13. August 2016 · Kommentare deaktiviert für „Reportage von der Balkanroute: Europas Wartesaal“ · Kategorien: Balkanroute, Mazedonien, Serbien, Ungarn

Quelle: ARD Tagesschau

Seit die Balkanroute geschlossen wurde, ist es für Flüchtlinge schwer, in die EU einzureisen. Ein Nadelöhr sind die ungarischen Transitzentren. Ein Rückstau gibt es nicht, weil fast niemand mehr ankommt. Das könnte sich ändern, sollte der EU-Türkei-Deal platzen.

von Srdjan Govedarica, ARD-Studio Wien

Habib aus Afghanistan ist im serbischen Städtchen Sid gestrandet. Zusammen mit etwa 400 Männern, Frauen und Kindern wartet er hier in einer Aufnahmeeinrichtung  auf seine Weiterreise in die EU: „Wir haben tatsächlich keinen anderen Plan. Wir warten darauf, dass eines der anderen Länder seine Grenze öffnet, entweder Kroatien oder Ungarn. Aber ich glaube langsam nicht mehr, dass sie das machen werden.“

Habibs Name steht auf einer Warteliste. Serbische und ungarische Behörden entscheiden gemeinsam, wer von dieser Liste in eine der zwei sogenannten Transitzonen einreisen und Asyl in Ungarn beantragen darf. Zurzeit sind es etwa 15 Personen am Tag, Familien haben Vorrang. „Wenn sie die 15 mit Familien vollkriegen, dann lassen sie keine allein reisenden Männer mehr rein. Wenn sie wenigstens auf 50 am Tag erhöhen würden, dann können wir alle rein. So muss ich wahrscheinlich acht Monate warten“, sagt Habib.

Viele machen Deutschland verantwortlich

Eine junge Frau aus Afghanistan hat mehr Glück, sie darf mit ihrer Familie in die Transitzone. Darauf hat sie einen Monat gewartet: „Ich habe täglich geschaut, wer auf der Liste steht, wer Serbien verlassen darf und vor einer Woche habe ich endlich unsere Namen gesehen“, sagt sie.

Lange Wartezeiten, geschlossene Grenzen, keine Transitkorridore mehr – seit dem Frühjahr 2016 ist die Balkanroute dicht. Diejenigen, die es doch vor die Tore der EU schaffen, haben meist eine ganze Reihe illegaler Grenzübertritte hinter sich. So auch Habib Rahmani: „Wir haben gelitten auf dem Weg. Die Polizei hat uns mehrfach aufgegriffen, sie haben uns die Handys und alles andere abgenommen. Sie haben uns geschlagen, sie haben mich geschlagen und meine Freunde“, erinnert er sich. Die Bilder aus dem griechischen Idomeni, wo die EU-Außengrenze definitiv zu ist, transportierten die Botschaft bis nach Afghanistan: Der Weg nach Westeuropa ist geschlossen. Habib Rahmani und seine Freunde geben Deutschland die Schuld, wegen des Flüchtlingsdeals mit der Türkei.

Balkanstaaten bereiten sich auf mehr Flüchtlinge vor

Was aber, wenn die Türkei den Flüchtlingspakt einseitig auflöst und der Migrationsdruck wieder zunimmt? Dieses Szenario erfüllt die Länder entlang der Balkanroute mit Sorge. Etwa Mazedonien, das im Sommer 2015 den Ausnahmezustand erklären musste, weil der Druck an den Grenzen zu stark wurde. Dieses Mal will Mazedonien vorbereitet sein, sagt Präsident Djorge Ivanov: „Ich habe in den vergangenen Tagen Gespräche mit allen betroffenen Behörden geführt, um einen Plan zu entwickeln, falls es zu einer neuen Flüchtlingswelle kommen sollte. Weil wir im Gegensatz zur ersten Welle vor allem Wirtschaftsflüchtlinge erwarten.“

Auch Serbien sendet eine klare Botschaft aus: Einen Transitkorridor für Flüchtlinge wie 2015 wird es nicht noch einmal geben. Innenminister Nebojisa Sefanovic erklärt: „Die Flüchtlinge müssen wissen, dass sie hier in Serbien warten müssen, wenn sie hier Asyl beantragen wollen, und nicht einfach in ein EU-Land weiterziehen können. Wenn sie hier kein Asyl beantragen wollen, dann müssen sie in einer Aufnahmeeinrichtung auf die Weiterreise warten.“

Habib Rahmani hat sich entschieden, im serbischen Sid zu warten. Wie lange, weiß er nicht. So kurz vor dem Ziel will er keine Risiken mehr eingehen: „Wir wollen einen legalen und keinen illegalen Weg in die EU“, sagt er.

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