20. Juli 2015 · Kommentare deaktiviert für AntiRa-Kompass: Newsletter Nr. 41, Juli/August 2015 · Kategorien: Deutschland

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23. – 28.7. in Frankfurt: Projekt Shelter und PrekärStation +++ 2.8. in Barcelona: Invisible Borders Action +++ 15. – 27.8: Back to the borders III auf Lesvos +++ 21. – 23.8.: Break-Isolation-Days: Bundesweite Refugee-Konferenz in Hannover +++ Zum 6.9. in Tunesien: Freedom Ferry Aktion +++ Sea Watch – erste Rettungseinsätze und Situation im zentralen Mittelmeer +++ Ferries not Frontex Kampagne +++ Balkanroute, neuer Zaun und Proteste in Ungarn +++ Wie weiter nach der Asylrechtsverschärfung? +++ weitere Rückblicke: Bootsaktion in Strasbourg, Eine Woche syrische Dauerdemo in Dortmund, Die Toten kommen… in Berlin +++ Ausblick: Social Transnational Strike- Konferenz vom 2. – 4.10. in Poznan

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wir sind ausnahmsweise nicht am Monatsanfang am Start und auf unserer Webseite war es bereits kurz angekündigt: wir haben uns für eine
Sommer-Doppel-Nummer für Juli und August entschieden. Die Einleitung fällt insofern etwas länger aus, denn es ist viel passiert und es ist in mehrfacher Sicht „Hochsaison“.

Zu allererst und nachhaltig an den EU-Außengrenzen.
Dass sich mehr Boatpeople denn je in diesem Sommer auf den Weg machen werden, war vorauszusehen. Zugespitzt ließe sich formulieren, dass das Grenzregime zur Zeit regelrecht überrannt wird von der „Hartnäckigkeit der Migrationsbewegung“ und dass sich die kritische Öffentlichkeit zum gewichtigen Unterstützungsfaktor entwickelt hat. Beispiel zentrales Mittelmeer: hier beobachten und intervenieren, hier agieren und retten eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher Projekte, als Augen- (Stichwort Sea Watch) und als Ohrenzeugen (Stichwort Alarmphone) – und dazu unten einige zusammenfassende Informationen und Links.

„Wir müssen die Toten sehen. Ihre letzte Ruhestätte soll unsere politische Unruhe werden.“ Diese entschiedenen Sätze entstammen dem sehenswerten Mobilisierungsvideo des Zentrums für Politische Schönheit (siehe unten), das Mitte Juni im Rahmen der Kampagne „Die Toten kommen“ zu einem „Marsch der Entschlossenen“ zum Kanzleramt aufriefen. Ob und wie ein wütendes Gedenken möglich ist, ob und wie solch eine künstlerische Aktion der Situation der Angehörigen gerecht werden kann, mag zu diskutieren sein. Dass sich mehr als 5000 Menschen an der Demonstration gegen „die bürokratischen Mörder in Berlin“ beteiligt haben, war ein starkes Zeichen und die Kampagne hat jedenfalls beigetragen, das fortgesetzte Sterben-Lassen im Mittelmeer erneut in einer breiteren Öffentlichkeit zum Thema zu machen.

Gegen das tödliche Grenzregime bleibt „Fähren statt Frontex“ unsere zentrale Forderung für sichere legale Zugangswege, eine entsprechende Kampagne wurde im Juni bei einem Treffen in Frankfurt ins Leben gerufen (siehe unten). Diese muss sich auf das gesamte Mittelmeer und damit auch auf die Ägäis beziehen, in der immer wieder Menschen bei der Überfahrt kentern und ertrinken. Auf den griechischen Inseln sind mittlerweile mehr Menschen angelandet als in Italien, die aktuelle Situation gleicht einem Notstand. Wer es dann endlich weiter nach Athen schafft, ist mit den verschlossenen innereuropäischen Grenzen konfrontiert und Tausende haben keine andere Wahl, als sich über die Balkanroute nach Mittel- und Nordeuropa durchzuschlagen. An der griechisch-mazedonischen wie auch an der serbisch-ungarischen Grenze spielen sich unglaubliche Dramen ab, wenn Flüchtlinge und MigrantInnen auf brutale Grenzbeamte und demnächst auch neue Zäune treffen. Gleichzeitig ist bemerkenswert, dass sich an vielen Orten auf dieser Route neue Unterstützungsnetzwerke entwickeln (siehe Berichte unten zu Ungarn und zu Griechenland).

