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Die Türkei und Bulgarien wollen den Krieg aussperren
Regierungen in Ankara und Sofia verstärken Grenzen, um Flüchtlingen aus Syrien den Zugang zu erschweren – Gated Nations Teil 1
Der Krieg in Syrien lässt Mauern sprießen. Die Türkei, bisher das Hauptaufnahmeland für Kriegsflüchtlinge aus dem benachbarten Syrien, will einen Teil der rund 900 Kilometer langen Grenze mit einer Mauer befestigen. Bislang hat Ankara rund 600.000 Menschen aufgenommen, die von den Kampfhandlungen im Nachbarland geflohen sind. Rund 200.000 von ihnen leben in Lagern.
Die meisten Syrer aber halten sich in den türkischen Städten auf. Von dort aus versuchen viele von ihnen, in die Europäische Union zu gelangen. Die Folge: Auch Bulgarien will seine südöstliche Grenze zur Türkei mit einer Mauer absichern, um die Migrationsbewegung aus Syrien unter Kontrolle zu bekommen.
In dem armen EU-Staat halten sich Schätzungen zufolge schon jetzt 8.000 Flüchtlinge auf – mehr, als die humanitäre Infrastruktur verkraften kann. Menschenrechtsorganisationen kritisieren nun den Mauerbau. Er sei Ausdruck des Unvermögens der Europäischen Union, mit den Folgen des Krieges in Syrien umzugehen.
Ohne Zweifel bekommt die Türkei am stärksten die Konsequenzen des Krieges in Syrien zu spüren. Das betrifft zum einen die humanitären Folgen. Viele Flüchtlinge aus dem Nachbarland sind bei Familienangehörigen oder Freunden in den türkischen Städten untergekommen. Doch die Zahl derer, die keine entsprechenden Kontakte haben, ist groß. Alleine in Istanbul, immerhin rund 800 Kilometer von der Grenze zu Syrien entfernt, sollen zehntausende vertriebene Syrer auf den Straßen, Plätzen und in den Parks der Stadt leben.
Die Risiken dieses Flüchtlingsstroms sind erheblich. Vor wenigen Wochen warnte die Weltgesundheitsorganisation vor dem Ausbruch von Polio in Syrien. Eine Verschleppung der Krankheit in die Türkei könnte schwerwiegende Folgen haben, zumal es sich um ein beliebtes EU-Reiseland handelt.
Neben diesen Problemen bedroht der Krieg in Syrien zunehmend auch die Sicherheit in der Türkei. Mehrfach ist es zu Kampfhandlungen auf türkischem Gebiet gekommen. Gefechte gibt es etwa zwischen kurdischen Milizen und Anhängern der Al-Qaida.
Mauer in Türkei auch gegen kurdische Milizen
Diese Zusammenstöße dürften einer der eigentlichen Gründe für den Mauerbau der Türkei sein, über den in offiziellen Quellen nichts zu erfahren ist. Weder auf der Internetseite der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan, noch auf der Website der türkischen Armee finden sich Informationen zu dem Schutzwall.
Klar ist nur: Die Arbeiten nahe der Stadt Nusaybin in der türkischen Provinz Mardin haben vor wenigen Wochen begonnen. Bagger hoben Fundamente aus und begannen mit dem Bau der massiven Befestigung. Über die geplante Länge wurde bislang nichts verlautbart. Bekannt ist bislang nur, dass das Bauwerk gut zwei Meter hoch sein soll und rund zehn Kilometer nördlich der syrischen Stadt Qamischli verläuft. Das türkische Nusaybin und das syrische Qamischli haben eines gemein: Beides sind kurdische Städte. Dies dürfte, neben den offiziellen Begründungen, eine der Hauptmotivationen der türkischen Regierung für den Mauerbau sein.
Denn im Verlauf des syrischen Krieges ist die nahe syrische Grenzregion weitgehend unter die Kontrolle kurdischer Verbände geraten. So auch Qamischli. Die türkischen Militärs und die Regierung in Ankara befürchten offenbar den Einfall syrisch-kurdischer Milizen in die Türkei, zumal die Kämpfer Kontakte zur in der Türkei kriminalisierten Kurdischen Arbeiterpartei PKK unterhalten.
Tatsächlich durchtrennt die neue Grenzbefestigung einen kulturellen und wirtschaftlichen Raum, der älter als die nationalstaatlichen Grenzen ist. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Bauarbeiten in der Region auf massiven Widerstand stoßen. Mehrere kurdische Bürgermeister sind in Hungerstreik getreten, um die Maßnahmen zu stoppen. Auch die türkische Opposition kritisiert den Mauerbau, der ihrer Meinung nach den Prozess der vorsichtigen Annäherung zwischen der Türkei und der PKK zu untergraben droht. Ungeachtet des Protestes ist der Bau der Grenzbefestigung in den vergangenen Wochen aber weitergelaufen.
UNHCR kritisiert EU-Politik gegenüber syrischen Flüchtlingen
Im Fall von Bulgarien geht es tatsächlich nur um die Flüchtlingsfrage. An der südöstlichen Grenze des ärmsten EU-Mitgliedsstaates entsteht eine rund 30 Kilometer lange Befestigungsanlage. Einen entsprechenden Beschluss begründete die Regierung von Ministerpräsident Plamen Orescharski mit dem zunehmenden Flüchtlingsstrom.
Die Aufnahmezentren sind schon jetzt mit den offiziell gut 8.000 Syrern überlastet. Bulgariens Innenminister Tzvetlin Yovshev prognostizierte bereits eine humanitäre Krise und schwerwiegende Folgen für das Sozialsystem, sollte man die Flüchtlingskrise nicht unter Kontrolle bekommen. Von der Europäischen Union forderte die Regierung in Sofia sechs Millionen Euro Soforthilfe ein, um mit der Lage fertig zu werden. Bulgarien ächzt unter dem gleichen Problem, dass alle Staaten an der EU-Außengrenze haben. Die Union lässt sie mit dem Flüchtlingsproblem alleine. Einen nachhaltigen Aufnahme- und Verteilungsprozess gibt es nicht.
Dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR bleiben nur hilflos wirkende Appelle. Mitte November bereits zeigte sich die UN-Organisation „tief besorgt“ über den Bau von Grenzanlagen von EU-Mitgliedsstaaten gegen syrische Kriegsflüchtlinge. „UNHCR ruft weltweit dazu auf, vor allem auch die EU, den Fokus von dem Schutz der Grenzen hin zum Schutz der Menschen zu bewegen“, heißt es in Erklärung. Sollten sich Berichte über Versuche bewahrheiten, Asylsuchende von der Einreise abzuhalten, so müssten diese Maßnahmen umgehend gestoppt werden. So genannte Push-Back-Maßnahmen, also das aktive Zurückdrängen von Flüchtlingen, oder die Erschwerung der Einreise würden die Migrationsbewegungen nicht verhindern, sondern die Menschen nur weiteren Risiken aussetzen.