18. Januar 2018 · Kommentare deaktiviert für Auf der Gefängnisinsel Lesbos – Unterstützung für Entrechtete · Kategorien: Griechenland, Schengen Migration · Tags: , , ,

Von Valeria Hänsel

Schon seit 20 Monaten sitzen Menschen auf der Insel Lesbos fest. Sie leben in Lagern hinter Stacheldraht, dicht gedrängt in Wohncontainern oder in notdürftig abgedeckten Campingzelten.

Sie harren aus, im strömenden Regen, bei Schnee und brütender Hitze. Seit dem EU-Türkei Deal dürfen viele Menschen, die auf der Suche nach Schutz und einem besseren Leben nach Europa kamen, die griechischen Inseln nicht mehr verlassen. Einige von ihnen sitzen in Gefängnissen und warten auf ihre Abschiebung, weil ihr Asylantrag entweder abgelehnt oder als „unzulässig“ für die Asylprüfung eingestuft wurden. Andere Asylsuchende werden von der griechischen Polizei pauschal aufgrund ihrer Nationalität inhaftiert.1

Einige Menschen treibt die Situation in die Verzweiflung und sie stimmen schließlich der sogenannten „freiwilligen Rückkehr“ zu. Danach werden sie festgenommen und in Handschellen in ein Abschiebe-Gefängnis auf das griechische Festland transportiert. Seit Einführung des Programms zur „freiwilligen Rückkehr“ bis September 2017, wurden 10.029 Menschen von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) auf diese Weise aus Griechenland abgeschoben.2

„Alle Afrikaner lügen“?

In Folge des EU-Türkei Deals wurde auf den griechischen Inseln eine sogenannte Fast-Track Border Procedure eingeführt. Nach Einschätzung des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte mangelt es im Asylverfahren an „grundlegenden Standards der Fairness“.3 Dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylanfragen (EASO), das maßgeblich in die Entscheidung der Asylanträge involviert ist, wurde wiederholt Rassismus vorgeworfen. Laut Aussagen des Anwalts-Kollektivs „Legal Centre Lesbos“ äußerte ein Beamter der Organisation kürzlich: „Alle Afrikaner lügen.“4

Die Chancen, Asyl zu bekommen, sind seit Einführung des Schnellverfahrens minimal und Menschen bestimmter Nationalitäten werden flächendeckend abgelehnt und in die Türkei abgeschoben, wo alle nicht-Syrer*innen erneut im Gefängnis landen.5 Die Chancen für Algerier*innen, Asyl zu bekommen lagen nach Abschluss des Deals bei nur 1,3%, für Pakistaner*innen bei 2,4%.6

Wer gegen die Ablehnung des Asylantrags in Berufung ging, hat bis Juni 2016 in 97,9% der Fälle Recht bekommen. Doch dies änderte sich schlagartig, als das Berufungs-Komitee auf Druck der Europäischen Union ausgetauscht wurde. Die Chancen in erster Instanz Recht zu bekommen sind inzwischen auf unter 1% gesunken.7

Kein Recht zu bleiben? Unterstützung für Ibrahim!

Einer der Betroffenen ist Ibrahim aus Pakistan (Name geändert). Seit über einem Jahr befindet er sich auf Lesbos. Aufgrund der katastrophalen Lebensbedingungen auf der Insel und den verschwindend geringen Chancen auf Asyl entschied er sich für die sogenannte „freiwillige Rückkehr“. Er wurde in der Folge monatelang auf dem griechischen Festland inhaftiert und wartete im Gefängnis auf seine Ausreise – doch Pakistan wollte ihn nicht zurücknehmen und er wurde zurück nach Lesbos gebracht, wo er über Monate solidarisch mit der No Border Kitchen arbeitete und für andere Geflüchtete kochte.

Nun wurde Ibrahims Asylantrag unter der unfairen Fast-track Border Procedure des EU-Türkei Deals abgelehnt und sein Berufungsverfahren in erster Instanz ebenso.