„Dublin ist faktisch fast tot“
Statistisch klafft die Zahl der Überstellungsgesuche z.B. nach Ungarn oder Italien mit den faktischen Rückschiebungen immer weiter auseinander. Auch hier war und ist es in erster Linie die Hartnäckigkeit der Migrationsbewegung, die diese EU-Verordnung regelrecht unterminiert hat. Flüchtlinge und MigrantInnen wehren sich auf allen Ebenen gegen diese innereuropäische Vorverlagerung der Grenze. Wo immer möglich, wird die Abgabe des Fingerabdrucks schon im Ankunftsland verweigert, und wo eine Abschiebung nach Budapest oder Rom mit Gewalt durchgesetzt wurde, kommen die Betroffenen zurück und versuchen es erneut. Zahllose Rückschiebungen werden juristisch erfolgreich angefochten, durch Kirchenasyle unmöglich gemacht oder durch direkte Blockaden verhindert. Der Versuch, auf EU-Ebene mit einer zahlenmäßig eher symbolischen Quotenverteilung dieser Krise gegenzusteuern, ist in den vergangenen Wochen ebenfalls gescheitert. Dublin wirkt momentan wie eine hohle Drohkulisse, die aus Prinzip und zwecks Einschüchterung von den Herrschenden noch verzweifelt aufrechterhalten wird, aber dessen Dysfunktionalität offensichtlicher denn je ist (dazu ausführlich die neue Ausgabe von http://www.hinterland-magazin.de/).

Die bittere Niederlage Asylgesetzverschärfung
Doch wir wollen das Gesamtbild keinesfalls zu rosig zeichnen: Dublin wird noch immer in Einzelfällen, wie aktuell gegen einen Refugee-Aktivisten in Hannover, mit Abschiebehaft durchzusetzen versucht und eben als Drohmittel erhalten. Dazu kommt, dass – wie befürchtet – Anfang Juli im Bundestag das neue „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ verabschiedet wurde (siehe unten). Es eröffnet den Abschiebebehörden neue Spielräume der Inhaftierung insbesondere in Dublin-Verfahren. Der große Erfolg der letzten Jahre, die Abschiebehaft weitgehend niedergerungen zu haben, ist damit in Frage gestellt. Und diese Niederlage führt uns eindrücklich die Grenzen der antirassistischen Bewegung vor Augen. Dezentral, vielfältig und in neuen Zusammensetzungen hat sich der Widerstand gegen Ausgrenzung und Abschiebung in den letzten Jahren rasant entwickelt, doch zu einer starken koordinierten Initiative gegen ein neues Bundesgesetz reicht es nicht. Das bleibt eine der wesentlichen Herausforderungen der antirassistischen Linken.

„Oxi“ zum Krisen- und auch zum Migrationsregime …
Die zweite Herausforderung liegt in der Ausweitung der inhaltlichen und praktischen „Brücken“ in andere gesellschaftliche Felder. Beispiel Griechenland: Mehr als beeindruckend, wie das Oxi, dass Nein des Referendums, durch eine Mehrheit der griechischen Bevölkerung der Austeritätspolitik der Institutionen entgegengesetzt wurde. Am 20.6. gab es u.a. aus dem Blockupy Spektrum den Versuch, in Berlin eine Grossdemo zu organisieren, die die Solidarität mit Griechenland und mit Geflüchteten zusammenbringt. Die Mobilisierung blieb relativ bescheiden, wie auch aktuell – nach dem erfolgten Erpressungsdiktat unter deutscher Knute – zwar in vielen Städten zum Protest aufgerufen wird, aber dieser jeweils über zu kleine Spektren nicht hinauskommt. Das Mobilisierungsproblem würde sich durch eine stärkere Beteiligung der AntiRa nicht lösen, aber gerade an Griechenland, dem aktuellen zentralen Brennpunkt der migrantischen Kämpfe in Südeuropa, ließe sich die Verbindung besonders nahe herstellen. Welcome to Europe hatte vor dem Referendum ein Statement verbreitet, siehe:

https://www.facebook.com/notes/welcome-to-europe/a-no-is-a-yes-for-a-social-and-democratic-europe-for-all/930463680329738

Doch weitere praktische Verknüpfungen kommen bislang kaum zustande.

