20. Juli 2015 · Kommentare deaktiviert für Bayern beschließt Abschiebelager für Balkan-Flüchtlinge · Kategorien: Deutschland · Tags: ,

Quelle: Bayrischer Flüchtlingsrat

Bayerische Staatsregierung beschließt Maßnahmen zur Eindämmung des „Asylmissbrauchs“ / Flüchtlingsrat fordert: Keine Sonderlager für Balkan-Flüchtlinge

Die bayerische Staatsregierung hat bei einer Kabinettsklausur massive Einschnitte in dass Asylrecht beschlossen. Flüchtlinge aus Balkan-Staaten sollen in zwei grenznahen Sonderlagern untergebracht und dort innerhalb von wenigen Tagen abgefertigt werden. Die Anhörung im Asylverfahren soll spätestens drei Tage nach Ankunft stattfinden, die Ablehnung kurz darauf erfolgen. Die Verwaltungsgerichte sollen in den Sonderlagern Außenstellen eröffnen, um auch mögliche Klagen gegen Ablehnungsbescheide innerhalb weniger Tage ablehnen zu können. Die Betroffenen erwartet Arbeitsverbote, Sachleistungen und die völlige Isolation aufgrund der grenznahen Lage. Eine asylrechtliche Beratung ist so praktisch unmöglich und hindert Flüchtlinge daran, die rechtsstaatlich garantierten Rechtsmittel überhaupt nutzen zu können.

Diese Sonderlager wurden bereits Mitte Juni 2015 auf der bundesweiten Ministerpräsidentenkonferenz besprochen (wir berichteten). Bayern macht sich nun daran, diese Sonderlager schnellstmöglich in Betrieb zu nehmen, denn „die asylpolitischen Maßnahmen zur Verringerung des Asylzustroms [dürften] nicht auf die lange Bank geschoben werden“, erklärte Ministerpräsident Horst Seehofer.

Der Bayerische Flüchtlingsrat warnt eindringlich vor der Umsetzung dieser Pläne. Nach wie vor finden sich viele Roma unter den Balkan-Flüchtlingen, die dringende Schutzgründe haben können. Bei den für sicher erklärten Herkunftsländern Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien liegt der Anteil an Roma in den Monaten Januar bis März 2015 zwischen 57 % und 92 %, bei Albanien und dem Kosovo zwischen 6 % und 21 %. Roma sind die am meisten verfolgte Minderheit in ganz Europa. Außerdem: Minderheitsangehörige oder nicht – die Pläne der CSU diskriminieren Asylsuchende aufs Massivste und machen das Asylrecht zur Farce.

„Bayern will Balkan-Flüchtlinge in diesen Abschiebelagern unterbringen, um sie von der Gesellschaft fernzuhalten und zu isolieren. Ohne Zugang zu asylrechtlicher Beratung werden sie in Fließbandverfahren mit Ablehnungsvordrucken abgefertigt und außer Landes geschafft“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Darüber hinaus hat Deutschland gegenüber Sinti und Roma eine besondere historische Verantwortung. Das scheint der bayerischen Staatsregierung egal zu sein. Sie will die Nachfahren der Opfer des nationalsozialistischen Völkermords mit entwürdigenden Lebensbedingungen in großen Abschiebelagern abschrecken und vertreiben. Seehofer tritt unsere historische Verantwortung mit Füßen!“

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Quelle: DW

Bayern errichtet Lager für Flüchtlinge ohne Asylchance

Bayern will künftig zwischen Migranten mit Aussicht auf Bleiberecht und solchen ohne Chance unterscheiden – noch bevor sich die zuständigen Behörden mit dem jeweiligen Fall befassen. Die SPD reagiert empört.

Schon bei ihrer Ankunft in dem südlichen Bundesland sollen Migranten nach einer Entscheidung der bayerischen Staatsregierung in zwei Gruppen unterteilt werden: diejenigen mit Schutzbedürftigkeit und diejenigen ohne Bleibeperspektive. Für letztere Gruppe sollen zwei neue Erstaufnahmeeinrichtungen möglichst in Grenznähe entstehen. Dorthin sollen Menschen aus „sicheren Herkunftsländern“ und den Balkan-Staaten gebracht werden, wie Ministerpräsident Horst Seehofer am Rande der Klausurtagung des Kabinetts in St. Quirin am Tegernsee mitteilte.

