10. August 2012 · Kommentare deaktiviert für B4p Chronologie Rückblick · Kategorien: Nicht zugeordnet · Tags:

Boats4People:

Gegen das Sterben von MigrantInnen auf dem Meer – für Bewegungsfreiheit und offene Grenzen für alle!

Aktionen im Juli 2012 zwischen Italien und Tunesien

Drei Mitglieder der Flüchtlingsrats Hamburg beteiligten sich von Anfang bis Mitte Juli 2012 an den Aktionen von Boats4People. Hier ein Kurzbericht über einige Stationen dieser Reise von Italien nach Tunesien, an der zu Wasser und zu Land AktivistInnen aus mehreren europäischen und afrikanischen Ländern teilnahmen.

Das Projekt Boats4People

Die Idee zum Projekt Boats4People entstand im Juni 2011 auf einem internationalen antirassistischen Treffen in Cecina / Italien, auf dem es u.a. um den Zusammenhang zwischen den arabischen Aufständen und Migrationsbewegungen ging. Aus Tunesien waren nach dem Sturz der Ben Ali-Regierung Tausende vor allem junger Leute per Boot Richtung Europa aufgebrochen, um sich ihr Recht auf Bewegungsfreiheit zu nehmen. Außerdem führte der Krieg in Libyen zu massenhafter Flucht vor allem von Menschen aus Subsahara-Afrika nach Tunesien und übers Mittelmeer. Europa reagierte mit dem Einsatz der Grenzschutzagentur Frontex, um Bootsankünfte zu verhindern, sowie mit Inhaftierung und Abschiebung. NATO-Schiffe verweigerten Hilfeleistungen für Schiffbrüchige. Laut UNHCR starben 2011 auf dem Mittelmeer mindestens 1500 Menschen. Dem wollten wir mit der europäisch-afrikanischen Initiative Boats4People, nämlich Booten, die den MigrantInnen von Italien aus entgegen kommen und das bewusste Sterbenlassen auf dem Meer anprangern, ganz praktisch etwas entgegensetzen. Geplant war dies eigentlich schon für Herbst 2011, was aber mangels Geld und wegen der Wahl in Tunesien nicht realisierbar war.
In der Zwischenzeit haben sich sowohl die Migrationsverhältnisse als auch Initiativen in verschiedenen Ländern weiterentwickelt:
Angehörige verschwundener boatpeople aus Tunesien haben sich organisiert, Forderungen nach Auskunft über den Verbleib ihrer Angehörigen an Italien und die neue tunesische Übergangsregierung formuliert und Aktionen in Tunesien und Italien durchgeführt.
– Die Flüchtlinge im Camp Choucha an der tunesisch-libyschen Grenze fordern immer noch – größtenteils vergeblich – eine Aufnahme (Resettlement) in Europa und organisieren Proteste. Selbst die 200 Flüchtlinge, deren Aufnahme in Deutschland im November 2011 auf der Innenministerkonferenz beschlossen wurde, sind immer noch in Choucha.

Boats4People (B4P) als transnationales Kooperationsprojekt knüpft an die Forderungen beider Gruppen an und ist Ausdruck des Protests gegen Frontex und das Sterben im Mittelmeer. Langfristiges Ziel ist, ein Netzwerk von AktivistInnen auf beiden Seiten des Mittelmeers und darüber hinaus aufzubauen, um die kriminelle staatliche Politik zu bekämpfen, die Menschenrechte auf See verletzt, und Bewegungsfreiheit als Grundrecht für alle durchzusetzen. Mit den Aktionen im Juli 2012 ist das Projekt nicht zu Ende, sondern es sollte ein Anfang gemacht werden für weitere Vernetzung, z.B. auch mit Fischern und Seeleuten, für ein kontinuierliches Monitoring auf See und die praktische Unterstützung von MigrantInnen, auch durch juristische Klagen gegen Verantwortliche dieser Politik.

Konkret bestanden die Aktionen im Juli 2012 zu einen in der Überfahrt eines mit jeweils wechselnden AktivistInnen und JournalistInnen aus verschiedenen Ländern besetzten Boots, der Oloferne, von Cecina über Palermo nach Monastir (Tunesien) und zurück nach Lampedusa, zum andern in einer Fährenüberfahrt von Palermo nach Tunis und verschiedenen Vernetzungstreffen, Diskussionsveranstaltungen und Aktionen an Land, u.a.in Monastir auf dem Vorbereitungstreffen zum Weltsozialforum, das 2013 in Tunesien stattfinden soll. Ich gehörte zur zweiten Gruppe und werde deshalb vor allem darüber berichten.