Aus der internationalen Blockupy-Vernetzung ist eine Initiative entstanden, die wir im letzten Kompass Newsletter schon erwähnt hatten und die der AntiRa-Bewegung einen weiteren verbindenden Ansatz anbietet. Unter dem Begriff des „sozialen transnationalen Streiks“ wird zu einem übergreifenden Prozess eingeladen. Im aktuellen Aufruf zu einer Konferenz im Oktober in Poznan (siehe unten) heißt es: „Ein neues Mobilitätsregime erzeugt Hierarchien zwischen und innerhalb europäischen Regionen und versucht, die Bewegungen der Migrant*innen von innerhalb und außerhalb der EU einzuschränken. Die globalen Produktions- und „Care-Work“-Ketten, die kreuz und quer durch Europa verlaufen, nutzen die unterschiedlichen Lohnniveaus und Arbeitsgesetzgebungen zum Zwecke des Profits. … Aktuell finden zahlreiche Kämpfe um Löhne, Wohnraum, Zugang zu den Sozialsystemen und um Bewegungsfreiheit in Europa statt. Sie wenden sich von verschiedenen Seiten aus gegen den aktuellen Angriff auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Angesichts der transnationalen europäischen Dimension dieses Angriffs wird offensichtlich, wie notwendig die Überwindung ihrer Isolation und wie wichtig es ist, gemeinsame Prioritäten zu finden.“

Mit antirassistischen Grüßen,
das Kompass-Team

Termine im Juli und August

Vom 23. bis 28. Juli in Frankfurt: Projekt Shelter und PrekärStation
A (temporary) Shelter for Everyone! – Protestcamp für eine solidarische Stadt.
Über 1000 Menschen beteiligten sich am 13.6. in Frankfurt an einer Demonstration mit der Forderung nach einem selbstverwalteten migrantischen Zentrum! Als nächster Schritt ist nun angekündigt, dass vom 23.7. bis zum 28.7. ein Camp an einem zentralen Platz in Frankfurt aufgebaut wird. Weitere Infos hier:
https://www.facebook.com/Project.Shelter.FFM

PrekärStation
Zeitlich parallel, vom 25. bis 27.7. schafft NoTroika Rhein-Main im Ostend von Frankfurt, im Schatten der Europäischen Zentralbank, einen weiteren öffentlichen Raum für Austausch und Protest. Schwerpunkte im Programm sind Gentrifizierung/Wohnungskämpfe sowie der Widerstand gegen Ausbeutung von WanderarbeiterInnen/Tagelöhnern.
Weitere Infos zum Programm:
http://www.linksnavigator.de/node/6786

Am 2. August in Barcelona: Invisible Borders Action
Borders kill people. Two sides. One war.
A day of non-violent struggle againts the laws that create borders that are killing, persecuting and humilliating the impoverished. This laws are inmoral and criminal.
We want to meet on the beaches, squares, at the doors of the responsible institutions, at the airports, bus and train stations…We invite the entire community to join this struggle that aims to raise our consciousness above unjust laws and shout together: No laws against migrants!
More informations:
https://plataformaadesalambrar.wordpress.com/invisible-borders-2015-campaign/

