10. August 2012 · Kommentare deaktiviert für Tunesien: Sozialer Unmut, Frauenbewegung und Gewerkschaften gemeinsam auf der Straße · Kategorien: Tunesien · Tags: , ,

Erstmals seit dem Aufstand gegen Ben Ali und dem Sturz der ersten Übergangsregierungen Anfang 2011 verbünden sich soziale Unruhen, Frauengruppen und Gewerkschaften auf der Straße. Die Gewerkschaftsspitze hatte in den letzten Monaten mehrfach einen Burgfrieden mit der Regierung gesucht, und Frauengruppen hatten zuvor sichtbar getrennt von den wütenden Protesten der Armen demonstriert.

Das Ziel der verschiedenen Proteste vereinigt sich nun gegen die Ennahda-Regierung. Die offene Repression gegen – in den Medien undokumentierten – Sti-Ins, Straßenblockaden und Riots, die Freiheitseinschränkungen gegenüber Frauen und der wirtschaftsliberale Kurs bringen die unterschiedlichen Strömungen zusammen auf die Straße.

Am 09.08.2012 zog eine Demontration durch Sidi Bouzid, dem Ausgangspunkt der tunesischen Revolution. Es gab Transparente, selbstgemalte hochgehaltene Schilder, es beteiligten sic Jugendliche der Armenviertel, Gewerkschaftsaktivisten und Frauengruppe. Die anhaltende Arbeitslosigkeit, die Repression und die Missachtung der sozialen Ziele der Revolution waren Thema. Auch Journalisten waren anwesend. Als die Demonstration den Gouverneurssitz erreichte und die Absetzung des Ennahda-Gouverneurs verlangte, rückte die Polizei an, schoss mit Gummigeschossen und mit Tränengas, mehrere verletzte Demonstranten mussten ins Krankenhaus gebracht werden. – Auch ein Sit-In am Abend vor dem Gouverneurssitz löste die Polizei mit Gewalt auf.

Ebenfalls aus der Wirtschaftsmetropole Sfax wurden Zusammenstöße mit der Polizei gemeldet.

In Tunis soll am 13.08.2012, am landesweiten Tag des „Festes der Frau“, eine Demonstration auf der zentralen Avenue Habib Bourguiba stattfinden. Angesichts anhaltender frauenfeindlicher Praxis der Polizei, angesichts frauenfeindlicher Vorschläge für die neue Verfassung des Landes, angesichts der anhaltenden herrschenden Denunzierung alleinerziehender Mütter hat der Protest an Schärfe gewonnen.

Der tunesische Innenminister Ali Laarayedh hat die beabsichtige Demonstration für die Rechte der Frauen auf der Av. Habib Bourguiba verboten und Nebenstrecken angeboten.Mit dem seit Monaten anhaltenden und jetzt erneuerten Demonstrationsverbot auf der Av. Habib Bourguiba ruft er nun die gesamte Opposition auf den Plan. Insbesondere die UGTT sah sich vor dem 1. Mai von einem dort drohenden Demonstrationsverbot betroffen und mobilisiert jetzt ebenfalls.

Auch BloggerInnen werden sich den Protesten anschließen. Einige von ihnen, die im revolutionären Aufstand bekannt wurden, haben in den letzten Wochen polizeiliche Übergriffe erlebt. Die Polizei verhaftete sogar einen bekannten Aktivisten aus fadenscheinigen Gründen – die alte politische Polizei ist weiterhin am Leben.

Besonderen Unmut ruft hervor, dass sich die Regierung mit dem alten Repressionsapparat offensichtlich arrangiert und die wachsenden Proteste als von der Ben-Ali-Partei RCD ferngesteuert bezeichnet.

Helmut Dietrich

siehe:

http://nawaat.org/portail/2012/08/09/%D8%B3%D9%8A%D8%AF%D9%8A-%D8%A8%D9%88%D8%B2%D9%8A%D8%AF-%D9%85%D8%B8%D8%A7%D9%87%D8%B1%D8%A9-%D8%B6%D8%AF-%D8%A7%D9%84%D9%88%D8%A7%D9%84%D9%8A-%D9%88-%D8%A7%D9%84%D8%A8%D9%88%D9%84%D9%8A%D8%B3-%D9%8A/

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