16. Januar 2013 · Kommentare deaktiviert für Mali: Langer Krieg und sich ausbreitender Hunger · Kategorien: Frankreich, Mali, Sahara · Tags:

Frankreichs Eintritt in einen langen Krieg?
Florian Rötzer 16.01.2013

http://www.heise.de/tp/artikel/38/38365/1.html

Die Islamisten sind nicht so leicht zu besiegen, die Zivilbevölkerung wird zunehmend zum Opfer der Kämpfe

Wie nicht anders zu erwarten, herrscht auch in Mali derzeit der sprichwörtliche „fog of war“. Schnell hatten die französische Regierung und das Militär von erfolgreichen Angriffen gesprochen und behauptet, den Vorstoß der Islamisten in den Süden gestoppt und diese aus Konna und anderen Städten durch Bombardements vertrieben zu haben. Schon am Dienstag wurde aber klar, dass die für die Franzosen anscheinend unerwartet gut mit Waffen ausgerüsteten Rebellen weiter in den Süden vorgedrungen waren und die Stadt Diabali, 400 km nördlich der Hauptstadt Bamako, einnehmen konnten.

Nun rücken, wie Journalisten bestätigt haben, französische und malische Bodentruppen von Bamako vor, um Diabali wieder zu befreien, nachdem erste Luftangriffe bereits Montagnacht ausgeführt worden waren. Auf einer Pressekonferenz musste der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian gestern eingestehen, dass die Erfolgsmeldungen verfrüht waren und die Stadt Konna im Zentrum Malis noch nicht eingenommen wurde. Die Vertreibung der Islamisten aus der Stadt war eines der primären Ziele der französischen Intervention gewesen. Die malischen Soldaten sollen sich erst 20 km vor der Stadt befinden, in der sich die Islamisten versteckt haben. Zudem sagte der Verteidigungsminister erneut, dass die Islamisten, die Diabali eingenommen haben, „sehr präsent“ seien und „den Süden des Landes bedrohen“.

Zwar hatte die französische Regierung angekündigt, so lange wie notwendig den Krieg im Namen der malischen Übergangsregierung und der Vereinten Nationen zu führen, aber die Stimmung in Mali und vor allem in Frankreich könnte schnell kippen, wenn sich die Kämpfe hinziehen und ein Ende nicht in Sicht ist. Wie überhaupt die französischen Truppen, auch wenn sie von jetzt 750 auf 2.500 aufgestockt werden sollen, das riesige Land kontrollieren wollen, ist schleierhaft. Selbst mit der nicht sonderlich schlagkräftigen malischen Armee und den von Ecowas versprochenen Verbänden im Rahmen der UN-Mission wird sich das nicht bewerkstelligen lassen, wenn die Islamisten, wie in Afghanistan und im Irak geschehen, den offenen Kampf meiden und zu Anschlägen und Guerillataktiken umschwenken. Nach der Menschenrechtsorganisation HRW setzen die Islamisten vermehrt Kindersoldaten schon ab dem 12. Lebensjahr ein.

In Abu Dhabi, wo der französische Präsident François Hollande auch gerne Rafael-Kampfflugzeuge, die er in Mali einsetzt, verkaufen würde, hat er deswegen wahrscheinlich schon die Ziele der Intervention eingeschränkt, auch wenn er weiterhin davon sprach, dass die Sicherheit und Stabilität des Landes und eine legitime Regierung sowie demokratische Prozesse wiederhergestellt werden sollen. Man wolle vornehmlich den Vormarsch der Islamisten auf Bamako stoppen und die Hauptstadt sichern. Das klang zu Beginn noch anderes, aber mittlerweile ist auch klar, dass Frankreich alleine steht und höchstens logistische Hilfe erhält. Die afrikanischen Ecowas-Truppen – die ersten 900 Soldaten aus Nigeria sollen heute nach Mali kommen – sollen nach der Sicherung von Bamako bewirken, dass Mali seine „territoriale Integrität“ wieder zurückgewinnt. Und was mache man mit den Terroristen, fragte er rhetorisch. Man werde sie zerstören oder, wenn möglich, gefangen nehmen. Letzteres werden die Franzosen wohl lieber vermeiden, um nicht ihr Abu Ghraib oder Guantanamo zu kreieren. Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit fordert einen Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die malischen Truppen schwere Menschenrechtsverletzungen begehen.

Die Situation der Zivilbevölkerung verschlechtert sich

Dazu kommt, dass der Krieg und vor allem die Bombardements nicht nur die Islamisten treffen, sondern auch die Zivilbevölkerung. Aufgrund der Kämpfe hat eine neue Flüchtlingswelle nach OCHA, dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen, eingesetzt. Allein während des Wochenendes sollen mehr als 30.000 Menschen ihre Heimat verlassen haben. Mittlerweile gibt es im Land mit insgesamt 15 Millionen Einwohnern 200.000 Flüchtlinge. Nach Schätzungen von OCHA, die vor dem Krieg gemacht wurden, werden in diesem Jahr 4,5 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen, davon müssen 2 Millionen Menschen und Hunderttausende von Kindern mit Lebensmitteln versorgt werden.

Die Sitution wird sich für die Menschen vor allem im Norden des Landes durch den Krieg weiter verschlimmern. Schon während der letzten neun Monaten sei die Versorgung der Menschen dort schlechter geworden. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) warnt, dass es jetzt zunehmend schwieriger werde, die Gebiete im Norden zu erreichen. Auch in Bamako drängeln sich die Flüchtlinge „in kleinen Räumen in schlechtem Zustand, ohne elektrischen Strom und direktem Zugang zu Wasser“. Zudem müssen die Menschen dringend versorgt werden, die in die Nachbarländer Niger, Burkina Faso und Mauretanien geflohen sind.

Schon 2012 hatte das Flüchtlingswerk nur 77 von den als notwendig erachtete 123 Millionen Millionen US-Dollar für die humanitäre Hilfe in Mali erhalten. Für 2013 geht die Organisation von fast 200 Millionen US-Dollar aus. Auch das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) warnt vor einer Verschärfung der Lebensmittelunsicherheit und Mangelernährung. Man habe bislang geschafft, 270.000 Menschen im Norden Malis mit Lebensmittel zu versorgen, aber die Sicherheitslage verschlechtert sich. 400.000 Menschen seien in den Städten Timbuktu, Kao und Kidal auf Hilfe angewiesen. Die UNESCO ruft dazu auf, nicht nur die Menschen, sondern auch das kulturelle Erbe zu schützen.

Kommentare geschlossen.