Vom 15. bis 27. August: Back to the borders III auf Lesvos – Situation in Griechenland
68.000 Flüchtlinge sind allein in der ersten Hälfte diesen Jahres in Griechenland angekommen – und damit mehr als über das Zentrale Mittelmeer in Italien. Auf den griechischen Inseln in der Ägäis sind die wenigen Lager völlig überfüllt, viele hängen ohne jegliche Versorgung tagelang auf den Inseln fest, da die Registrierung nur verzögert möglich ist. Es fehlt an allem und die Versorgung der Menschen hängt in erster Linie von lokalen Solidaritätsstrukturen ab, die in einer sowieso sehr angespannten wirtschaftlichen Lage unglaubliches leisten.
Welcome to Europe und Jugendliche ohne Grenzen werden vom 15.-27.August wieder nach Lesvos reisen, für die meisten Beteiligten eine Reise zurück an den Ort ihrer ersten Ankunft, in Solidarität mit den Neuankommenden. Während der Reise werden wir ab spätestens 14.8. auf einem Blog berichten: http://lesvos.w2eu.net/
Eine Aktualisierung des „Welcome to Greece“-Guides von Welcome to Europe ist bereits in Arbeit und auf englisch sind die aktualisierten Informationen bereits auf dem Webguide w2eu.info zu finden: http://w2eu.info/greece.en.html
Weiterhin bleibt trotz der vielen Ankünfte die Überfahrt in den kleinen Schlauchbooten sehr gefährlich. Am 7.7. kenterte ein Flüchtlingsboot zwischen den griechischen Inseln Farmakonisi und Agathonisi, offenbar kamen 19 Menschen ums Leben, am 17.7. starben 6 Menschen nahe Lesbos.
Trotz des deutlichen Rückgangs von Pushbacks durch die griechische Küstenwache nach dem Regierungswechsel im Januar bekommt auch das Alarm Phone immer wieder Anrufe aus der Ägäis, wie in dem folgenden Beispiel von Mitte Juni: http://watchthemed.net/index.php/reports/view/154
Tausende ziehen unterdessen in einem Treck in Richtung mazedonische Grenze weiter, immer wieder erreichen uns Anrufe von verzweifelten Menschen, die sich dort bewaffneten Militäreinheiten gegenüberstehen sehen. Einen Solidaritätsaufruf mit den Menschen in Idomeini veröffentlichte der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VDÄÄ): http://www.vdaeae.de/images/stories/fotos2/PE_150709_Idomeni.pdf

Aktuelle Berichte bei Pro Asyl:
http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/humanitaere_katastrophe_in_der_aegaeis_griechenland_geht_in_die_knie_europa_versagt/

Vom 21. bis 23. August: Break-Isolation-Days: Bundesweite Refugee-Konferenz in Hannover
Seit 2012 haben selbstorganisierte Refugee-Proteste in Deutschland an Kraft gewonnen. Protestmärsche und Protestcamps z.B. in Würzburg, Berlin, Hamburg und Hannover haben gezeigt, dass Refugees ihre Anliegen kraftvoll auf die Straße tragen können.
Wir wollen euch einladen nach Hannover zu kommen,
– um uns kennen zu lernen,
– uns über unsere Erfahrungen und Möglichkeiten des Widerstands gegen diskriminierende Gesetze für Asylsuchende auszutauschen
– und um gemeinsam zu besprechen, wie die Kämpfe für ein Leben in Freiheit und Würde für alle in Zukunft geführt werden können.
Kommt nach Hannover vom 21. bis zum 23. August 2015.
Kontakt: refugeecamph@riseup.net

Zum 6.9. in Tunesien: Freedom Ferry Aktion
Aus dem Aufruf:
In the face of migration policies that hamper millions of people in the world to move freely and to seek asylum in Europe without risking to die in the Mediterranean, the Tunisian association formed by the families of the Tunisian missing migrants, La Terre pour Tous, , organizes on the 6th September FERRY FOR FREEDOM, a symbolic „illegal“ depart in the Tunisian waters to claim and enact freedom of movement against the deadly effects of the Visa regime, demanding legal and free access to Europe, as claimed by the campaign “Ferry not Frontex”.
The boat will leave from Hammamet the 6th of September and we ask all the people and associations that struggle for freedom of movement and migrant rights to join and support the event.
For more information: Imed Soltani (association La Terre pour tous) : association_laterrepourtout@yahoo.com
Phone contact : 00216 22157103
you find here the link to the crowdfunding page for donations: https://www.lepotcommun.fr/pot/0nvqhh88
(RIB: 02004000000306055497)