 

Station Palermo(5. und 6. Juli 2012)

Nach dem Start vom antirassistischen Treffen in Cecina aus ist das B4P-Boot Oloferne am Morgen des 5. Juli im Hafen von Palermo eingelaufen, wurde von einer kleinen Gruppe AktivistInnen empfangen und am nächsten Tag für eine Pressekonferenz genutzt.

Am späten Nachmittag begann die angekündigte zentrale B4P- Veranstaltung im schönen großen Innenhof eines Kirchengebäudes, einem Treffpunkt von vielen MigrantInnen aus Subsahara-Afrika. Über 100 BesucherInnen verfolgten die verschiedenen Beiträge, u.a. Erfahrungsberichte von zwei Migranten aus Ghana und Nigeria, die als Boatpeople aus Libyen über Lampedusa nach Italien gekommen waren, von einem jungen tunesischen Blogger zu seinem Projekt zur Unterstützung der Angehörigen verschwundener Boatpeople, von einer tunesischen Mutter zu ihrem vermissten Sohn und von einem Aktivisten aus Amsterdam zur Kampagne gegen Frontex.

Am nächsten Tag hat eine kleine Delegation das neue Abschiebegefängnis Milo bei Trapani besucht, in dem vor allem tunesische Migranten unter übelsten Bedingungen inhaftiert sind und ständig Revolten stattfinden (siehe https://archiv.ffm-online.org/wp-content/uploads/2012/07/08eu-27072012-b.pdf). Zeitgleich gab es einige Workshops in Palermo. Danach wurden Flyer in der Innenstadt verteilt, in denen zu einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des EU-Grenzregimes eingeladen wurde. Diese fand abends direkt am Meer an einer Promenade statt, es wurden Transparente aufgehängt sowie viele Kerzen angezündet. Kerzenlichter gab es auch in Sichtweite auf See auf zwei Booten. Große Aufmerksamkeit fand die ca. 20 Meter lange Banderole, die auf dem Gehweg ausgerollt wurde und auf der Daten, Namen sowie die Todesumstände von mittlerweile über 18.000 Opfern des EU-Grenzregimes aufgelistet sind. Beispielhaft verlasen TeilnehmerInnen der Gedenkveranstaltung die Namen einiger Opfer, kombiniert mit einer Lesung mit Gesang sowie mehreren spontanen Beiträgen beteiligter MigrantInnen.

 

 

Auf den Fähren Palermo – Tunis (7. Juli 2012) – Orte versammelter Migrationsgeschichte(n)

 

Während das B4P-Boot Oloferne noch in Palermo ankerte, um dann mit der 13-köpfigen Besatzung Richtung Monastir in See zu stechen, hatte die mittlerweile auf über 40 Leute angewachsene transnationale B4P-AktivistInnengruppe zur Überfahrt von Palermo nach Tunis auf zwei Fähren eingecheckt. Auf beiden waren zu über 90 % tunesische MigrantInnen an Bord, die vor allem von Italien, aber auch aus anderen europäischen Ländern zum Urlaub oder Besuch ihrer Familien nach Tunesien fuhren. Auf der 10-stündigen Überfahrt auf diesen Fähren, die zwei Welten verbinden, haben beide B4p-Gruppen sehr viele interessante Begegnungen machen können.

 

Auf der Fähre mit der größeren Gruppe wurden zahlreiche sehr spannende Tischgespräche geführt und dabei – mit Zustimmung der Fährencrew – zu einer Versammlung neben der Bar eingeladen. Auf dieser mehrsprachigen Assamblea waren rund 60 bis 100 Leute anwesend. Viel Beifall erntete ein Beitrag unseres kongolesischen Mitstreiters über das EU- Migrationsregime „mit Privilegien für einige, während anderen immer höhere Hürden in den Weg gelegt werden“. Einer unserer tunesischen B4P-Aktivisten hielt eine mit viel Beifall aufgenommene Rede zur historischen Chance der tunesischen Revolution und forderte: „Nicht nur TouristInnen sollen Tunesien anschauen dürfen: Vor allem die jungen Menschen als TrägerInnen der Revolution müssen umgekehrt ebenso nach Europa reisen dürfen!“

Gleichzeitig war die kleinere B4P-Gruppe auf der zweiten Fähre mit der Abschiebung eines Tunesiers, der 15 Jahre als Papierloser in Italien gelebt hatte, konfrontiert. Alle Mitreisenden zeigten sich solidarisch, aber der Tunesier wollte keinen Konflikt riskieren – sicher will er irgendwann erneut eine Einreise in die EU versuchen.

