18. September 2016 · Kommentare deaktiviert für „Das Paradies auf Erden“: Viele Flüchtlinge wissen nicht, was sie in Europa wirklich erwartet · Kategorien: Italien, Libyen, Mittelmeerroute · Tags: ,

Quelle: Huffington Post

Anton Shakouri

Tag 1 im Rettungsgebiet, nordöstlich von Tripolis. Wir sind kaum sechs Stunden im Rettungsgebiet und wir sichten um 5:30 Uhr ein Schlauchboot am Horizont. 124 verlorene Seelen, mitten auf dem Meer. Orientierungslos und alleine.

Es war eine reine Bilderbuch Rettung, innerhalb von zwei Stunden hatten wir alle 124 Menschen sicher an Bord gebracht. Wir haben es wieder geschafft, es war die 26. Rettung seit dem SOS MEDITERRANEE im Einsatz ist.

Es ist erleichternd die Menschen an Bord zu sehen, in Sicherheit. Doch dieses Gefühl schwindet schnell, wir haben nur ein Boot gefunden, das ist unüblich, wir haben noch weitere vier Stunden gesucht, bis uns die Rettungsleitstelle in Rom angewiesen hat, die Menschen an die spanische Küstenwache zu übergeben, die Teil der Frontex Mission ist, diese werden die Menschen nach Italien bringen.

Es ist immer ein außerordentlich beängstigendes Gefühl die Menschen anderen Behörden zu übergeben und sie nicht selber an Land zu bringen. Die Aquarius ist für 400 Personen ausgelegt, wir können mehr.

Gegen 18 Uhr haben wir alle Menschen übergeben, das Wetter wurde immer schlechter. In den darauffolgenden sechs Tagen gab es keine einzige Sichtung von Bootsflüchtlingen im Osten des Gebiets. Das Wetter hat sich verschlechtert.

Die Schlepper schicken keine Boote raus, wenn die See zu unruhig ist. Der Wind kommt aus Norden und drückt das Wasser an den Strand, dann ist es unmöglich für Boote den Strand zu verlassen.

Tag 8 im Rettungsgebiet

Ein Tag zuvor wurden im Westen 2500 Menschenleben gerettet. Die Astral von Proactiva und die Migrant Offshore Aid Station hatten anstrengende Rettungsaktionen hinter sich.

Morgens um 6:30 Uhr spottet Annabel, unsere stellv. Rettungskoordinatorin ein Boot.

Es ist ein erleichterndes Gefühl, endlich wieder was zu tun zu haben, sechs tage ohne Rettung an Bord eines Rettungsschiffes können schwer werden.

Annabel informiert die Mannschaft, es könnten drei Boote sein, wir wissen es noch nicht genau.
Wir machen die Rettungsboote fertig, es ist eine multiple Lage. Wir finden zwei Boote, circa zehn Kilometer sind Sie voneinander entfernt.

Über Funk habe ich mitbekommen das sich ca. 40 Frauen und 10 kleine Kinder an Bord befinden sollen. Es wurden am Ende der Rettung mehr Kinder und mehr Frauen.

Während der Rettung, versuchen wir immer erst die Frauen und Kinder sicher an Bord der Aquarius zu bringen. Zum einen um sie zu schützen, zum anderen um die Boote zu entlasten. Meistens befinden sich Frauen und Kinder in der Mitte eines Schlauchbootes, in einer Lache aus Urin, Benzin und Salzwasser.

Dies ist für mich einer der emotionalsten Tage, seitdem ich mich dazu entschieden habe, dem Sterben im Mittelmeer nicht mehr tatenlos zuzuschauen.

Wir wollen keine Menschen ertrinken lassen

Wir haben eine schwangere Frau gerettet, deren Sohn Newman Otas am nächsten Tag an Bord der Aquarius das Licht der Welt erblickt habt.

Wir haben Viktor gerettet, er und seine Familie sind während der Flucht durch Afrika getrennt worden. Er war lange im Ungewissen ob seine Familie noch lebt, und plötzlich treffen Sie sich an Bord der Aquarius wieder. Das sind Moment die ich nie wieder vergessen werde.

Momente die uns zeigen, das wir genau das Richtige tun. Wir sind keine Gutmenschen, wir sind Europäer die Europa anders machen wollen. Wir wollen Kontinent und eine Wertegemeinschaft sein, die fest und standhaft zu ihren Werten steht. Wir wollen keine Menschen ertrinken lassen.

252 Menschen konnten wir retten. 199 Männer, 58 Frauen, 96 Minderjährige, 89 davon unbegleitet. 139 weitere Flüchtlinge haben wir von der italienischen Marine Übernommen.

Das MRCC in Rom hat uns angewiesen die Menschen nach Brindisi in Italien zu bringen, sechzig Stunden dauert die Reise.

Es macht mich stolz solche Augenblicke zu erleben

Für einen Moment herrscht Stille. Wir entdecken europäisches Festland am Horizont.
Die Menschen tanzen und klatschen, fallen uns und sich in die Arme. Für einen Moment vergessen auch wir die Strapazen und das Elend, was uns täglich begegnet. Es macht mich stolz solche Augenblicke erleben zu dürfen.

Ich habe mir angewöhnt, eine professionelle Distanz zu den gerettet aufzubauen, die meisten frage ich nicht nach ihrem Namen. So mache ich mir Ihre Schicksale nicht zu eigen.

Dennoch war diese Reise anders als alle anderen. Mondey aus Nigeria, ein Zehnjähriger Unbegleiteter Flüchtling, hat es geschafft, er hat Europa erreicht. Seine Blicke sind voller Zuversicht und Angst, als er dem europäischen Kontinent betritt.

Es sind die Unwillkommenen, die kommen. Mit der Freude steigt auch Verbitterung in mir auf. Die Flüchtlinge haben keine reale Vorstellung, von dem, was in Europa auf sie wartet.

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