Sea Watch und Situation und Einschätzungen zum zentralen Mittelmeer

Sea Watch – erste Rettungseinsätze
Mitte Juni war die Sea Watch in Lampedusa angekommen und bereits bei ihrem zweiten Einsatz (Anfang Juli) haben sie entscheidend zur Rettung von Hunderten von Bootsflüchtlingen beitragen können. Angehängt ein Auszug aus ihrer Pressemitteilung, in der die konkrete Beschreibung der Notsituationen und Rettungen mit einer grundsätzlichen Kritik an der EU-Politik verbunden werden:
„Wir sind froh, dass wir in dieser Woche bereits mehr als 250 Menschen retten konnten, dies macht jedoch ein weiteres Mal die desolate Situation auf dem Mittelmeer deutlich. Für diese Menschen müssen endlich legale Wege in die EU geschaffen werden, alles andere wird die Situation hier vor Ort nicht lösen können. Solange diese Menschen weiter auf die Boote gezwungen werden, wird es immer wieder zu Tragödien kommen. Hätten wir diese Boote nicht gefunden, wer weiß was dann passiert wäre!“ sagt Projektinitiator Harald Höppner. „Es kann doch nicht sein, dass die Seenotrettung hier von Privatleuten organisiert werden muss, während beispielsweise Schiffe der Bundeswehr in Catania im Hafen liegen und nichts tun“ so Höppner weiter, „Ohnehin zeigt der Zustand der Boote die wir gefunden haben, wie gefährlich die Überfahrt über das Mittelmeer nach wie vor ist – trotz Seenotrettung! In der 24 Meilenzone Libyiens können wir nicht patrouillieren, was, wenn dort etwas geschieht? Ich frage mich, warum diese Menschen sich nicht einfach ein Fährticket kaufen können, für eine sichere Überfahrt, es liegt in der Hand der Europäischen Union, die katastrophale Situation hier auf dem Mittelmeer von heute auf morgen zu beenden, das ist eine politische Entscheidung! Solange hier jedoch nichts passiert, werden wir vor Ort bleiben und weiter im Rahmen unserer Möglichkeiten Menschen retten.“
Weitere Infos, Fotos, Filme über die Rettungseinsätze unter: http://sea-watch.org/

Weitere aktuelle Berichte und Interviews zum zentralen Mittelmeer:

  • Die Hotline für Bootsflüchtlinge, das Watch The Med Alarmphone, veröffentlicht regelmäßige Berichte über Seenoteinsätze im Mittelmeer, siehe http://watchthemed.net/
  • Medico International und die Taz haben Interviews mit einem Aktivisten des Alarmphones veröffentlicht, in denen die aktuelle Situation der letzten Wochen und Tage zusammengefasst sind:
    „Frontex steht mit dem Rücken zur Wand“
    https://www.medico.de/frontex-steht-mit-dem-ruecken-zur-wand-16113/
    „Schaut man weg, sterben Menschen“
    http://www.taz.de/!5210620/
  • Desweiteren aktuell zur Bundeswehr im Mittelmeer:
    Flüchtlingsretter außer Dienst
    http://www.taz.de/Bundeswehr-im-Mittelmeer/!5212655/
    Sowie aus der neuen Ausgabe der Hinterland:
    Dublin – ein System in der Krise
    http://www.hinterland-magazin.de/pdf/29-35.pdf

Ferries not Frontex Kampagne
Mitte Juni trafen sich AktivistInnen (vorwiegend aus Rhein Main, aber auch aus Bielefeld und Tunis) zu einem Arbeitstreffen, um eine neue Kampagne unter obengenanntem Slogan zu diskutieren. Deutlich wurde, dass sich kurzfristig eine reale Fähraktion im zentralen Mittelmeer nicht realisieren lässt, dass aber Interesse da ist, in einem mittelfristigen Prozess an diesem Projekt weiter zu arbeiten und diese Forderung mit einem eigenen Aufruf, weiteren Materialien sowie in dezentralen Aktionen in die Öffentlichkeit zu bringen. Dafür haben sich erste Arbeitsgruppen gebildet…
Weitere Infos und Kontakt über noborderffm@riseup.net

