10. August 2016 · Kommentare deaktiviert für „Flüchtlings-Statistik: Mammutaufgabe“ · Kategorien: Deutschland · Tags: ,

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Behörden sind für mehr junge Migranten zuständig. Doch diese und andere Zahlen sind nur bedingt belastbar.

Von Constanze von Bullion und Jan Bielicki, Berlin

Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen, die Jugendämter 2015 in Obhut nahmen, waren unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts vervierfachte sich die Zahl der Inobhutnahmen von allein eingereisten Minderjährigen gegenüber 2014 auf 42 309. 91 Prozent von ihnen waren Jungen, nur etwa 3600 Mädchen.

Junge Flüchtlinge müssen oft viel länger auf die Bearbeitung ihrer Papiere warten als Erwachsene. Nur 53 Prozent der 2015 eingereisten unbegleiteten Minderjährigen haben einen Asylantrag gestellt, berichten die Statistiker unter Berufung auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Hauptgrund dafür seien Engpässe bei Behörden. Dafür wurden 2015 drei Prozent weniger junge Flüchtlinge als 2014 in Obhut genommen, weil sie durch Schul- oder Drogenprobleme auffielen oder ihre Eltern überfordert waren.

Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) betonte, die Zahlen des Bundesstatistiker seien nur bedingt belastbar. Da junge Flüchtlinge oft nicht in den zugewiesenen Einrichtungen blieben oder sich auf die Suche nach Verwandten machten, komme es häufig zu Mehrfachregistrierungen und mehrfacher Inobhutnahme. Nach Bestandszahlen der Kinder- und Jugendhilfe aus dem Bundesverwaltungsamt seien die Einreisezahlen unbegleiteter Minderjähriger zuletzt erheblich zurückgegangen.

Immer mehr Flüchtlinge aus Syrien werden auf den Nachzug von Angehörigen jahrelang warten müssen. Seit ein paar Monaten steigt der Anteil der Syrer rapide, denen das Bamf nur sogenannten subsidiären Schutz zugesteht. Im Mai erhielt fast die Hälfte der persönlich angehörten Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland diesen eingeschränkten Schutzstatus, wie aus einer Antwort des Bundesregierung auf eine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke hervorgeht. Laut diesen Zahlen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, hatten sich noch im Februar nur 15 von 1290 angehörten Syrern mit subsidiärem Schutz begnügen müssen. Er hat zur Folge, dass diese Flüchtlinge mindestens zwei Jahre warten müssen, bis ihre engsten Familienangehörigen nach Deutschland nachziehen dürfen. Dieser umstrittenen Regel hatte die SPD im Winter auch unter Hinweis auf die geringen Zahlen der davon betroffenen Menschen zugestimmt. Das Bamf begründet den Anstieg damit, dass bei nun angehörten Flüchtlingen aus Syrien „vermehrt ein Bürgerkriegsschicksal, aber kein individuelles Verfolgungsschicksal“ vorliege. Die „massive Benachteiligung“ syrischer Flüchtlinge sei „zu Abschreckungszwecken gewollt“, kritisierte dagegen die Linke Jelpke und nannte die Entscheidungspraxis des Bamf „humanitär unerträglich“.

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siehe auch: linksfraktion.de

Pressemitteilung

04.08.2016 – Ulla Jelpke

Syrischen Flüchtlingen wird immer öfter Familiennachzug versagt

„Fast 60 Prozent der syrischen Flüchtlinge wird nach individueller Prüfung mittlerweile nur noch der sogenannte subsidiäre Schutzstatus zugesprochen. Damit sind sie bis März 2018 vom Familiennachzug ausgeschlossen. Betroffen sind davon im Jahr 2016 bereits 18297 syrische Flüchtlinge“, erklärt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, mit Blick auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage. Jelpke weiter:
„Die Aussetzung des Familiennachzugs gilt bis März 2018 und war von den Regierungsfraktionen im vorigen Jahr beschlossen worden. Die SPD hatte damals erklärt, das treffe nur wenige Personen. Tatsächlich trifft es mittlerweile die Mehrzahl der syrischen Flüchtlinge.

Die Quote der Subsidiär-Entscheidungen lag im Februar noch bei 1,2 Prozent, wovon 15 Personen betroffen waren, schnellte aber bis Juni auf 59,2 Prozent hoch. Das betraf 9915 Schutzsuchende allein im Juni, und insgesamt 18297 im ganzen Jahr. Obwohl die Anerkennungsquote stabil bei fast 100 Prozent liegt, will die Bundesregierung künftig das schriftliche Anerkennungsverfahren ganz einstellen. Im Juni 2016 basierten bereits über 72 Prozent der Entscheidungen bei syrischen Asylsuchenden auf persönlichen Anhörungen, im Februar waren es noch 5 Prozent. Dabei hat sich in diesem Zeitraum die Lage in Syrien nicht substantiell geändert. Die massive Abdrängung der syrischen Flüchtlinge in den nur subsidiären Schutz ist eine rein politische Entscheidung, die unter humanitären Gesichtspunkten unerträglich ist. Die Syrer werden ganz offenkundig Opfer einer Strategie der Abschreckung, die sie von der Zuflucht nach Deutschland abhalten soll und Familienangehörige mit einem Rechtsanspruch auf Einreise, meist Frauen und Kinder, auf illegale und gefährliche Wege zwingt. Die SPD ist hier in Erklärungsnot, nachdem sie voriges Jahr die Wirkung des Nachzugsverbots noch kleingeredet hat.

Auch unter rechtlichen Aspekten ist das Vorgehen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nicht haltbar. Die Rechtsprechung der Gerichte ist eindeutig: Syrische Flüchtlinge müssen den vollen Flüchtlingsschutz zugesprochen bekommen, weil sie nicht nur vor dem Bürgerkrieg geflohen sind, sondern auch gezielte Verfolgung durch das Regime fürchten müssen.

Ich fordere das BAMF auf, diese Schikane gegen syrische Flüchtlinge sofort zu beenden.“

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