch mit den Verantwortlichen in Algerien, Tunesien und Marokko gesucht habe, sei es vorangegangen. Das ZUR basiert genau auf diesem Prinzip.

Neben dem ZUR sind eine Reihe weiterer Maßnahmen geplant, die dem Bund größeres Gewicht beim Thema Abschiebungen geben. So sollen etwa mehr Bundesbeamte in den Ausländerbehörden der Länder mitarbeiten.

Bundesausreisezentren werden noch geprüft

Eher langfristig könnte es auch sogenannte Bundesausreisezentren geben, Einrichtungen, in denen ausreisepflichtige Zuwanderer ihre letzten Tage vor der Abschiebung verbringen. Im beschlossenen Maßnahmepaket ist aber nur die Rede davon, dass dieser Schritt geprüft werden soll. Ein klares Konzept liegt noch nicht vor. Selbst in der Bundesregierung ist man sich offenbar bei diesem sehr weit in die Kompetenzen der Länder greifenden Maßnahme nicht ganz einig, wie weit man es treiben will.

Entsprechend skeptisch sind beim Thema Bundesausreisezentren auch die Länder. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, sagte: „Wenn man so einen neuen Begriff einführt, dann besteht in der schwierigen Situation, die wir bewältigen müssen, die Gefahr, dass der Eindruck entsteht, dass wir jetzt eine Patentlösung gefunden haben und jetzt alles ganz einfach ist. So ist es nicht.“ Mecklenburg-Vorpommern, wie aber aus Regierungskreisen zu vernehmen ist, auch Berlin und Brandenburg, pochen auf eine vertiefte Prüfung insbesondere der rechtlichen Fragen, die mit Bundesausreisezentren einhergingen. Ähnliches ist aus dem Bremer Innenministerium zu hören.

Grundsätzliche Ablehnung gibt es aber auch gegen Bundesausreisezentren nicht. Das erstaunt ein wenig, wenn man bedenkt, wie schwer sich die Länder bei anderen Themen tun, bei denen sie Kompetenzen abtreten sollen. Abschiebungen, die offiziell etwas beschönigend als „Rückführungen“ bezeichnet werden, sind für Länder und Kommunen aber auch eine ausgesprochen unangenehme Angelegenheit. Insbesondere den Kommunen stehen schließlich unmittelbar Menschen gegenüber, die in der Nachbarschaft vernetzt, im Sportverein engagiert oder einfach nur nett sind. Wenn es nicht gerade um einen Schwerstkriminellen geht, kann es schwer fallen, auf Paragrafen zu pochen und dem Ruf aus Berlin nach schnelleren Abschiebungen zu folgen.

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