Schwierige Suche nach einem Kompromiss zwischen der Eu-Kommission und den Mitgliedstaaten
nzz 15.02.2013
„Konflikte in Afrika, im Nahen Osten und in Südasien treiben Hunderttausende in die Flucht. Wer den Weg nach Europa schafft, findet indes nicht immer Schutz und Zuflucht. Viele Migranten und Flüchtlinge werden zunächst inhaftiert.
Immer mehr Flüchtlinge aus Syrien versuchen, über die Türkei nach Europa zu kommen. Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Frühling 2011 ist laut den jüngsten Schätzungen der Vereinten Nationen eine halbe Million Menschen aus dem Land geflohen. Um die Versorgung der meisten Flüchtlingen kümmern sich die Nachbarländer. Doch der Irak, Jordanien, Libanon und die Türkei sind zunehmend überfordert, so dass eine steigende Zahl syrischer Flüchtlinge Versuche unternimmt, nach Europa zu gelangen. Ungleiche Belastungen
Die Europäische Union hat bisher rund vier Prozent aller Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Laut Statistiken von Eurostat erhielten die 27 EU-Mitgliedstaaten zusammen mit der Schweiz und Norwegen seit Januar 2011 knapp 17 000 Asylgesuche von syrischen Flüchtlingen, wobei die meisten Anträge in Deutschland, Schweden und der Schweiz gestellt wurden. Für syrische Flüchtlinge führt der Weg in die EU meist über die griechisch-türkische Grenze der Region Evros. Wie Statistiken von Frontex – der Behörde für die Kontrolle der EU-Aussengrenzen – belegen, sind es zwar mehrheitlich Migranten und Flüchtlinge aus Afghanistan, Pakistan und Bangladesh, die mit Hilfe eines Schleusers diesen Übergang nutzen, um illegal nach Europa zu gelangen. Im letzten Jahr wurden am porösen Grenzpunkt über 57 000 Personen festgenommen. Mehr illegale Ankünfte innerhalb der EU wurden 2011 nur im zentralen Mittelmeerraum registriert, als infolge der Bürgerrevolten in Nordafrika Zehntausende von Bootflüchtlingen an Italiens und Maltas Küsten strandeten. Dennoch kommen nach wie vor die meisten Migranten über internationale Flughäfen in die EU. Sie verfügen dabei über ein gültiges Visum und bleiben nach dessen Ablauf illegal auf europäischen Boden.
Wegen der Flüchtlingsströme haben die betroffenen Staaten im Süden Europas teilweise sehr umstrittene Massnahmen im Asylbereich eingeführt. Angesichts der steigenden Zahl der Ankünfte aus Syrien hat beispielsweise die griechische Regierung eine Sperranlage an der Landgrenze zur Türkei errichten lassen. Ab August 2012 sind zudem die Kontrollen verschärft worden; neben den zur Unterstützung der griechischen Behörden eingesetzten Frontex-Wächtern bot Athen weitere 1800 Polizisten auf, um die rund 200 Kilometer lange Grenze zu sichern. Dies führte laut Frontex zu einem Rückgang der illegalen Einwanderung, wobei sich das internationale Schleuser-Netzwerk innerhalb weniger Wochen neu organisierte, um Migranten und Flüchtlinge über andere Wege in die EU zu schmuggeln.
Seither haben Migrationsflüsse an der Grenze zwischen der Türkei und Bulgarien zugenommen. Nach Angaben von Frontex sind die Zahlen zwar tief, derzeit werden durchschnittlich 80 Einwanderer pro Woche aufgegriffen. Vor Griechenlands Massnahmen zum erhöhten Grenzschutz waren es jedoch nur 15 Einwanderer pro Woche. Dass Bulgarien als EU-Mitglied bisher keinen Ansturm von Migranten und Flüchtlingen aus der Türkei erlebte, lässt sich einerseits damit erklären, dass das Land noch nicht zum SchengenRaum gehört – anders als Griechenland, wo die Weiterreise in der EU dank dem Schengener Abkommen ohne Grenzkontrollen möglich ist. Andererseits hängt es auch mit der Vorgehensweise der Schleuser zusammen, die in den meisten Ländern Kontakte haben. Zudem suchen Einwanderer meist einen Weg in jene Staaten, in denen eine Gemeinschaft ihres Heimatlandes bereits vertreten ist. Die Asyl- und Migrationspolitik des Gastgeberlandes spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Dass Schutzsuchende in der EU indes nicht immer Zuflucht finden, zeigen die Verfahren und Bedingungen der südlichen Mitgliedstaaten. Nicht nur aufgegriffene Migranten, sondern auch Flüchtlinge werden zunächst inhaftiert, bis ihre Identität nachgewiesen und ihr Asylgesuch bearbeitet werden kann. Diese Praxis wie auch die harten Bedingungen in Haft haben auf internationaler Ebene scharfe Kritik vor allem gegenüber Griechenland ausgelöst. Das krisengebeutelte Land weist im Bereich der Asylpolitik schwere Mängel auf, so dass für Athen die europaweit geltende Dublin-II-Verordnung ausgesetzt werden musste. Diese sieht vor, dass Asylsuchende in der Regel in den EU-Mitgliedstaat zurückgeschickt werden, in den sie zuerst eingereist sind, und dass dieser für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union entschied stattdessen, dass Asylbewerber nicht nach Griechenland überstellt werden, da ihnen dort unmenschliche Behandlung drohe.
Solidarität auf dem Papier
Athen steht indes nicht allein im Kreuzfeuer der Kritik. Die anderen Länder der südlichen Peripherie der EU haben ähnlich restriktive Massnahmen eingeführt, nicht zuletzt in der Hoffnung, weitere Asylsuchende von den eigenen Grenzen fernzuhalten. Auch Italien und Malta wurden mehrmals von derEUgerügt. Der akute Notstand ist einerseits den begrenzten Kapazitäten beider Staaten anzulasten, die nicht in der Lage sind, Flüchtlinge und Migranten unterzubringen. Andererseits sind die Missstände aber auch auf die inkonsequente Anwendung und fehlerhaften Mechanismen der gemeinsamen Asylpolitik der EU zurückzuführen. […]
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