06. November 2014 · Kommentare deaktiviert für Düstere Ursprünge der Festung Europa: Hinweise · Kategorien: Deutschland, Hintergrund, Italien, Lesetipps

Die informellen Gremien und Institutionen, die die Festung Europa konzipierten, entstanden als Organe der Repression gegen die Aufstände in Italien um 1977. Die Bundesrepublik Deutschland übernahm in der europäischen Neuformierung eine Vorreiterrolle. Dabei dürfte selbst das heutige Verhältnis zwischen italienischer Marine (Operation „Mare Nostrum“), Frontex und deutschen Vorgaben historisch belastet sein: Die Wehrmacht versenkte im September 1943 Schiffe, auf denen sich italienische Soldaten vom Krieg absetzen wollten – 20.000 italienische Soldaten ertranken auf der Flucht.

Aus der Rezension (Helmut Dietrich) des Buchs

Petra Terhoeven
Deutscher Herbst in Europa
Der Linksterrorismus der siebziger Jahre als transnationales Phänomen
Oldenbourg Verlag: München 2014. 712 Seiten. € 59,95

Rezension Dietrich, Terhoeven

„[…] Interessant bleibt auf jeden Fall der Hinweis auf die Europäisierung der Repression durch EG-Gremien und die intergouvernamentale Zusammenarbeit. Im Hintergund der blutigen Niederschlagung der revoltierenden Bewegungen in Italien in den späten 1970er Jahren formierte sich eine Politik der Europäischen Gemeinschaft, die später – auch in personeller Kontinuität – für den zehntausendfachen Tod an der EU-Außengrenze verantwortlich wurde.

In der Schlussbetrachtung des Buchs heißt es: „Angesichts der erfolgreichen Kooperation des Kanzlers und seines Stabes mit den Regierungen der Nachbarländer ist die Geschichte des ‚Deutschen Herbstes in Europa‘ in gewisser Hinsicht auch eine Geschichte vom Ende der vergangenheitspolitischen Erpressbarkeit der Bundesrepublik“ (S. 664). Die suggestive Selbstberuhigung scheint an eine Bundesregierung gerichtet zu sein, die sich angesichts der aktuellen Banken- und Finanzkrise mit neuen Entschädigungsforderungen wegen ungesühnter SS- und Wehrmachtsmassaker in Südeuropa auseinandersetzen muss. Und viele Massaker sind noch ungenannt: Nichts erinnert an die über 20.000 italienischen Soldaten, die sich im September 1943 vom Kriegseinsatz absetzen wollten, deren Marine-Schiffe von der Wehrmacht beschossen wurden und die im Mittelmeer ertranken. Nichts, aber auch gar nichts erinnert daran, dass in deutschen Innenstädten in den letzten Kriegsmonaten massenhaft Italiener gehenkt wurden – allein auf dem Hildesheimer Markt und am Zentralfriedhof am 26. März 1945 über hundert Männer.“

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