14. Mai 2015 · Kommentare deaktiviert für „Berlin zweifelt an militärischer Schleuser-Jagd“ – stimmts? – SPIEGEL · Kategorien: Deutschland, Italien, Libyen · Tags: , ,

Quelle: Flüchtlinge: Berlin zweifelt an militärischer Schleuser-Jagd – SPIEGEL ONLINE

Konzept der EU-Kommission: Berlin bremst bei der Schleuser-Jagd

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Mit einer Militäroperation will die EU schon ab Juni Schleuser auf dem Mittelmeer jagen und ihre Boote am Strand von Libyen zerstören. Die Bundesregierung fürchtet eine gefährliche neue Bundeswehr-Mission und bremst nach Kräften.

Die Bundesregierung hegt deutliche Zweifel an von der EU vorgelegten Plänen zur militärischen Bekämpfung von Menschenschleusern auf dem Mittelmeer und in Libyen. Hinter den Kulissen versucht Berlin bereits, die Planung so gut es geht zu entschleunigen. Öffentlich will man jedoch nicht als Bremser dastehen, da Kanzlerin Merkel den Kampf gegen die Schleuser beim EU-Gipfel mitgetragen hatte.

Dem Auswärtigen Amt (AA) gehen die Ideen für das Stoppen und Versenken von Schleuser-Booten durch eine gemeinsame EU-Flotte zu weit. Die in dem Konzeptpapier der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini angedeutete Mission von Spezialkräften zur Aufklärung von Schleuserbanden an der libyschen Küste gilt als ausgeschlossen. Mogherini schreibt in ihrem Papier, die Zerstörung von Schmuggler-Booten würde wohl „Aktionen entlang der Küste“ Libyens nötig machen.Minister Steinmeier gab sich am Dienstag wegen der Zweifel sichtbar zurückhaltend. Am Rande eines Nato-Treffens im türkischen Antalya wich der Außenminister beim Thema zunächst aus und redete nur über die humanitäre Mission zur besseren Seenotrettung für Flüchtlinge. Am Donnerstag will Mogherini ihr Planungspapier in Antalya den Nato-Außenministern vorstellen, es wird eine lebhafte Diskussion erwartet.

Von Steinmeier kann die Außenbeauftragte nicht viel Unterstützung erwarten. Auf Fragen zur Militärmission wurde der Minister recht deutlich. „Machen Sie sich keine Illusionen darüber, dass das noch ein schwieriger und wahrscheinlich langwieriger Weg werden wird“, so Steinmeier. Damit schloss er eine schnelle Realisierung des Konzepts von Mogherini mehr oder minder aus.

Spezialkräfte am Strand von Libyen?

Das Papier der Außenbeauftragten sorgt hinter den Kulissen für Aufregung. Bisher wird es geheim gehalten, doch der SPIEGEL berichtete kürzlich die wichtigsten Details: Laut dem 30-seitigen „Crisis Management Concept“ soll die EU-Flotte „das Geschäftsmodell der Schmuggler zerschlagen“, dazu würden „systematisch“ Schiffe und Vermögenswerte „identifiziert, beschlagnahmt und zerstört“.

Die EU-Soldaten sollen zudem die Schleuserboote zerstören, „bevor sie von den Schmugglern eingesetzt werden“. Dazu könnten Spezialkräfte an der libyschen Küste Ziele ausspähen. Vorsorglich, so das Papier, müsse „eine Präsenz an Land“ so schnell wie möglich mit den libyschen Behörden abgestimmt werden.

Im AA führte die Passage zu Hektik. Zunächst wollte man den Plan sogar in Brüssel am Mittwoch im sicherheitspolitischen Komitee (PSK) ablehnen. Am Ende entschloss man sich, das Konzept durchzuwinken, es soll nun am Montag beim EU-Ministerrat für Außenbeziehungen beschlossen werden. Geht es nach Mogherini, könnten im Juni schon die ersten Schiffe im Einsatz sein.

Die Zustimmung allerdings hat Berlin mit dem Vorbehalt verbunden, dass man nur mit den Planungen weiter machen könne, wenn es für den Einsatz im Mittelmeer ein robustes Uno-Mandat gemäß Kapitel sieben der Uno-Charta gibt. Der Vorbehalt ist mehr als eine Formalie. Die EU arbeitet zwar seit Tagen an einem Mandat, wegen der kritischen Haltung Moskaus scheint ein schneller Beschluss jedoch unwahrscheinlich. Berlin hofft, so Zeit zu gewinnen.

Schneller Beschluss bei der Uno unwahrscheinlich

Die Diplomaten sehen in dem Plan einer militärischen Jagd auf die Schleuser eine gefährliche neue Operation für die Bundeswehr. Zwar wird die Mission gern mit der EU-Jagd auf Piraten vor Somalia verglichen, doch aus AA-Sicht ist die Lage in Libyen viel riskanter.

Waren die Piraten noch mit Enterhaken und einem veralteten Maschinengewehr bewaffnet, arbeiten die Schleuser mit den hochgerüsteten Milizen und den Islamisten in Libyen Hand in Hand.

Die Gefahren beschreibt auch Mogherini drastisch. Demnach besäßen die Milizen in Libyen hochmoderne Waffen bis hin zu Flugabwehrgeschützen und Boden-Luft-Raketen, die auch für westliche Militärjets und Hubschrauber „eine robuste Gefahr“ darstellten. Dieser könne man nur durch eine ebenso martialische „force protection“ begegnen. Für die Einsätze an Land, warnt Mogherini, müsse man zudem mit einer „feindlichen Umgebung“ rechnen.An Beispielen für die Wehrhaftigkeit der Milizen mangelt es nicht. Vor gut einer Woche beschossen Milizionäre vom Festland aus einen türkischen Frachter vor der IS-Hochburg Derna, beschädigten ihn schwer, ein Offizier starb. Aus Sicht der Kämpfer galt das Schiff als feindlich, da es Güter nach Tobruk, den Sitz der Übergangsregierung, bringen wollte.

Steinmeier sprach in Antalya bisher nur abstrakt über die Gefährdung, allerdings nannte er als Hindernisse auf dem Weg zu einer solchen Mission „die Anwesenheit des IS in Libyen“, zudem seien in dem Land „mehr als 200 Milizen aktiv“. Folglich sei für eine EU-Truppe in Libyen selber „die Operationsfähigkeit objektiv begrenzt“ – unter den jetzigen Umständen werde sie deswegen „nicht stattfinden“.

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