29. Mai 2014 · Kommentare deaktiviert für Melilla EU-Zaun: „Erfolgreicher Massenansturm“ (telepolis) · Kategorien: Marokko, Spanien

http://www.heise.de/tp/news/Erfolgreicher-Massenansturm-auf-Grenzzaeune-2210865.html

Erfolgreicher Massenansturm auf Grenzzäune

Ralf Streck

Etwa 2000 Flüchtlinge haben versucht die Grenze zur spanischen Exklave Melilla zu stürmen und 400 haben Europa erreicht

Trotz tödlicher Gefahren versuchen Flüchtlinge weiterhin dort die Grenzen zu überschreiten, wo Afrika und Europa an den spanischen Exklaven Melilla und Ceuta direkt an Landgrenzen aufeinandertreffen.

Bei einem der großen Versuche, diese Grenze zu überschreiten, wo der Kontrast zwischen Armut und Reichtum kaum größer sein könnte, haben es am frühen Mittwoch etwa 2000 Flüchtlinge in Melilla versucht. Die Angaben über die Zahl derer, die es trotz einem Großaufgebot von spanischer Guardia Civil und marokkanischer Gendarmerie in die Wohlstandsinsel geschafft haben, gehen auseinander. Sie schwanken zwischen 400 und 500.

Sollten es 500 gewesen sein, wäre es ein neuer Rekord. Im März gelang es 492 Menschen, die Grenze nach Melilla zu überwinden. Oft gelingt das nur wenigen oder gar keinem Flüchtling, wie beim Versuch von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen, die es aber immer wieder neu versuchen. Dass es in den letzten Monaten zu verstärkten Versuchen in Ceuta und Melilla kommt, hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Denn einige Jahre war es stiller geblieben, weil sich die Fluchtrouten vor allem tödlich auf das Meer oder in Richtung Griechenland und Italien verlagert hatten. Die verstärkte Überwachung dieser Routen durch die Grenzschutzbehörde Frontex hat zu einer Rückverlagerung in Richtung Melilla und Ceuta geführt.

Dazu kommt, dass Spanien dabei ist, die beiden auf sechs Meter erhöhten Grenzzäune auf spanischer Seite wieder mit messerscharfem Klingendraht auszurüsten. Das erhöht den Druck auf die Flüchtlinge, die es in die Nähe der Grenze geschafft haben, die Grenze noch zu überwinden, bevor das Vorhaben abgeschlossen ist. Denn der messerscharfe Draht führt zu schweren Verletzungen, hält die verzweifelten Menschen aber nicht ab. Neben Menschenrechtsorganisationen kritisiert deshalb auch der Europarat die „teure Maßnahme“, die sich gegen die Menschenrechte richte. Erst 2007 war der Draht aus „humanitären Gründen“ abgebaut worden, nachdem sich Flüchtlinge zum Teil tödliche Schnittverletzungen zugezogen hatten.

Dass es verstärkte Versuche gibt, nun diese Grenzen zu überwinden, hängt auch damit zusammen, dass die Guardia Civil derzeit keine Gummigeschosse einsetzen darf. Weil sie damit für den Tod von mindestens 15 Flüchtlingen in Ceuta im Februar verantwortlich gemacht wird, wurde der Einsatz von „Aufstandsbekämpfungsmaterial“ ausgesetzt, nachdem auch die EU-Kommission Aufklärung über die Vorgänge gefordert hat. Videos zeigen, wie auf wehrlose schwimmende Flüchtlinge geschossen wurde, die zum Teil ertrunken sind.

Erwartet wird, dass nun aber die Debatte über die weitere Aufrüstung der Grenzen ausbrechen wird, auch weil die Auffanglager überfüllt sind. Die regierende ultrakonservative spanische Volkspartei (PP) arbeitet schon an einer Gesetzesverschärfung, um „heiße Abschiebungen“ zu legalisieren. Die finden bisher illegal statt, wie auch Miriam Faßbender in ihrem gerade veröffentlichten Buch „2850 Kilometer“ eindrucksvoll darlegt. In Melilla hat wegen der bisher illegalen Praxis sogar schon ein Ermittlungsrichter den Vertreter der Zentralregierung und einen Offizier der paramilitärischen Guardia Civil als Beschuldigte vernommen.

Faßbender macht deutlich, welche Leiden und Gefahren verzweifelte Menschen aus Afrika ausgesetzt sind, die in Algerien oder Marokko von Sicherheitskräften verprügelt oder vergewaltigt werden, um sie von den Grenzen fernzuhalten. Werden sie aufgegriffen, werden sie zum Teil mit vorsätzlich gebrochenen Beinen im Niemandsland mitten in der Wüste abgesetzt, wo sie bisweilen verdursten, verhungern, an Krankheiten oder Entkräftung sterben. Faßbender fasst in ihrem Buch jahrelange Recherchen zu einem Film zusammen und beschreibt, wie sie Flüchtlinge aus Mali und Kamerun bis nach Melilla begleitet hat. Die Staaten, die eng mit Frontex kooperieren, haben alles versucht, um ihre Recherchen zu unterbinden.

Kommentare geschlossen.