DW | 01.05.18
Der Tschad bekommt eine neue Verfassung: Sie räumt dem Präsidenten die absolute Alleinherrschaft ein. Doch obwohl das alles andere als demokratisch ist, drückt der Westen beide Augen zu, meint Dirke Köpp.
Der tschadische Präsident Idriss Déby Itno hat sich am Montag im übertragenen Sinn zum Kaiser krönen lassen: Nach dem Votum der Abgeordneten für die neue Verfassung verfügt er über nahezu uneingeschränkte Macht in seinem Land. Er ist wie ein Kaiser, der niemandem mehr Rechenschaft schuldig ist und den niemand absetzen kann. Er ist Staatsoberhaupt, Regierungschef und Militärchef in einem.
Der Staat als One-Man-Show
Die neue Verfassung sieht weder einen Vize-Präsidenten noch einen Premierminister vor, der Präsident hat die alleinige Entscheidungsgewalt, er kann das Parlament auflösen, wenn ihm dessen Entscheidungen oder Mehrheiten nicht genehm sind. Eine One-Man-Show. Demokratisch ist das nicht. Und im Tschad besonders schlimm, da Präsident Déby alles andere als ein lupenreiner Demokrat ist. Vielmehr bringt er kritische Stimmen mit Repression oder Einbindung in das Kartell der Macht zum Schweigen. Auch die friedlichen Proteste gegen die Abstimmung im Parlament am Montag waren von zahlreichen Festnahmen begleitet.
Seinen westlichen Partner sehen in Déby in erster Linie einen verlässlichen Partner im Kampf gegen den Terror und drücken bei Repression im Tschad meist beide Augen fest zu. Doch selbst ihnen hat er Sand in die Augen gestreut: Denn auf dem Papier reduziert die neue Verfassung die Zahl der präsidialen Amtszeiten auf nur noch zwei; zuvor konnte ein Präsident so oft antreten, wie er wollte. Das klingt nach einem richtigen Schritt in Richtung Demokratie – gerade in Afrika, wo Langzeit-Herrscher viele Staaten prägen. Zu oft schon haben afrikanische Staatschefs diese Modalität genutzt, um wieder und wieder bei Wahlen anzutreten. Es hat also den Anschein, als wolle Déby als Kämpfer für die Demokratie nach westlichen Standards in die richtige Richtung marschieren.
Doch parallel zur Reduzierung der präsidialen Mandate wurde die Dauer einer Amtszeit von fünf auf sechs Jahre erhöht. Und Präsident Déby interpretiert die neue Verfassung natürlich ausschließlich zu seinen Gunsten: Wenn seine laufende Amtszeit 2021 abgelaufen ist, beginnt die Zählung entsprechend der neuen Verfassung: Er kann sich also noch zweimal bewerben und so (im Fall einer Wiederwahl) für zwölf weitere Jahre im Amt bleiben. Erst 2033 müsste er unwiderruflich abtreten. Dann wäre er 81 Jahre alt und seit 43 Jahren Präsident des Tschad. Amtszeit-Begrenzung ja oder nein – für Präsident Déby persönlich macht das also gar keinen Unterschied. Auch das hat mit Demokratie und Meinungsvielfalt wenig zu tun.
Das Volk hat es angeblich gewollt
Die Regierung sagt zwar, das Volk habe die neue Verfassung gewollt und bezieht sich dabei auf eine sogenannte „Nationalkonferenz“ vom März. Was sie aber nicht sagt, ist, dass kritische Stimmen bei dieser Konferenz nicht zugelassen waren. In der Folge hatten Opposition und große Teile der Zivilgesellschaft die Konferenz boykottiert. Auch den Vorschlag der katholischen Bischöfe des Landes, das Volk per Referendum über die Änderungen abstimmen zu lassen, wurde von der Regierung abgelehnt. Kein Wunder: Im Parlament hat sie die absolute Mehrheit. Noch. Denn im November sollen die seit 2015 immer wieder verschobenen Parlamentswahlen stattfinden.
Doch der Ausgang dieser Wahl muss sich Déby trotz der vielen kritischen Stimmen in seinem Land ja nun keine Sorgen mehr machen: Denn wenn ihm das Parlament nicht gefällt, kann er es dank der neuen Verfassung ja dann einfach wieder auflösen. Schade, dass das alles in den westlichen Hauptstädten keine Rolle zu scheinen spielt bei der Zusammenarbeit mit dem obersten Terror-Bekämpfer Afrikas.