07. Dezember 2016 · Kommentare deaktiviert für Wie „besorgte Bürger“ Massenkriminalität von Ausländern belegen wollen · Kategorien: Deutschland, Medien · Tags: ,

Quelle: Telepolis | 07.12.2016

Mit einer Deutschlandkarte sollen von Politik und Medien angeblich nur als Einzelfälle thematisierte Vergehen von Flüchtlingen und Migranten dokumentiert werden, Sputniknews macht dafür Werbung

Florian Rötzer

Im Januar 2016 nach dem Gewaltausbruch während der Silvesternacht in Köln wurde das unappetitliche Projekt XYEinzelfall auf Twitter und Facebook gestartet mitsamt einer so genannten Einzelfall-Map oder der „Refugee/Migrant Crime Map of Germany 2016“. Es dürfte sich um „besorgte Bürger“ handeln, die sich – selbstredend anonym, auch wenn von FAZ-Blogger Don Alphonso lobend gegenüber den Gutmenschen hervorgehoben – aufgerufen fühlen, die angebliche Einseitigkeit der Berichterstattung über Flüchtlinge „gerade“ zu rücken und bedeutsam mit dem Finger zu zeigen: „So nicht!“

Gestrickt wird an der großen Bedrohung: „Meldungen über Übergriffe von Flüchtlingen / Migranten. Köln war nur die Spitze des Eisberges. Köln ist jeden Tag. “ Mit Blick auf die Morde in Freiburg und Mannheim sowie den nächsten Silvesterabend sieht man wohl wieder wachsende Aufmerksamkeit für generelle, undifferenzierte Ausländerfeindlichkeit.

Das dürfte auch bei der russischen Nachrichtenseite Sputniknews der Fall gewesen sein, die, als ob sie die gegen russische Staatsmedien gerichteten Propagandavorwürfe bestätigen wollte, kräftig Werbung dafür machte und mit der „Aktivistengruppe“ sprach.

Herausgestrichen wird, dass es sich bei der Sammlung von Links nur um einen „Bruchteil“ der Taten handelt, um dann vermeintlich gegen die Position wohl der Regierung zu erklären: „Meist werden durch Flüchtlinge oder augenscheinliche Ausländer begangene Straftaten tatsächlich wertneutral als ‚Einzelfälle‘ dargestellt. Im Großen und Ganzen sei jedoch alles im Griff – man komme mit der Integration voran, Neuankömmlinge würden keine Probleme mit deutschen Werten haben, geschweige denn massenweise gegen das deutsche Gesetz handeln, berichtet der Großteil der deutschen Medien. Deshalb könnte die Karte, die Sputnik hier anbringt, für manche Menschen wohl etwas ernüchternd sein.“ Sputnik also wie die „besorgten Bürger“ ganz im Dienst der Aufklärung.

Alles ist angeblich ganz harmlos, wie einer der Aktivisten gegenüber Sputnik gesagt haben soll, um die deutschen Mainstreammedien und die Regierungspolitik zu geißeln: „Wir haben diese Karte geschaffen, weil bei der Presse und dem Radio Funkstille herrscht – sie berichten nur selektiv, wollen jedoch nicht die gesamte Katastrophe beschreiben. Wir haben nicht vor, irgendeine Theorie zu beweisen oder Daten zu erforschen. Wir wollen die Menschen informieren, ihnen zeigen, wie Deutschland von Merkel modifiziert wird, ihnen zeigen, dass Frauen überall in Deutschland in Gefahr sind, nicht nur in Köln. Und nicht nur Frauen, auch ältere Menschen und Kinder sind mit dabei.“

Belegt werden soll, wie sich bereits aus dem Namen XYEinzelfall ergibt, dass es sich bei Tätlichkeiten von, wie es heißt: „übergriffigen Flüchtlinge und Migranten“ nicht um Einzelfälle, sondern um Alltag handelt. Demonstriert werden soll damit, dass die Zuwanderung die Kriminalität ansteigen lässt, wozu dann auch die „übergriffigen“ Taten von Deutschen ohne kürzlichen Migrationshintergrund gehören müssten. Aber das ist nicht das Ziel, man will vorführen, dass mit den Einwanderern und durch sie die Kriminalität ins Land geholt und zum Massenphänomen wird.