Balkanroute, Zaun und Proteste in Ungarn
Die Route der meisten in Griechenland Angekommenen setzt sich über Mazedonien, Serbien und Ungarn fort. Die Situation in Ungarn ähnelt der in Griechenland: es gibt absolut unzureichende Aufnahmekapazitäten und kaum Perspektiven für dort lebende Flüchtlinge. Daher reisen die meisten innerhalb kürzester Zeit weiter in andere europäische Länder, zumeist nach Österreich und Deutschland – wo sie wiederum mit Abschiebedrohungen nach Ungarn konfrontiert sind. Faktisch ist Dublin inzwischen mehr oder weniger zusammengebrochen, wie sich an den Rücküberstellungszahlen nach Ungarn unschwer erkennen lässt. So gab es im 1. Quartal 2015 bereits 2.952 Übernahmeersuchen von Deutschland an Ungarn und lediglich 42 Personen wurden überstellt.
Der erhebliche Anstieg der Flüchtlingszahlen in Ungarn, führte in den letzten Wochen zu erheblichen Spannungen zwischen der EU und Ungarn: Die ungarische Regierung erklärte gegenüber den anderen Dublin-Staaten, aus „technischen Gründen“ derzeit überhaupt keine Dublin-Rückkehrer_innen mehr zurücknehmen zu können. Allerdings ruderte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto bereits einen Tag später aufgrund des Drucks anderer EU-Staaten (insbesondere aus Österreich) wieder zurück und erklärte, dass man sich natürlich an die europäischen Vereinbarungen halten werde. Eine empfehlenswerte Berichterstattung zur Flüchtlingssituation in Ungarn findet sich auf der Webseite von bordermonitoring.eu: http://ungarn.bordermonitoring.eu/

Zeitgleich kündigte Ungarn an, entlang seiner 175 Kilometer langen Grenze zu Serbien einen vier Meter hohen Zaun zu errichten, der Zaunbau begann am 13.7. und die Orban-Regierung verbreitet rassistische Hetze. Hiergegen formiert sich Widerstand. So hat sich in Szeged kurz hinter der serbischen Grenze eine lebendige Bürgerinitiative gegründet, die am Bahnhof eine gut organisierte Willkommensstation eingerichtet hat. Am 14.7. hat in Budapest eine Demonstration mit etwa 1000 TeilnehmerInnen gegen den Zaunbau stattgefunden, mehr dazu auf der Seite von MigSzol Budapest: http://www.migszol.com/

Zugleich soll Serbien nun als sicherer Drittstaat gelten, womit Abschiebungen nach Serbien vereinfacht werden sollen. Noborder Serbia wird sich daher ebenfalls an diesem Protest beteiligen und haben einen eigenen Solidaritätsaufruf gestartet: “We are calling on all no borders activists; all people who believe borders are inherently injust tools for capital to control labour; everyone who believes no human being is illegal, and that all have the right to freedom of movement and settlement; everyone who opposes the securitisation of borders and illegalisation of migrants, to JOIN US at the demonstration, and to form a no borders block, which unites in its rejection not only of the concrete wall in Hungary, but in the rejection of all barriers to freedom of movement and calls for opening all borders.” Siehe auch: https://noborderserbia.wordpress.com/