 

 

Station Tunis (8. bis 10. Juli 2012)

 

Sonntag, 8. Juli: Rückschiebung verhindert und Koordinationstreffen

Der Tag begann mit einer schlechten Nachricht: Einem jungen senegalesischen Freund wurde bei Ankunft aus Dakar von der Grenzpolizei am Flughafen Tunis die Einreise verweigert. Er fiel unter den Generalverdacht gegenüber vielen Reisenden aus Subsahara-Afrika, sich angeblich nur zur Weiterreise nach Europa in Tunesien aufhalten zu wollen. Weder der Nachweis einer Hotelbuchung noch der wiederholte Hinweis auf seine Beteiligung am Vorbereitungstreffen zum Weltsozialforum konnte die Behörden zunächst umstimmen. Unser Mitstreiter saß schon wieder im Flugzeug nach Dakar, als durch den Protest einer Gruppe von B4P-AktivstInnen im Flughafen sowie mittels einer von einem Gewerkschafter offiziell überbrachten Einladung nach Monastir doch noch seine Einreise durchgesetzt werden konnte.

Die Reisegruppe war in Tunis nun auf ca. 50 Personen angewachsen und der Sonntag diente vor allem der Vorbereitung der nächsten beiden Tage. Abends gab es eine gemeinsame Versammlung mit unseren tunesischen FreundInnen vom Psycho-Club. Dies ist eine Gruppe von Psychologie-StudentInnen, die sich am Boats4People-Projekt beteiligen und die mehrfach in die Camps nach Choucha gereist waren, um die dortigen Flüchtlinge und MigrantInnen zu unterstützen.

Zudem beteiligten sich am Sonntag einige Frauen der B4P-Gruppe an einem Treffen einer italienischen Frauengruppe und tunesischen Müttern bzw. Angehörigen von Verschwundenen, die u.a. zusammen eine Protestwoche in Tunis vorbereiteten.

 

Montag, 9. Juli: Protest der Mütter und Konferenz

Um 10 Uhr war vor dem Sozialministerium eine Kundgebung der Mütter von Verschwundenen angekündigt, und ein Teil der B4P-Gruppe unterstützte diesen Protest mit Transparenten und dem Verteilen unserer dazu passenden B4P-Flyer und Postkarten.

Gleichzeitig fand eine öffentlich angekündigte Konferenz mit dem Psychoclub über die EU-Migrationspolitik, deren Auswirkungen auf Länder wie Tunesien sowie zur Situation in den Lagern von Choucha statt. In einem zweiten Teil dieser Konferenz kamen bis zu 80 Leute – darunter rund 20 tunesische Interessierte – zu einer Versammlung zusammen, in der über Kämpfe und Widerstand gegen das Grenzregime berichtet und diskutiert wurde. Neben der Vorstellung von lokalen Protesten und einigen transnationalen Projekten und Kampagnen ging es auch um das Verständnis von Kämpfen: Ist allein der Umstand, ein Harraga („Grenzverbrenner“ = Bezeichnung für die klandestinen MigrantInnen) zu sein und damit ganz praktisch das Grenzregime zu unterwandern, nicht auch Kampf? Oder ist es eher Verzweiflung, sich „ins Meer zu stürzen“ und dabei womöglich zu sterben? Schließlich wurde die Frage einer gemeinsamen Kampagne zur Abschaffung der Visumspflicht im mediterranen Raum aufgeworfen sowie aus unterschiedlichen Positionen die von der tunesischen Regierung aktuell beabsichtigte Grenz“öffnung“ (Erleichterung der Reisefreiheit und kommunales Wahlrecht) innerhalb des Maghreb kommentiert. Beides konnte aus Zeitmangel zum Ende der Konferenz leider nicht weitergehend diskutiert werden.

 

Dienstag, 10. Juli: vertiefende Debatte und Premiere des Theaterstückes

Am frühen Morgen reiste eine Delegation aus unserer B4P-Gruppe ab in Richtung Choucha-Camp (Südtunesien).

