20. Mai 2014 · Kommentare deaktiviert für Syrien: adopt@revolution, newsletter, 20.05.2014 · Kategorien: Syrien

Liebe AbonnentInnen des Newsletters, liebe Syrien-Interessierte,

seit vergangener Woche sorgt in Deutschland das „Zentrum für politische Schönheit“ mit der vermeintlichen Bundesinitiative „Kindertransporthilfe des Bundes“ für mediales Aufsehen. Die Rede ist von 55.000 syrischen Kindern, die in Deutschland Aufnahme finden sollen. Mittels einer groß angelegten Kunstkampagne – und einer täuschend echt wirkenden Website – soll auf die verheerende humanitäre Lage in Syrien aufmerksam gemacht werden. Die Forderung an die deutsche Regierung ist dabei ganz klar: Es müssen weitaus mehr SyrerInnen in Deutschland aufgenommen werden als das bislang zugesagte Kontingent von 10.000 Personen. Die Kampagne spaltet hierzulande die Geister: Darf Kunst die Politik so vor sich hertreiben? Darf man mit den Hoffnungen und Schicksalen der SyrerInnen so umgehen?

Auf unserem Blog finden Sie einen Gastkommentar, der genau diesem moralischen Dilemma nachgeht: https://www.adoptrevolution.org/darf-man-das-oder-ist-das-nicht-total-obszoen. Fazit: Der Verdienst der Kampagne liegt darin, auf unorthodoxe Weise auf die Not in Syrien aufmerksam zu machen – sowie auf die Tatsache, dass auch in Deutschland viel mehr für SyrerInnen getan werden sollte.

Per Pressemitteilung verweist Adopt a Revolution ferner darauf, dass der eigentliche Skandal in Syrien stattfinde. Trotz der offenkundigen humanitären Not und der massiven Menschenrechtsverletzungen in Syrien hat die internationale Gemeinschaft politisch kapituliert. Seit langem stockt auch die humanitäre Hilfe in die betroffenen Gebiete. Aus diesem Grund sollte es für ein Land wie Deutschland möglich sein, 100.000 SyrerInnen aufzunehmen – zumal 76.000 Anträge um Aufnahme in Deutschland bereits vorliegen. Die Kunstaktion des „Zentrum für politische Schönheit“ provoziert, aber sie hat ihre Berechtigung: https://www.adoptrevolution.org/der-skandal-passiert-in-syrien/

Währenddessen herrscht seit einer Woche in Syrien „Wahlkampf“ für die Präsidentschaftswahlen am 3. Juni. Neben Bashar al-Assad treten zwei handverlesene regimetreue Kandidaten an. Dass Assad die international umstrittene und völlig fragwürdige Wahl gewinnen wird, steht außer Frage – was ihn formal bis 2021 zum Präsidenten küren wird. Die Wahlkampagne Assads schreckt inhaltlich vor wenig zurück: Der offizielle Slogan lautet „Zusammen“, arab. „Sawa“. Auf Twitter ist der Wahlauftritt unter „SawaAlAssad“ zu finden. In Syrien selbst kann „Zusammen mit Assad“ dann so aussehen: Assad grüßt winkend von den Ruinen in Homs herab, versehen mit dem Slogan „Zusammen bauen wir es wieder auf“, https://www.facebook.com/photo.php. AktivistInnen protestieren gegen die Wahl mit dem Slogan #BloodElections.

Wie der Alltag in Syrien in jenen Gebieten aussieht, die einen „Waffenstillstand“ mit dem Regime ausgehandelt haben, zeigt unser Bericht aus Qudssaya: https://www.adoptrevolution.org/die-unberechenbarkeit-des-regimes-bericht-aus-qudssaya/. Dieser Stadtteil von Damaskus ist Zufluchtsort vieler Binnenflüchtlinge geworden. Mehr aus Zwang denn Überzeugung schloss man daher Ende 2013 ein Abkommen mit dem syrischen Regime. Was Qudssaya schmerzlich lernen musste: Auch ein „Waffenstillstand“ schützt nicht vor Bombardierung und Abriegelung durch das Regime. Ob „Waffenstillstände“ solcher Art wirklich zu einer großangelegten politischen Lösung im Land beitragen, bleibt zu bezweifeln.

Wichtige zivilgesellschaftliche Arbeit leistet die Initiative „Olivenzweig“, die in der Provinz Daraa Schulen aufbaut, um Kindern mittels Bildung eine Zukunft zu ermöglichen. Zudem bieten die Zentren Struktur und Abwechslung vom harten Alltag im Konfliktgebiet. Die Arbeit von „Olivenzweig“ wird auch von Adopt a Revolution unterstützt. Zum lesenswerten Bericht: https://www.adoptrevolution.org/zivile-initiative-olivenzweig-bildung-als-alternative/

Abwechslung bot auch das 2. Frühlingsfest in Qamishli, das die gesellschaftliche Vielfalt Syriens in verschiedensten kulturellen Formen würdigte. Die Veranstaltung fand vom 26.-30. April im Norden Syriens statt und wurde auch von Adopt a Revolution finanziell unterstützt: https://www.adoptrevolution.org/das-fruehjahrsfest-in-qamishli-zwischen-farben-und-kulturen/

Zudem können Sie in unseren Presseschauen (unter https://www.adoptrevolution.org/category/presseschau/) u.a. folgende Themen nachlesen:

  • Als Aktivistin in der Syrischen Revolution: Über Inhaftierungen und Geschlechterrollen
  • Bente Scheller: Die Erosion internationaler Normen im Syrien-Konflikt
  • Aleppo: Der „Alltag“ des Krieges
  • Kurdische Gebiete: PYD – Fluch oder Segen?
  • ISIS in Raqqa: Das strenge Regime des „Islamischen Staates“ lockt Ausländer

Mit besten Grüßen,
das Adopt a Revolution-Team

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