Daher wurde auch der schnell der Hashtag #SolidaritätMitDenOpfern verbreitet, der sich aber nicht durchsetzte, während auch RefugeeCrimeMap auf Twitter und im Web gestartet wurde. Natürlich handelt es sich hier auch um besorgte Bürger: „Dieses Projekt wird ausschließlich von Menschen getragen, die sich erhebliche Sorgen um die Sicherheit ihrer selbst und ihrer Angehörigen machen.“ Auch jetzt noch will man vor einer „unkontrollierten Zuwanderung“ warnen.

In beiden Projekten, hinter denen dieselben Personen vermutet werden können, geht es nicht nur um muslimische Zuwanderer oder Flüchtlinge, sondern letztlich gegen alle, die nach Deutschland kommen, auch Menschen aus der EU: „Wir beschränken uns nicht auf Verbrechen, die von sog. ‚Flüchtlingen‘ begangen werden, sondern dokumentieren gleichzeitig Taten, die von Migranten verübt werden, die nicht vor Krieg und Verfolgung fliehen. Leider sind dies in zunehmendem Maße Täter aus dem Ost- und südosteuropäischen Raum. Wir beobachten seit längerer Zeit, dass insbesondere Rumänen und Georgier, aber auch Nordafrikaner in unser Land kommen, um sich hier in krimineller Absicht zu bereichern.“

Die Distanzierung und das Fehlen begründeter Kommentare spricht für die Gesinnung Bände: „Kein Generalverdacht, aber die vielen Probleme müssen auf den Tisch.“ Im Impressum werden nicht die Verantwortlichen genannt, die sich feige verstecken, sondern wird eine wohlfeile Anbiederung zelebriert: „Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeglichen rechtsradikalen und sonstigen diskriminierenden Kommentaren und Stellungnahmen!“

Ein Blick auf die Methode, mit der der Eindruck von massenhaft begangener Kriminalität erzeugt werden soll

Um den Verdacht zu bestätigen, dass Masseneinwanderung auch Massenkriminalität mit sich bringt, werden natürlich keine zeitlichen Vergleiche und auch keine mit Verbrechensstatistiken von Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund gezogen. Man tut so, als würde man Vorfälle belegen, die Arbeit einer Überprüfung spart man sich, man ist phänomenologisch oberflächlich, das Wichtigste ist es, dass die Karte von Deutschland und Österreich sowie ein bisschen Schweiz und Südtirol möglichst voll erscheint.

Es geht auch nicht um wirklich belegte Taten von Tätern, deren Herkunft belastbar gesichert ist, man sucht wahllos Medien und Polizeiberichte nach Hinweisen ab, die irgendwie danach klingen, als würden hier Verbrechen von Ausländern begangen worden sein, auch wenn es sich nur um Vermutungen handelt und gar nicht geklärt ist, ob der Täter ein Deutscher ist oder nur wie ein Ausländer für die Opfer, Zeugen oder Berichterstatter aussieht.

Zufällige Stichproben in das Machwerk, das von Mainstream-Medium-FAZ-Blogger Don Alphonso so gepriesen wird: „Die Autoren sind sicher keine Befürworter der Migrationspolitik, aber sie halten sich an das, was als gesichert gelten kann, und erstellen eine Karte. … eigentlich kann man als Journalist froh sein, wenn man mit einem Link auf eine sauber recherchierte Karte die Leser umfassend über Vorgänge informieren kann.“ Also ein Blick auf das sauber Recherchierte und Gesicherte:

  • „FRAU BEDRÄNGT UND GEKÜSST: POLIZEI SUCHT ZEUGEN“ wird bei Dresden mit einem Mopo-Artikel markiert. Die Frau, die gegen ihren Willen geküsst worden sei, machte die folgenden Angaben: „Ca. 25 Jahre alt und 165 cm groß. Er soll südländisch ausgesehen und kurze dunkle Haare und einen Kinn- und Oberlippenbart gehabt haben.“ Wer ist ein „Südländer“?
  • „Bundespolizeidirektion München: Heftige Schlägerei in der S-Bahn Polizei fasst Täter – Verletzter verliert Schneidezähne“. Die Meldung der Polizeidirektion München vom März 2016 über den Streit unter afghanischen jungen Männern verleugnet nichts, es werden vermutlich alle bekannten Fakten mitgeteilt, inklusive der negativen für die Afghanen.
  • „Drei junge Männer belästigen Frau“: Drei Männer sollen in Andechs eine Frau geschubst haben, die leichte Verletzungen davon trug. Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung und Beleidigung, schrieb die SZ: „Die Täter sind etwa 20 bis 25 Jahre alt, schlank und haben dunkle, kurze Haare. Sie haben sich in einer ausländischen Sprache unterhalten.“ Die „ausländische Sprache“ ohne nähere Angaben scheint hier der Anker gewesen zu sein.
  • „Topf in Flüchtlingsunterkunft fängt Feuer“: In der Mitteilung der Polizei geht es nicht um ein Verbrechen: „Ein auf dem Herd vergessener Topf war der Auslöser für einen kleinen Küchenbrand in einer Flüchtlingsunterkunft in der Rastatter Straße in Muggensturm.“
  • „Streit zwischen Flüchtlingen endet in der Zelle“: Nach Polizeiangaben ging es in einer Flüchtlingsunterkunft in Jesteburg um einen Streit zwischen Marokkanern und Eritreern. Der 22-jährige Marokkaner, der den Streit ausgelöst haben soll, war offensichtlich psychisch gestört und wurde in die Psychiatrie eingeliefert.
  • „Goldketten gestohlen“: Nach Polizeiangaben haben zwei Männer und eine Frau aus einem Juwelierladen Goldarmbänder entwendet: „Alle drei seien vermutlich osteuropäischer Herkunft“ und hätten nicht Deutsch sprechen können.
  • „Fünf Gesuchte an einem Tag verhaftet“: Nach Angaben der Bundespolizeiinspektion Berggießhübel wurden zwei Rumänen, ein Tscheche und ein Serbe festgenommen. Es ging um Delikte wie das „Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen“, säumige Geldzahlungen, Hausfriedensbruch oder Diebstahl.
  • „Streit um Gerichtsbeschluss“: In dem Bericht der lokalen Zeitung vom 1. Februar 2016 heißt es: „Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat gestern Beschwerde gegen die Außerkraftsetzung des Haftbefehls gegen einen 16-jährigen Flüchtling aus Afghanistan eingelegt. Dieser wird beschuldigt, in drei Fällen Kinder in Glöwen vergewaltigt und sexuell missbraucht zu haben.“ Mehr erfährt man hier bei der angeblich „sauber recherchierten“ Karte nicht. So erfahren die Leser nicht, dass die Staatsanwaltschaft gegen die Flüchtlinge Anklage wegen sexuellem Missbrauch bzw. sexueller Nötigung in zwei Fällen erhoben hat, der Junge aber nicht in Untersuchungshaft genommen wurde.
  • „Frau wird sexuell belästigt“: Nach dem Polizeibericht wurde eine Frau im Zug von Freiburg nach Müllheim sexuell von einem Mann belästigt, der ihr am Bahnhof auch nachgegangen ist: „Der Mann wurde wie folgt beschrieben: Schwarze Hautfarbe, ca. 1,75 m groß, vermutlich zwischen 25 und 30 Jahren, sehr schlanke Statur, schmale „Schlitz“-Augen, Augenfarbe auffälliges Braun-Grün, dünne Lippen und kurz rasierte, schwarze Haare, trug schwarze Jacke mit Knöpfen. Die Bekleidung wurde als „Schlabberlook“ beschrieben. Der Mann sprach gebrochenes Deutsch und hatte ein schwarzes Samsung S3.“
  • „Frau am Badesee belästigt“: Der Polizeibericht spricht von „zwei unbekannten dunkelhäutigen Männern“, die eine 68-Jährige an einem Badesee zunächst englisch begrüßt hatten, einer der Männer habe die Frau „an Schulter, Bein und Oberkörper berührt“. Als die Frau um Hilfe rief, seien die beiden verschwunden.

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