 

Der andere Teil der Gruppe traf sich noch einmal mit dem Psychoclub. Die beiden Fragen am Ende der Konferenz vom Vortag, also zu einer möglichen Kampagne gegen das Visumsregime sowie die Positionen zur Grenzöffnung im Maghreb, wurden in einem kleineren Treffen nochmals aufgegriffen und vertieft. Praktisch stellt sich die Frage, wie eine Sensibilisierungskampagne aussehen könnte, und dass dafür neue kreative Aktionsformen zu entwickeln wären.

 

Am Abend hatte schließlich in einer Bar auf einem Dach in der Nähe der Kasbah das von einigen B4P-AktivistInnen aus Berlin vorbereitete Theaterstück Premiere. Mit einfachen Mitteln – und damit quasi überall aufführbar – wird die Geschichte von zwei Harragas vor dem Hintergrund der tunesischen Revolution nachgespielt.

Choucha-Delegation und Einladung von Flüchtlingen zum Forum nach Monastir (10.-12.7.)

Am 11. Juli 2012 fuhr eine Delegation von elf AktivistInnen aus neun afrikanischen und europäischen Ländern zum Flüchtlingslager Choucha an der tunesisch-libyschen Grenze, wo immer noch ca. 3000 Flüchtlinge und MigrantInnen, vor allem aus Subsahara-Afrika, am Rand der Wüste leben. Wir wollten acht VertreterInnen verschiedener Communities zum Forum zur Vorbereitung des Weltsozialforums 2013 in Monastir abholen.

Unsere Delegation wurde vom Militär daran gehindert das Lager zu betreten und wir erfuhren, dass der UNHCR das tunesische Verteidigungsministerium angerufen und dazu aufgefordert hatte. In den Medien wurde verkündet, dass das Lager nur mit Genehmigung dieses Ministeriums besucht werden dürfe. Wir erklärten den Soldaten, dass wir mit den Flüchtlingen reden wollten, die vor einigen Wochen durch das Forum offiziell eingeladen wurden, nach Monastir zu kommen, und dass wir hier seien, um ihren Transport zu organisieren. Wir wurden aufgefordert, die Namen dieser Flüchtlinge zu nennen, aber wir weigerten uns und riefen sie selbst an. Wir konnten die Flüchtlinge unter den Bäumen vor dem Camp treffen, aber einige von denen, die eingeladen wurden, konnten oder wollten (u.a. aus Angst vor Repressionen) nicht nach Monastir mitfahren. Nach einigen Diskussionen beschlossen acht Flüchtlinge, die verschiedenen Communities aus dem Lager Choucha in Monastir zu vertreten: zwei Frauen und ein Mann aus Äthiopien, Männer aus dem Tschad, Sudan, Darfur, Somalia und Bangladesch, fast alle von ihnen abgelehnte bzw. auf Resettlement wartende Asylsuchende. Zusammen mit einigen von ihnen schrieben wir eine Pressemitteilung über die Situation in Choucha, die Kämpfe und die Forderungen der Flüchtlinge. Auf dem Weg und während des Forums erzählten die Flüchtlinge ihre Geschichten und beschrieben die unerträglichen Zustände im Lager (Hitze über 40 °C, mangelnde Trinkwasserversorgung, Schlangen, Skorpione und katastrophale hygienische Bedingungen), die Verweigerung von Bewegungsfreiheit, auch in Tunesien, und die Angst vor Abschiebung. Sie baten uns dringend, sie zu unterstützen, eine Lösung für alle zu finden. Gemeinsam mit den Flüchtlingen, die nach dem Forum nach Choucha zurückkehren mussten, rufen wir dazu auf, Druck auf die Regierungen der europäischen Staaten einschließlich Deutschland zu machen, damit sie ihre Grenzen öffnen und Flüchtlinge aufnehmen. Lager wie Choucha müssen geschlossen werden und alle Menschen volle Bewegungsfreiheit erhalten!
Mehr dazu siehe http://www.afrique-europe-interact.net/index.php?article_id=730&clang=0

Station Monastir (12., 13. und 14. Juli 2012)

Donnerstag, 12.7.: Ankunft und Forums-Eröffnung

Die B4P-Reisegruppe ist am 11.7. von Tunis nach Monastir weitergezogen, um dort an dem Vorbereitungstreffen zum Weltsozialforum (WSF) teilzunehmen. Am frühen Abend begann die Eröffnungsveranstaltung des Forums. Ca. 500 TeilnehmerInnen, vor allem aus dem Maghreb, aus Subsahara-Afrika und aus Europa, kamen im Innenhof der alten Burg zusammen. Es gab Redebeiträge von unterschiedlichen VertreterInnen aus dem Sozialforumsprozess sowie aus sozialen Bewegungen und Gewerkschaften Tunesiens, danach folgte ein Konzert. Für B4P hatten wir Transparente aufgehängt und einen Infostand aufgebaut und unser Material fand viel Interesse. Im Gesamtprogramm des nächsten Tages war Migration und B4P eines der wesentlichen inhaltlichen Themen.