„Beratung zur freiwilligen Ausreise“

Nach dem Beschluss sollen Asylsuchende mit geringer Chance auf Anerkennung in diesen neuen Einrichtungen vorranging mit Sachleistungen versorgt werden. In den ersten drei Tagen würden sie registriert, medizinisch untersucht und ihre Asylantrage gestellt. Gegebenenfalls würden sie an andere Bundesländer weitergeleitet.

„Innerhalb von zwei Wochen wird entschieden“

In den Einrichtungen setze sofort „die Beratung zur freiwilligen Ausreise“ ein, heißt es weiter. Über die Asylanträge soll innerhalb von zwei Wochen entschieden werden – bei offensichtlich unbegründeten Anträgen soll innerhalb von zwei weiteren Wochen die Gerichtsentscheidung folgen. Die Abschiebung erfolge „unmittelbar und kontinuierlich“. Das jetzt beschlossene Vorgehen sei mit dem Bund abgestimmt, erklärte Seehofer.

Man müsse man „klar benennen, um was es geht, wenn Menschen ohne Schutzanspruch nach Deutschland kommen“, sagte Seehofer. Ein solcher „Asylmissbrauch“ schmälere die Akzeptanz in der Bevölkerung für Flüchtlinge und auch die vorhandenen Kapazitäten „für Menschen mit Schutzanspruch“.

Forderungskataloge an Bund und EU

Zugleich richtete das bayerische Kabinett einen Forderungskatalog an den Bund: So seien die Verfahren für Asylbewerber generell zu beschleunigen. Dazu müsse das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in diesem und im kommenden Jahr jeweils 1.000 zusätzliche Mitarbeiter einstellen.

Auch an die Europäische Union stellte das Seehofer-Kabinett Bedingungen: So führe die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU „nach wie vor zu einer einseitigen Belastung einiger weniger“ Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland. Zudem hält die bayerische Staatsregierung „die Rückführung von Asylsuchenden in neu zu schaffende europäische Asylzentren in Nordafrika“ für sinnvoll. Dort sollte dann ein „europäischen Standards entsprechendes Prüfverfahren“ vorgenommen werden.

40 Prozent der Migranten stammen aus Westbalkan-Staaten

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums kommen derzeit rund 40 Prozent der Asylbewerber in Deutschland aus Staaten des Westbalkans. Die deutschen Behörden hatten Ende 2014 Serbien, Mazedonien und Bosnien-herzegowina zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Die Zahl der Flüchtlinge aus diesen Ländern ging seither aber nicht zurück. Die CSU fordert seit längerem, auch Albanien, das Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Der rot-grün dominierte Bundesrat sperrte sich bisher dagegen.

„Stimmungsmache gegen Flüchtlinge“

Neben den Sozialdemokraten warf auch die Opposition Seehofer Stimmungsmache gegen Flüchtlinge vor. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi bezeichnete Seehofers Aussagen als „schwer erträglich“. Der Regierungschef hatte bereits am Wochenende „rigorose Maßnahmen“ gegen die große Zahl von Asylbewerbern vom Balkan angekündigt. „Wir müssen diesen 40-prozentigen Missbrauch, man kann sagen den massenhaften Missbrauch, zurückführen und einstellen“, sagte Seehofer.

Die Grünen hielten dem Ministerpräsidenten daraufhin ein „gehässiges Gepolter“ gegen Asylbewerber vom Balkan vor. „Im verbalen Wettstreit mit der AfD zieht Horst Seehofer immer neue Register der Rücksichtslosigkeit“, sagte Grünen-Chefin Simone Peter.

Linke-Chef Bernd Riexinger warf der CSU vor, in der Asylfrage zu einem billigen Populismus zurückgekehrt zu sein. Damit würden in der Flüchtlingsdebatte nur Rassisten bedient.

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siehe auch: Spiegel Online

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