11. Februar 2016 · Kommentare deaktiviert für Protest gegen Flüchtlinge in Thessaloniki: „Wir lassen sie das Lager nicht fertigstellen“ · Kategorien: Griechenland · Tags: ,

Quelle: Spiegel Online

Im Norden Griechenlands formiert sich Widerstand gegen ein Aufnahmecamp, 4000 Flüchtlinge sollen hier unterkommen. Sogar Schüler demonstrieren gegen die Hilfesuchenden.

Heruntergerissene Zäune, Polizisten in Alarmbereitschaft, aufgebrachte Einwohner. Auf einem Banner steht in großen Buchstaben: „Wir sagen Nein zur Verlegung von Flüchtlingen.“ Die Hilfesuchenden haben sich sicher einen anderen Empfang in Europa erhofft. Und auch Griechenlands Premier Alexis Tsipras hatte wohl anderes im Sinn, als er kürzlich versprach: Das in Thessaloniki geplante Lager für 4000 Migranten wird Mitte Februar fertig sein.

Die Regierung in Athen hat sich dazu verpflichtet, diese Einrichtung im Nordosten des Landes zu bauen. Eigentlich sollten schon bis Ende 2015 30.000 Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt werden. Mit dem Lager soll sich nun auch die Situation an der griechisch-mazedonischen Grenze entspannen. Dort gibt es immer wieder Chaos. Tausende Menschen harren an einer Tankstelle aus – meist unter katastrophalen Bedingungen.

„Das Letzte, was wir brauchen“

Doch hier, in Thessalonikis Arbeiterbezirk Delta, gehen die Einwohner auf die Straße. Sie wollen den Bau des Lagers verhindern und blockieren die Zufahrt zu dem Gelände, einer ehemaligen Kaserne. Einige sagen, sie lebten ohnehin in einer armen Gegend mit viel Kriminalität. „Das Letzte, was wir hier brauchen, sind 4000 Flüchtlinge“, schimpft Babis Iliadis. Seit dem Morgen steht er mit anderen Demonstranten an einem Lagerfeuer. Sie diskutieren. Iliadis wohnt nur 500 Meter von der heruntergekommenen Anlage entfernt.

Nicht nur in Thessaloniki, auch in Athen soll ein Aufnahmelager entstehen. Dazu kommen die Zentren, sogenannte Hotspots, auf den griechischen Inseln Kos, Chios, Samos, Leros und Lesbos, die für viele Flüchtlinge das Tor zur EU sind. Künftig sollen die Migranten hier registriert und verteilt werden.

Tsipras will, dass alles vor dem EU-Gipfel am 18. und 19. Februar fertig ist. Dann wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs bewerten, inwieweit die Abmachungen in der Flüchtlingskrise bereits umgesetzt wurden. Athen will zeigen, dass es tut, was es versprochen hat – und allen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die mit Grenzschließungen oder gar Griechenlands Rauswurf aus dem Schengenraum gedroht haben.

Doch nach wie vor gibt es viele Probleme: Auf der Insel Kos gab es bereits erste Randale. Einwohner fürchten, der geplante Hotspot könnte dem Tourismus schaden. In Athen ist der Bürgermeister zwar für das geplante Lager. Doch viele Bürger wehren sich. Und in Thessaloniki? Sogar Schüler beteiligen sich am Protest. Am Montag unterbrechen einige für zwei Stunden den Unterricht. Im Hof einer Schule wird ein Schild aufgestellt. „Keine weitere Verschlechterung für unsere Region“, ist darauf zu lesen.

„Warum nicht bei den Reichen?“

Wohl jeder der Demonstranten würde sagen, dass er kein Rassist ist. Doch es folgt immer ein großes „aber“. Einer von ihnen sagt: „Ich habe nichts gegen Flüchtlinge. Aber im Frühling werden die Kinder nicht mehr draußen spielen wollen. Wer traut sich auch noch, ihnen das zu erlauben?“ Wenn es nur 100 oder 200 wären, „würden wir die Flüchtlinge willkommen heißen. Aber unsere Region hat sich in eine Müllhalde von Nordgriechenland verwandelt.“ Grundsätzlich sei es für ihn in Ordnung, wenn die Flüchtlinge in Thessaloniki bleiben. „Aber warum bauen die das Lager nicht in den reichen Vororten?“

Laut dem Plan der Regierung werden nur Familien in dem Lager aufgenommen. Die Flüchtlinge sollen hier maximal 72 Stunden bleiben. Das Lager soll bewacht, aber offen sein. An den Eingängen gibt es Kontrollen – aber die Menschen können kommen und gehen, wann sie möchten. Auch deshalb machen sich einige Einwohner Sorgen, sie zweifeln daran, dass die Sicherheitskräfte die Lage in den Griff bekommen. Nur 20 Polizisten arbeiten in der örtlichen Wache, berichtet ein Beamter.

Klar ist: Es hat sich einiges getan, seit die Armee vor zehn Tagen mit den Bauarbeiten vor Ort begonnen hat. Müllberge sind verschwunden, Unkraut wurde beseitigt. Sogar die gefährlichen Hunde auf dem Militärgelände sind heute nicht mehr zu sehen.

Doch es muss noch viel passieren, um die ersten Flüchtlinge in zehn Tagen hier unterbringen zu können – selbst wenn die Proteste nachlassen würden. Und darauf deutet im Moment nichts hin. „Wir werden sie das Lager nicht fertigstellen lassen“, sagt ein Mann. In Thessaloniki wartet auf die Flüchtlinge ein kalter Empfang.

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