Freitag, 13.7.: Versammlung, Arbeitsgruppen und zentrale Hafenaktion zu Migration

Das detaillierte Migrations-Programm mit Plenum und Arbeitsgruppen findet sich auf der Webseite www.boats4people.org. An der Auftaktversammlung nahmen über 200 Leute teil. Nach der Vorstellung des B4P-Projektes gab es u.a. einen Bericht zu einer aktuellen Delegationsreise nach Libyen, wo Flüchtlinge und MigrantInnen erneut in großen Lagern unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt sind. Offensichtlich übernimmt die neue Regierung in Zusammenarbeit mit den bewaffneten Milizen die Wachhundrolle, die das Gaddafi-Regime im Interesse und mit finanzieller Unterstützung der EU gegenüber der Migration eingenommen hatte. Zwei Mütter von toten und verschwundenen Harragas kamen anschließend zu Wort und forderten nicht nur Wiedergutmachung und Aufklärung, sondern auch die Abschaffung des tödlichen Visumsregimes. Schließlich berichtete ein Vertreter der Flüchtlingsdelegation aus Choucha von der nach wie vor unerträglichen Situation in diesem Lager.

Drei Arbeitsgruppen folgten am Nachmittag:

Zum Workshop über die Toten und Verschwundenen an den Grenzen kamen ca. 60 TeilnehmerInnen, es wurden sieben Projekte aus verschiedenen Ländern (u.a. in Tunesien, Algerien, Mali, Griechenland, USA-Mexiko) vorgestellt. Ein Austausch der Projekte, der jeweiligen Erfahrungen und auch Probleme, war sehr inspirierend, es wurde eine erste Grundlage für gemeinsame Forderungen und Aktivitäten geschaffen. Zum 18.12.2012 – dem internationalen Tag der Rechte der MigrantInnen – soll das Thema der Verschwundenen und Toten an den Grenzen auf globaler Ebene zum Schwerpunkt gemacht werden.

Im zweiten Workshop überMigration im Maghreb stand das Flüchtlingslager Choucha im Mittelpunkt und es wurde die vorgeschlagene Presseerklärung (s.o.) um einige Forderungen ergänzt und verabschiedet. Außerdem wurde über die weiterhin dramatische Situation von TransitmigrantInnen in Marokko, Algerien und Tunesien und ihre Organisierungsversuche berichtet und zu einem Migrationsforum am 6./7.10.12 in Oujda/Marokko eingeladen.

In der dritten Arbeitsgruppe wurde über die Forderung nach globalerBewegungsfreiheit diskutiert und über mögliche weitere Mobilisierungen und Kampagnen in Tunesien beraten. Unter anderem gibt es den Vorschlag für eine Karawane für das Recht auf Migration durch mehrere tunesische Städte (siehe unten).

Auf einem Abschlussplenum wurden diese Ergebnisse der Arbeitsgruppen zusammengetragen.

Dass B4P im Rahmen des Treffens des Forums einen hohen Stellenwert hatte, kam auch dadurch zum Ausdruck, dass zur zentralen B4P-Aktion im kleinen Hafen von Ksibet el Mediouni, einem Nachbarort von Monastir, in gecharterten Bussen mehrere hundert TeilnehmerInnen fahren konnten. Allerdings nahm die Aktion selbst teilweise einen unglücklichen Verlauf: Das B4P-Boot Oloferne lief schon weit abseits des Hafens auf Grund, die Ankunft der B4P-Delegation erfolgte deshalb allein in den begleitenden Fischerbooten. Und wegen starkem Wind konnte nur ein sehr kleiner Teil der vorbereiteten Feuerballons eingesetzt werden. Geplant war, dass mehrere hundert solcher Leuchtzeichen zum Gedenken an die Opfer des Grenzregimes an der Küste losfliegen sollten. Dafür gab es bei Ankunft der Fischerboote eine beeindruckende künstlerische Performance, indem mehrere nackte Menschen mit (blut)roter Farbe bemalt am Pier in Hockstellung saßen. Eine Pressekonferenz fand statt und die Banderole mit der Liste der Toten des EU-Grenzregimes wurde erneut ausgerollt und einige der Namen verlesen.