Wie weiter nach der Asylrechtsverschärfung?
Wie einleitend erwähnt, eröffnet das neue Gesetz den Abschiebebehörden neue Spielräume der Inhaftierung. Es sind „Kann-Bestimmungen“, die angehängt von Pro Asyl nochmal konkret zusammengefasst sind. Als solche können und müssen sie bei Anwendung im jeweiligen Fall juristisch und politisch skandalisiert und bekämpft werden. Zahlreiche harte lokale Auseinandersetzungen um Abschiebehaft sind also in den kommenden Monaten zu erwarten…
Aus dem Pro Asyl-Text:
“ … Haftgründe im Dublin-Verfahren werden uferlos ausgedehnt
Das neue Gesetz schafft die rechtliche Möglichkeit, Asylsuchende allein aus dem Grund zu inhaftieren, weil sie aus einem anderen EU-Staat eingereist sind. Nach § 2 Abs. 15 Satz 2 wird die Dublin-Haft möglich sein, „wenn der Ausländer einen Mitgliedstaat vor Abschluss eines dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsprüfung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz verlassen hat…“. Dies wird dazu führen, dass die Mehrheit der Asylsuchenden, die unter die Dublin-III-Verordnung fallen, in Haft genommen werden kann. Dies verstößt gegen die Dublin-III-Verordnung, wonach nicht allein deswegen, weil ein Dublin-Verfahren durchgeführt wird, inhaftiert werden darf.
Ebenfalls besonders kritikwürdig ist der Haftgrund gem. § 2 Abs. 14 Nr. 4. Danach kann ein Ausländer inhaftiert werden, der zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser i.S.v. § 96 AufenthG aufgewandt hat. Wie sollen Schutzsuchende ohne sog. Schleuser einreisen, wenn legale Wege weitgehend abgeschnitten sind? Seit 1980 hat Deutschland systematisch die Visa-Pflicht für alle Herkunftsländer von Asylsuchenden eingeführt. Flankiert wurde dies mit der Schaffung von Sanktionsregelungen für Transportunternehmen. Flüchtlinge können nicht einfach legal nach Deutschland reisen. Ein Visum wird ihnen nicht ausgestellt. Sie sind in aller Regel auf Fluchthelfer angewiesen, um Schutz in Europa suchen zu können. …“
http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/ausweitung_der_abschiebungshaft_droht_gesetz_zu_bleiberecht_und_aufenthaltsbeendigung_verabschiedet/

Weitere Rückblicke:

10. Juni in Strasbourg: ein Boot für das EU-Parlament
Etwa 200 AktivistInnen haben an dieser Protestaktion teilgenommen, im Rahmen dessen Flüchtlinge mit einem großen Schlauchboot ihre Forderungen zum EU-Parlament gebracht haben. Auf der anschließenden Kundgebung vor dem Gebäude haben aktive Refugees aus Frankreich und Deutschland sowie Angehörige der Verschwundenen aus Tunesien ihre Kritik am EU-Grenzregime formuliert. Die Aktion fand in den Strasbourger Medien große Resonanz.
Berichte, Fotos, Filme, Interviews zur Aktion:
http://afrique-europe-interact.net/1377-0-Strassbourg-Aktion.html

Juni 2015 in Dortmund: eine Woche syrische Dauerdemo
„Seit einer Woche protestieren etwa 100 Geflüchtete aus Syrien in einem Industriegebiet im Westen Dortmunds, heute haben sie ihr Camp in der Innenstadt aufgeschlagen. Bis mindestens zum 29. Juni wollen sie ihre Forderungen nun an den Katharinentreppen in die Öffentlichkeit tragen (direkt gegenüber vom Hauptbahnhof), vor allem die schnellere Bearbeitung ihrer Asylanträge und einen schnelleren Familiennachzug…“
http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit/lokalzeit-aus-dortmund/videohintergruendezumfluechtlingsdemocamp100_size-L.html?autostart=true

21.6.2015 in Berlin: Die Toten kommen
Aus dem Text zum beeindruckenden Mobilisierungsfilm:
„… Am Sonntag bringt ein Marsch der Entschlossenen Tote direkt vor das Kanzleramt. Angeführt von einem Bagger wird einer der bedeutendsten öffentlichen Plätze der Bundesrepublik in ein Friedhofsfeld verwandelt, auf dem die Opfer der militärischen Abriegelung Europas direkt vor den Augen der politischen Entscheidungsträger bestattet werden.
Wir müssen die Toten sehen. Ihre letzte Ruhestätte soll unsere politische Unruhe werden. …“
Siehe https://www.indiegogo.com/projects/die-toten-kommen#/story
Alle weiteren Infos zur Kampagne: http://www.politicalbeauty.de/

Ausblick:
Social Transnational Strike- Konferenz vom 2. – 4.10. in Poznan
Der vollständige Aufruf sowie erste weitere Informationen zum geplanten Ablauf finden sich unter:
https://www.facebook.com/pages/Transnational-Social-Strike/413351912201395

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