14. Februar 2013 · Kommentare deaktiviert für Ägypten: Organisierte Vergewaltigungen gegen protestierende Frauen · Kategorien: Ägypten · Tags:
taz 14.02.2013
Die dunkle Seite des Tahrir

Regelmäßig umringen Männergruppen auf dem Tahrirplatz Frauen und vergewaltigen sie. Freiwillige organisieren sich nun um die Überfallenen zu befreien.

von Karim El-Gawhary

KAIRO taz| Die ägyptische Frauenrechtlerin Mariam Kirollos hat Wichtigeres zu tun, als am Freitag wieder auf dem Tahrirplatz demonstrieren zu gehen. Sie findet auch, dass zwei Jahre nach dem Sturz Mubaraks die Proteste mit der Forderung, die Revolution fortzusetzen, richtig sind. Aber die 22-jährige Ägypterin sitzt im Krisenstab der Operation gegen sexuelle Belästigung (OpAntiSH) an der Hotline und hofft, dass es nicht klingelt. Wobei sie sich da nicht sicher ist.„Wenn das Telefon nicht läutet, dann bin ich einerseits froh, dass es heute keinen Notfall gibt, andererseits fürchte ich, dass manche der sexuellen Übergriffe auf Frauen nicht gemeldet werden“, sagt Mariam Kirollos, die beruflich für eine internationale Menschenrechtsorganisation recherchiert.

Mariam bekämpft die dunkle Seite des Tahrirplatzes. Die sexuellen Angriffe auf Frauen haben dort in den vergangenen Monaten zugenommen. Die Angriffe laufen stets nach dem gleichen Muster ab. Eine Frau wird von einem Mob von Männern umringt. Oft sind sie mit Messern und Knüppeln bewaffnet. Sie reißen der Frau die Kleider vom Leib, begrapschen sie, stecken ihr Hände und Gegenstände in die Körperöffnungen, vergewaltigen sie.

Manche Frauen berichten später, dass sie bereit waren, zu sterben. Auf den Videos ist nicht auszumachen, wer die Frau angreift und wer versucht, sie aus dieser Lage zu retten. Oft dauert es über eine Stunde, bis andere Demonstranten es schließlich schaffen, die Frauen zu befreien. Die Polizei bleibt dem Platz seit dem Sturz Mubaraks fern.Am Jahrestag der Revolution, dem 25. Januar, wurden mindestens 20 Frauen auf diese Art angegriffen. Unklar ist, ob die Übergriffe organisiert sind und als politische Waffe eingesetzt werden und wenn ja, wer dahintersteckt. Vieles deutet auf geplante Angriffe hin, um den Protesten auf dem Tahrir das Rückgrat zu brechen und Frauen abzuschrecken, dort teilzunehmen. Manche spekulieren, dass die Männer von Vertretern des alten Mubarak-Systems bezahlt werden, andere deuten auf die regierenden Muslimbrüder, die den Vorwurf weit von sich weisen. Handfeste Beweise gibt es für die Vorwürfe nicht.

Möglich ist auch, dass die Angriffe spontan geschehen. Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem, denn die Angriffe wären nicht so erfolgreich, könnten die Angreifer nicht darauf zählen, dass Männer spontan mitmachen, andere als Schaulustige teilnehmen und die Reihen schließen, so dass kaum jemand durchbrechen kann, der die Frauen befreien will.

Die Übergriffe zeigen ein gesellschaftliches Problem. Sexuelle Belästigung gehört für Frauen in Ägypten zum Alltag. In einer Studie gaben 83 Prozent der ägyptischen Frauen an, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein. „Das Problem hat sich verschärft, weil es die Ägypter jahrelang verleugnet haben“, sagt Mariam Kirollos. Den Frauen war es peinlich, darüber zu sprechen. Für die Männer war es ein Kavaliersdelikt.

vollständiger Text:

http://www.taz.de/Aktionstag-gegen-Gewalt-an-Frauen/!110947/

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