Samstag, 14. 7.: perspektivische Arbeitstreffen mit Watch the Med und Psycho-Club

Während das B4P-Boot Oloferne sich für die letzte Etappe nach Lampedusa vorbereitete, hat unsere transnationale Reisegruppe – an dem für viele TeilnehmerInnen letzten Tag vor der Heimreise – noch zwei perspektivische Arbeitstreffen veranstaltet.

Zum einen gab es ein Treffen mit Lorenzo Pezzani und Charles Heller, den Gründern von Watch-the-Med („Beobachtet das Mittelmeer“ – siehe https://watchthemed.crowdmap.com/). Hintergrund und Idee sowie die ersten Schritte zur Realisierung dieses interaktiven Kartenprojektes wurden vorgestellt es wurde über die unterschiedlichen Elemente und Potentiale, u.a. zur Meldung von Booten in Seenot, diskutiert. Deutlich wurde, dass mit diesem Projekt die bislang eher symbolisch-mediale Intervention von B4P überschritten werden kann. In den kommenden Wochen sollen unterschiedliche Akteure angesprochen und gewonnen werden, zur Umsetzung des Projektes beizutragen.

Zum zweiten gab es ein (Abschluss-)Treffen mit den Mitgliedern des Psycho-Clubbezüglich weiterer Aktivitäten in Tunesien. Ausgehend von der Arbeitsgruppe des Vortages wurde der Vorschlag für eine Karawane für Bewegungsfreiheit konkretisiert. Denkbar wäre zunächst eine kleinere Infotour mit einem Bus, um mit diesen praktischen Erfahrungen dann 2013 eine zweite, größere Karawane zu starten. Das Recht auf Migration soll inhaltlich im Mittelpunkt stehen, MigrantInnen und Angehörige von verschwundenen Harragas von Beginn an beteiligt sein. Ob dieser Vorschlag als Folgeprojekt und im Rahmen von B4P stehen soll oder zu einer eigenständigen Initiative wird, soll in den Auswertungs- und Perspektiventreffen von B4P diskutiert werden.

Weitere Informationen, Berichte, interessante Fragmente und Fotos:
https://archiv.ffm-online.org
und in vielen Sprachen:
www.boats4people.org

10. August 2012 · Kommentare deaktiviert für Tunesien: Sozialer Unmut, Frauenbewegung und Gewerkschaften gemeinsam auf der Straße · Kategorien: Tunesien · Tags: , ,

Erstmals seit dem Aufstand gegen Ben Ali und dem Sturz der ersten Übergangsregierungen Anfang 2011 verbünden sich soziale Unruhen, Frauengruppen und Gewerkschaften auf der Straße. Die Gewerkschaftsspitze hatte in den letzten Monaten mehrfach einen Burgfrieden mit der Regierung gesucht, und Frauengruppen hatten zuvor sichtbar getrennt von den wütenden Protesten der Armen demonstriert.

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10. August 2012 · Kommentare deaktiviert für Griechenlands Abschiebeknäste in der Evros-Region · Kategorien: Griechenland

Die wohl ausführlichste Dokumentation (96 Seiten!) zur Situation in den Knästen der Evros-Region an der türkisch-griechischen Grenze, die es bislang gibt:

Published on April 12, 2012
PRO ASYL Foundation and Friends of PRO ASYL in co-operation with the Greek Council for Refugees and Infomobile/Welcome to Europe
*Accounts from the Inside: The Detention Centres of Evros*
Obviously, Europe’s main concern is the creation of »walls« in order to hinder or to prevent the access to its territory. Physical walls like the fence, the moat and border controls in Evros but also invisible walls that are constituted by the lack of protection to those in need, rights denials, systematic detention, detention and living conditions violating human dignity, Readmission Agreements and the Dublin II Regulation. The effects of these heightening walls have their most tragic face in the many lost and dead at border. This is why we chose to speak about walls of shame in this report.

http://infomobile.w2eu.net/2012/04/12/walls-of-shame/