15. Dezember 2016 · Kommentare deaktiviert für „Abschiebe-Flug aus Frankfurt in Kabul gelandet“ · Kategorien: Afghanistan, Deutschland · Tags:

Quelle: Hessenschau | 14.12.2016

Ungeachtet der Proteste sind 34 abgelehnte Asylbewerber von Frankfurt nach Afghanistan geflogen worden. In einem Fall schritt das Verfassungsgericht ein. Diese erste Sammelabschiebung führte im Landtag zum Eklat.

Gegen 5 Uhr Ortszeit am Donnerstagmorgen landete am Kabuler Hamid-Karsai-Flughafen eine Maschine aus Frankfurt. An Bord: 34 abgelehnte Asylbewerber aus Hessen und fünf weiteren Bundesländern. Die Ankunft verlief in gedrückter Stimmung, aber ruhig – ganz im Gegensatz zu den turbulenten Ereignissen, die sich tags zuvor in Hessen und ganz Deutschland abgespielt hatten.

24 Stunden zuvor, mitten in der Nacht zu Mittwoch, holte etwa die Hamburger Polizei den 35-jährigen Fereidun S. aus dem Bett, berichtete Zolfa Assadi, die in der Stadt Integrationskurse organisiert. Die Ausländerbehörde hatte dem Familienvater seine Abschiebung am Dienstag angekündigt.

Seit 21 Jahren lebte der Afghane in Deutschland, „hat sich nichts zu Schulden kommen lassen und Vollzeit gearbeitet, auch wenn er nur geduldet war“, berichtete Assadi. Trotzdem sollte Fereidun S., verheiratet und Vater einer drei Monate alten Tochter, am Mittwochabend von Frankfurt aus in seine frühere Heimat geflogen werden. Doch er hatte Glück: In letzter Minute stoppte ein Gericht seine Abschiebung. Er darf nach Hamburg zurück.

Flugzeug startete gegen 19.45 Uhr

Bei einem weiteren, diesmal 29 Jahre alten Afghanen entschied das Bundesverfassungsgericht, die Abschiebung zunächst auszusetzen. Er hatte eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Das Gericht ließ dabei die Frage, ob Abschiebungen nach Afghanistan überhaupt zulässig sind, „ausdrücklich offen“.

Es gab offenbar noch weitere Fälle, in denen Menschen nicht wie ursprünglich geplant mitflogen, jedenfalls wenn die ursprünglich genannte Zahl von 50 Flüchtlingen stimmte. Am Ende hätten 34 abgelehnte afghanische Asylbewerber in dem Flugzeug gesessen, bestätigten die Behörden am Abend. Melisa Ergül-Poupolo, Abschiebe-Beobachterin der Diakonie Frankfurt, sagte, Frauen und Kinder seien nicht darunter gewesen. Unter den Abgeschobenen seien auch Straftäter gewesen, aber nicht ausschließlich.

„Es lief alles ganz ruhig ab“, berichtet Ergül-Poupolo. Gegen 19.45 Uhr hob das Flugzeug vom Frankfurter Flughafen nach Kabul ab, zur umstrittenen Sammelabschiebung nach Afghanistan.

Hunderte Demonstranten im Terminal

Zeitgleich protestierten mehrere hundert Menschen am Frankfurter Flughafen gegen die Abschiebung. Einige Demonstranten trugen Schilder mit der Aufschrift: „Stopp – Keine Abschiebung nach Afghanistan“. Die Bundespolizei und der Flughafenbetreiber Fraport wollten sich zu dem Abschiebeflug nicht äußern und verwiesen auf das Bundesinnenministerium. Dieses hatte bereits zuvor erklärt, dass es die Maßnahme nicht kommentieren werde.

Erst am vergangenen Wochenende hatte das „Aktionsbündnis gegen Abschiebung Rhein-Main“ für einen sofortigen Stopp von Sammel-Rückführungen am Flughafen protestiert. Abschiebungen nach Afghanistan sind hoch umstritten. Afghanistan ist laut dem Global Peace Index im Jahr 2016 das viertgefährlichste Land der Welt.

Linken-Rednerin spricht von Deportationen

Im Landtag führten die Abschiebungen am Mittwoch zu einer scharfen Auseinandersetzung der Linkspartei mit den anderen Fraktionen. Innenminister Peter Beuth (CDU) räumte ein, dass Hessen an der Abschiebung an diesem Tag beteiligt sei. „Wir machen uns die Rückführung nach Afghanistan nicht leicht“, sagte Beuth. Die Landesregierung habe nach Recht und Gesetz zu handeln.

Die Linken-Abgeordnete Gabi Faulhaber sagte, sie sei zutiefst beunruhigt, mit welcher Bedenkenlosigkeit die Abschiebung tausender Menschen in ein unsicheres Land eingefordert werde. Hier sei der Begriff Deportation angebracht. Widerspruch kam vom SPD-Abgeordneten Gerhard Merz. Dieser historisch belastete Begriff stehe für die unterschiedslose, illegale, unmenschliche Deportation von Millionen von Menschen. Es sei „politisch schäbig“, diesen Begriff für ein rechtsstaatliches Verfahren zu verwenden. Die CDU verlangte eine Entschuldigung , die ausblieb.

Alle Fraktionen bis auf die Linkspartei betonten, vor jeder einzelnen Abschiebung gebe es ausführliche Prüfungen und ein gerichtliches Verfahren. CDU, Grüne und FDP stimmten nach der Debatte dafür, dass in Zukunft abgelehnte Asylbewerber nach einer Einzelfallentscheidung „rasch und konsequent“ abgeschoben werden, sofern sie ausreisepflichtig sind.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Ernst-Ewald Roth erklärte dagegen: „Derzeit verbietet sich die Abschiebung nach Afghanistan.“ Die fraktionslose Abgeordnete Öztürk sprach sich für einen Abschiebestopp aus, da die Lage in Afghanistan keinesfalls sicher für die Menschen sei.

Pro Asyl appelliert an die Grünen

Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hatte zuvor einen sofortigen Stopp der Zwangsabschiebungen gefordert: „Wir wenden uns explizit an die Grünen in Hessen, Baden-Württemberg und Hamburg, alles zu tun, dass diese Menschen nicht abgeschoben werden“, sagte Geschäftsführer Günther Burkhardt am Mittwoch. „Einfach Menschen nach Kabul fliegen, ausladen und sie ihrem ungewissen Schicksal überlassen, ist verantwortungslos.“

Den gleichen Ton schlägt der Hessische Flüchtlingsrat an. „Die Sicherheitslage in Afghanistan ist entgegen der Propaganda der Bundesregierung dramatisch – auch die vermeintlich sicheren Zonen gibt es nicht“, sagte Anita Balidemaj vom Flüchtlingsrat. Nach Informationen des Flüchtlingsrats sollen acht Afghanen aus Hessen von der Abschiebung betroffen sein.

De Maiziere will Signal nach Afghanistan

Bisher hatte Deutschland abgelehnte afghanische Asylbewerber meist jahrelang geduldet. Letztlich wurden nur eine Handvoll Afghanen pro Jahr tatsächlich abgeschoben – laut der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag waren es im Jahr 2016 bis September insgesamt 27. Doch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hatte seit Monaten auf Abschiebeflüge gedrängt. Damit soll auch Afghanistan signalisiert werden, dass nicht alle Flüchtlinge von dort in Deutschland Asyl erhalten.

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