24. September 2016 · Kommentare deaktiviert für „Neue Flüchtlingswelle erwartet: Wie ist die Lage an der Balkan-Route?“ · Kategorien: Balkanroute, Europa

Quelle: ARD Tagesschau

Seit ihrer faktischen Schließung ist es in den Medien ruhig um die Balkan-Route geworden – viele der Probleme sind jedoch geblieben: Tausende Flüchtlinge sind dort auf ihrem Weg gestrandet.

Von Clemens Verenkotte, ARD-Studio Wien

Mazedonien – der Ausgangspunkt der Balkon-Route. Der Anwalt Zoran Rankovski kümmert sich Flüchtlinge in dem Transitzentrum Gevgeliaj im Süden des Landes, das zweite Transitzentrum befindet sich im Norden an der Grenze zu Serbien. „Diese Zentren sind nur für kurze Aufenthalte gedacht und nicht für längere. Inzwischen gibt es dort Menschen, die leider schon über vier Monate dort festsitzen“, sagt er.

Seit Anfang März hat Mazedonien die Grenze zu Griechenland geschlossen und den Grenzzaun verstärkt. 2000 Menschen, die illegal über die Grenze gekommen waren, seien wieder nach Griechenland abgeschoben, so Rankowski . Seit Neuesten gebe es Metalldetektoren und Migranten werden erkennungsdienstlich erfasst.

Vorwürfe vom US-Menschenrechtskommissar

Mazedonien betriebe, so sagte Ende dieser Woche der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raed al Hussein, „eine systematische Politik der Vertreibung und Internierung“. Knapp 200 Menschen befänden sich seit Monaten schon in den Lagern, ohne dass die individuellen Fälle der gestrandeten Flüchtlinge geprüft worden seien.

Dejan Ipkovski, Leiter der Erstaufnahmelager, weist Kritik an den Zuständen in seinen Einrichtungen zurück, denn die EU-Hilfsgelder seien direkt an das mazedonische Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen gegangen, und nicht an staatliche Stellen: „Jeder, der wollte, durfte hier Nahrung und Kleidung in Gevgeliaj und Tabanovce austeilen. Die haben aber auch die Spenden in Höhe von einigen Hunderttausend Euro bekommen. Nur wir als die zuständige Behörde haben Schwierigkeiten gehabt, Gelder zu erhalten, um die Rechnungen für den Strom und die Reinigungskräfte bezahlen zu können.“

Anstieg der Flüchtlingszahlen erwartet

Mit Sorgen blicken mazedonische Flüchtlings-NGOs auf die kommenden Wochen. Jasmin Rexhepi von LEGIS, die seit mehreren Jahren zu den wichtigsten, privaten Hilfsorganisationen in Mazedonien zählt, rechnet mit einem Anstieg, denn „in letzter Zeit ist die Anzahl der Flüchtlinge, die von der Türkei mit den Booten nach Griechenland kommen, gestiegen – von etwa 30 Personen pro Tag auf einige Hundert. Wir erwarten, dass uns bereits im Oktober eine neue Flüchtlingswelle erreicht.“

Weiter nördlich entlang der Balkan-Route, in Serbien, ist die Lage bereits kritisch: Schätzungsweise 7000 Migranten gibt es im Land, zu über 80 Prozent von ihnen seien Afghanen, so Ministerpräsident Aleksandar Vucic. Die meisten von ihnen seien in den letzten Monaten über Bulgarien nach Serbien gekommen.

Druck auf Serbien steigt

An der Nordgrenze lässt Ungarn über zwei Übergänge nur rund 30 Menschen täglich ins Land. Serbiens Regierungschef, der bislang noch kritisch gegenüber den mit Stahldraht umfassten Grenzsicherungen seines ungarischen Amtskollegen Viktor Orban eingestellt ist, steht unter Druck.

Gegenüber dem serbischen TV-Sender B92 umriss Vucic seine Erwartungen an die Wiener Flüchtlingskonferenz so: „Wir müssen dort zu Lösungen kommen, damit wir wissen, was wir zu tun haben. Das wird unsere Verpflichtung sein. Wenn wir keine Lösung erreichen, werden wir selbst Maßnahmen treffen.“ Die Ankündigung zusätzlicher Zäune mache ihm Sorgen. „Das war nicht die Politik Serbiens und ich wollte da nicht mitmachen.“

Er fürchte nur, dass einige seiner Mitarbeiter, Innenminister Nebojsa Stefanovic und Arbeitsminister Aleksandar Vulin, Recht hätten, so Vucic. „Ich will mich aber einfach nicht daran beteiligen und halte fest an meinem Standpunkt. Meiner Meinung nach stellen die Zäune keine Lösung dar, aber wir werden unser Problem lösen müssen, weil wir kein Parkplatz für Flüchtlinge sein können.“

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siehe auch: rbb

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Die Balkanroute – ein Jahr danach

Die sogenannte “Balkanroute“ ist schon seit Monaten dicht. Seit dem kommen spürbar weniger Flüchtlinge nach Mitteleuropa. Heute nun treffen sich die Regierungschefs der südosteuropäischen Staaten in Wien zu einem Westbalkan-Gipfel. Auch Bundeskanzlerin Merkel und die Spitzen der EU werden dabei sein. Gemeinsam soll eine Flüchtlingsstrategie für die Zukunft erarbeitet werden. Wie könnte die aussehen? Das fragen wir die Historikerin und Balkan-Expertin Prof. Armina Galijas.

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