„[…] Sozialklinik von Thessaloniki. Gegründet wurde sie vor sieben Jahren von linken Ärzten, die sich um kranke Migranten ohne Papiere kümmerten. Die Krise machte diese bescheidene private Institution zu einer wichtigen Anlaufstelle für alle, die keinen Zugang mehr zu den staatlichen Krankenhäusern haben: legale Migranten, einheimische Arbeitslose ohne Krankenversicherung, viele Rentner. Seit einem Jahr machen immer mehr Freiwillige mit. Fast 150 Ärzte, Zahnärzte und Krankenschwestern leisten ein- bis zweimal die Woche eine volle Schicht. Ausgebildete Ingenieure, die keine Bauaufträge mehr bekommen, halten das Sekretariat zwanzig Stunden am Tag geöffnet. Die Fanklubs der Fußballvereine Paok und Iraklis sammeln Medikamente für die Apotheke der Sozialklinik; eine krebskranke Zahnärztin hat der dentistischen Abteilung ihre ganze klinische Ausrüstung überlassen.
Die Sozialklinik erfährt so viel Unterstützung, dass sie das Projekt der ganzen Stadt zu sein scheint. An einem Montagabend im Olympion, dem größten Kinosaal der Stadt, geben vier alte Rocker um die 60 ein Solidaritätskonzert. Die Band nennt sich The Presidents und besteht aus gestandenen Professoren, die alle mal Rektoren ihrer Fakultät waren. Sie mimen Jimi Hendrix und spielen Led Zeppelin, der Saal ist voll, eine Mischung aus akademischer Nomenklatura, Studenten, Schülern und ganz normalen Fans von Rockmusik. Die Akustik ist lausig, aber die vier spielen wirklich gut. Und das Beste kommt zum Schluss: „Always look at the bright side of life“. Ein Schuss Optimismus – das, was hier jeder braucht. Sogar ältere Leute im Anzug summen mit, der ganze Saal lächelt. Und die Kasse stimmt. Fast 4 000 Euro haben The Presidents am Schluss gesammelt und auch noch ein paar Freiwillige rekrutiert, die in der Sozialklinik mitarbeiten wollen. .[..]“
http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/12/14.mondeText1.artikel,a0013.idx,3