10. Januar 2018 · Kommentare deaktiviert für „Brotrevolte in der ehemaligen Kornkammer“ · Kategorien: Sudan · Tags:

NZZ | 09.01.2018

Die Bevölkerung protestiert in mehreren Landesteilen des Sudans gegen eine Verdoppelung des Brotpreises. Das Regime von Omar al-Bashir reagiert mit Repression.

David Signer, Dakar

Seit vier Tagen protestieren Sudanesen gegen eine Verdoppelung der Brotpreise im Land. Das Regime des international geächteten Diktators Omar al-Bashir versucht die Demonstrationen vor allem mit Polizeieinsätzen und Tränengas aufzulösen, bis jetzt ohne grossen Erfolg. Nachdem die Unruhen am Samstag in der Krisenregion Darfur und im Teilstaat Blue Nile begonnen hatten, griffen sie am Sonntag auch auf die Hauptstadt Khartum über. Dort bewarfen Studenten die Sicherheitskräfte mit Steinen. In Geneina, der Hauptstadt der Provinz West-Darfur, wurde ein Student bei den Protesten vom Sonntag getötet. Ebenfalls am Sonntag konfiszierten Vertreter des allgegenwärtigen Geheimdienstes sämtliche Exemplare von sechs Tageszeitungen, die die Erhöhung des Brotpreises thematisiert hatten. Mehrere Vertreter der Opposition wurden verhaftet.

Loyal zum Regime dank Geld

Bereits 2013 war es im Sudan zu Aufständen gekommen, nachdem die Regierung die Treibstoffsubventionen gekürzt hatte. Die Unterdrückung der Unruhen kostete Dutzende von Menschenleben. 2016 wiederholte sich das Szenario. Das Regime in Khartum leidet unter Geld- und insbesondere Devisenmangel, vor allem seit der Unabhängigkeit des Südsudans im Jahr 2011. Mit der Abspaltung verlor der Sudan drei Viertel seiner Erdölvorkommen. Jahrelang konnte sich das islamistische Regime von Bashir, der 1989 durch einen Militärcoup an die Macht gekommen war, dank den Erdöleinnahmen ein ausgeklügeltes Patronage-System leisten. Da diese Renten jetzt zunehmend dünner werden, bröckelt auch die Loyalität, und das ganze klientelistische Kartenhaus droht einzustürzen.

Sudan galt lange als international isolierter Paria-Staat. Wegen der Greueltaten in Darfur besteht gegen Bashir ein internationaler Strafbefehl, und die USA verhängten seit 1997 ein Embargo gegen das Land wegen seiner Unterstützung von Terroristen. Einige der wirtschaftlichen Sanktionen wurden letzten Oktober aufgehoben, aber insbesondere internationale Banken nehmen erst zögerlich Geschäftsbeziehungen mit dem Wüstenstaat auf. Das Land leidet unter einer galoppierenden Inflation von 37 Prozent. Der Unterschied zwischen dem offiziellen Wechselkurs und der tatsächlichen Entwertung des Sudanesischen Pfunds ist auch daran erkennbar, dass man auf den Schwarzmarkt fast vier Mal mehr für einen Dollar bekommt als bei den Banken.

Zur Erhöhung des Brotpreises war es gekommen, weil die sudanesische Regierung den Getreideimport deregulierte und privatisierte. Brot ist ein Grundnahrungsmittel im Sudan, die plötzliche Verdoppelung des Preises ist vor allem für die Ärmsten existenziell. Auch das Ansteigen des Benzinpreises trifft nicht nur die Autofahrer, sondern führt wegen der erhöhten Transportkosten zu einer allgemeinen Teuerung.

Die Brotverteuerung als Auslöser

Es ist allerdings offensichtlich, dass der Brotpreis auch der Tropfen ist, der das Fass des Unmuts zum Überlaufen bringt. Insbesondere für die vielen Studenten unter den Demonstranten sind die gesteigerten Lebenskosten ein konkreter Anlass, um gegen das marode System an sich zu protestieren. Es ist genau dieser Katalysatoreffekt, den das Regime fürchtet. Vor zehn Jahren war es in vielen afrikanischen und arabischen Ländern zu Brotaufständen gekommen, die einige Regierungen arg in Bedrängnis brachten. Dabei galt der Sudan dank dem fruchtbaren Land entlang des Nils früher einmal als Kornkammer des Nahen Osten. Staatliche Misswirtschaft führte zu einem Rückgang der Produktivität und zum Niedergang der Agrikultur.

Die Bashir-Regierung mag von aussen als kompakter Block erscheinen, aber selbst hier gibt es nebst Betonköpfen auch progressive Kräfte. Gerade die wachsende Finanznot des Regimes kann entweder zu noch mehr Isolationismus führen, oder aber zu einer Öffnung, weil sich der bisherige Klientelismus nicht mehr finanzieren lässt und die Unterstützung der nationalen Elite anders als mit Posten, Pfründen und Renten gewonnen werden muss. Der Umgang mit der aktuellen Revolte ist auch ein Lackmustest, ob der Regierung andere Mittel als Gewalt und Geld zur Verfügung stehen im Umgang mit Konflikten.

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