Ibrahim soll nun in die Türkei abgeschoben werden. Dort wird er erneut inhaftiert – bis zu zwölf Monate. Dann werden die meisten Menschen von der Türkei in ihr Herkunftsland abgeschoben. Doch Pakistan will Ibrahim nicht zurücknehmen, vielleicht muss er also noch länger in den katastrophalen Zuständen der türkischen Abschiebegefängnisse ausharren.

Dies muss verhindert werden! Ibrahim will die Entscheidung erneut anfechten, vor dem griechischen Verwaltungsgericht – ein Verfahren, das ihn 800 Euro kosten wird. Hinzu kommen Anwaltskosten von ca. 1000 Euro. Ohne finanzielle Unterstützung kann Ibrahim nicht in Berufung gehen. Um ihn vor der Abschiebung zu bewahren, sammelt ein Freund Spenden:

Marian Borschel
IBAN: DE79 4306 0967 4081 2193 00
Verwendungsweck: Lawyer Badshah

(Sollte mehr Geld als notwendig für den Prozess gesammelt werden, wird es zur Finanzierung für den Rechtsbeistand weiterer Menschen verwendet.)

Freiheit für die „Moria 35“!

In den Gefängnissen und in den Lagern auf den griechischen Inseln sind viele Menschen massiver Polizeigewalt ausgesetzt – insbesondere, wenn sie die menschenunwürdigen Zustände nicht hinnehmen, sich organisieren und für ihre Rechte eintreten.

Ein Fall von Polizeigewalt und juristischer Willkür sticht heraus, an Brutalität und Skrupellosigkeit:

Am 17. Juli 2017 starteten Asylsuchende auf Lesbos friedliche Demonstrationen und einen Sitzstreik vor dem „Europäischen Unterstützungsbüro für Asylanfragen“ im Lager Moria auf der Insel Lesbos. Sie forderten, dass alle Menschen, die länger als sechs Monate im Lager festgehalten wurden, auf das griechische Festland weiterziehen können.

Die Polizei schlug die Proteste brutal nieder, zahlreiche Menschen mussten mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden, andere wurden auf der Basis von racial profiling festgenommen. Videos zeigen, wie am Boden liegende Menschen mit Schlagstöcken zusammengeschlagen werden8 und Polizisten Steine auf die Demonstrant*innen werfen.9 Amnesty International sammelte in einem schockierenden Bericht Aussagen von Betroffenen der Gewalt.10

35 der festgenommenen Personen wurden vor Gericht gestellt, obwohl einige von ihnen noch nicht einmal an den friedlichen Demonstrationen beteiligt waren. Seit Juli sind sie inhaftiert und erwarten nun ihre Strafprozesse. Eine Verurteilung kann zum Abbruch ihres Asylverfahrens und zu jahrelangen Gefängnisstrafen führen.

MitarbeiterInnen des Legal Centres Lesbos, die als Freiwillige unbezahlt auf Lesbos arbeiten, haben nicht locker gelassen, bis sie die Festgenommenen in verschiedenen Gefängnissen Griechenlands wiederfanden.11

Sie verhinderten so, dass die Inhaftierten verteidigungslos verurteilt und abgeschoben werden.

Die Verfahren der „Moria 35“ beginnen. Es werden politische Schauprozesse, die geflüchteten Menschen ein für alle Mal klar machen sollen: Wer Widerstand leistet und sich für seine Rechte einsetzt, wird geschlagen, inhaftiert und abgeschoben.

Das Legal Centre Lesbos kämpft dagegen und sammelt in einem Crowdfunding Spenden, um den Betroffenen griechische Anwält*innen zu finanzieren. Unterstützt die „Moria 35“!

Spenden möglich auf der Internetseite des „Legal Center Lesbos“ unter dem Stichwort: Crowdfunding. Help us defend 35 refugees denied of their human rights.

 

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