31. Oktober 2016 · Kommentare deaktiviert für „Zeltlager von Flüchtlingen: Im „Dschungel“ von Paris“ · Kategorien: Frankreich

Quelle: ARD Tagesschau

Der „Dschungel“ von Calais ist geräumt, weitere illegale Flüchtlingslager soll es in Frankreich nicht mehr geben, kündigte Präsident Hollande an. In den illegalen Camps in Paris dürften Hollandes Worte auf Skepsis stoßen. Ein Ortsbesuch.

Von Barbara Kostolnik, ARD-Studio Paris

Es gibt angenehmere Möglichkeiten, in Paris zu übernachten, als unter der Hochbahn der Metro, direkt an einer wild verzweigten Straßenkreuzung. Zelt an Zelt reiht sich am Straßenrand, es riecht streng, die wenigen Dixi-Klos haben den Geist aufgegeben. Passanten bleiben trotzdem stehen und fotografieren das Elend. „Ich wollte diese trostlose Seite von Paris ablichten“, sagt eine Frau. „Die Pariser Bürgermeisterin, Anne Hidalgo, beklagt sich immer, dass keine Touristen mehr in die Stadt kommen. Aber würden Sie kommen und so etwas besichtigen wollen?“

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An der Avenue de Flandres in Paris stehen etliche Zelte von Flüchtlingen.

Es ist in der Tat ein Bild, das Paris von seiner scheußlichen Seite zeigt. Die Menschen, hauptsächlich junge Männer aus Afghanistan, dem Sudan oder Eritrea sitzen auf abgewetzten Matratzen. Hilfsorganisationen sind vor Ort und informieren, so gut sie können: „Wir klären sie über ihre Rechte auf und zeigen ihnen, wo sie medizinische Hilfe bekommen, wenn sie welche brauchen“, berichtet eine Helferin. Um sie herum haben sich schnell etwa zehn Afghanen geschart, auch Asmad ist da. Er lebt in Paris. „Ich bin gerade erst angekommen, ich habe die Zelte gesehen und bin hingegangen. Hier sind nur Afghanen“, erzählt er.

Keiner kommt aus Calais

Kommen die Menschen aus Calais? Asmad übersetzt schnell. „Nein, sie sagen, dass keiner aus Calais kommt, sie kommen direkt aus Afghanistan, vorher sind viele nach Calais gegangen, aber jetzt gibt es das Lager dort nicht mehr, also kommen sie hierher.“
Hier bekommen sie immerhin etwas zu essen – zum Beispiel von der Cité de la Miséricorde, einer Organisation, die extra aus den Pariser Vororten kommt und Essen und Hygiene-Artikel verteilt, in rosafarbenen Plastiktüten. „Sandwich, Apfel, Wasser, Kekse, Seife – alles, was man eben so braucht“, sagt einer der Helfer. Die Schlange der Bedürftigen ist lang, sie warten geduldig, bis sie an der Reihe sind.

Kein neues Problem in Paris

Yann von der Flüchtlingshilfe der Universität Sciences Po steht daneben. Er beobachtet seit langem die Situation in diesem Teil von Paris. „Das ist nicht neu. Es ist nicht so, dass jetzt plötzlich alle in Paris sind, weil es Calais nicht mehr gibt. Dieses Problem haben wir seit zwei Jahren.“

Eine Lösung ist aber auch hier nicht in Sicht – zwar kündigte Bürgermeisterin Hidalgo an, ein Notaufnahmezentrum in Paris einzurichten, aber die Eröffnung wird immer wieder verschoben. Und natürlich gibt es definitiv nicht genug Plätze – selbst nicht für diejenigen, die in Frankreich Asyl beantragt haben.

„Zelte? Was für Zelte?“

„Man könnte sie einfach in einige dieser riesigen leerstehenden Wohnungen im noblen 16. Arrondissement unterbringen, da wäre Platz“, schlägt ein Mann vor, der auf einer der Café-Terrassen mit direktem Blick auf die Metro-Station Jaurès sitzt. Ihn störe das hier nicht, meint er achselzuckend. Und der Kellner weigert sich schlicht, der Realität ins Auge zu schauen: „Zelte, was für Zelte? Ich sehe hier keine Zelte, die sind weiter hinten. Ich hoffe, dass sie sich nicht bis hierher ausbreiten.“

Diese Hoffnung könnte sich schon bald erfüllen. Frankreichs Regierung kündigte an, keine weiteren illegalen Lager mehr dulden zu wollen, die Räumung der Pariser Camps wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.

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