Liebe AbonnentInnen des Newsletters, liebe Syrien-Interessierte,
die Entwicklungen in Syrien sind derzeit v.a. von einer Tatsache geprägt: Dem Willen des syrischen Regimes, den Aufstand militärisch wie politisch endgültig niederzuschlagen.
In diesem Licht sind sowohl die heranrückende Präsidentschaftswahl am 3. Juni zu betrachten, zu der Bashar al-Assad nun auch formal seine Kandidatur eingereicht hat, als auch die anhaltende Kampagne der Gewalt, Belagerung und Aushungerns, die gegen oppositionelle Gebiete eingesetzt wird. Im April soll zudem im Ort Kfar Zeita bei Hama mehrfach Chlorgas eingesetzt worden sein. Gleichzeitig ist das Regime kurz davor, die Auslieferung und Vernichtung der syrischen Chemiewaffen abgeschlossen zu haben. Jegliche Waffen, die nicht Teil der Chemiewaffenübereinkunft des vergangenen Jahres waren, befinden sich jedoch weiterhin in den Händen des syrischen Regimes.
Das Abhalten von Präsidentschaftswahlen inmitten der anhaltenden Gewalt vermittelt eine Botschaft: Bashar al-Assad will sich in Wahlen „legitimieren“ lassen – und so der Welt und v.a. dem syrischen Volk zeigen, dass er den Aufstand von 2011 erfolgreich überstanden hat. Das Resultat wird sein: Ein zerstörtes, versehrtes Syrien, das auf Jahrzehnte nicht in der Lage sein wird, die Bevölkerung angemessen zu versorgen – da ein Großteil der Infrastruktur zerstört ist. Ein Sieg Assads bedeutet dabei keineswegs, dass der gewaltsame Konflikt in Syrien vorbei sein wird. Allerdings wird sich die syrische Flüchtlingskrise manifestieren.
Um der Zerstörung, Gewalt und Lethargie etwas entgegenzusetzen, haben sich vielerorts zivile Gruppen und Zentren zusammengeschlossen. Adopt a Revolution arbeitet nach besten Möglichkeiten weiterhin mit einer Vielzahl solcher zivilen AktivistInnen zusammen. So führte z.B. das Markaz al-Ta’akhi in Nordsyrien eine Aktion zum Baumpflanzen durch, um die Umwelt, das Erscheinungsbild der Region und die zivile Arbeit vor Ort zu stärken: https://www.adoptrevolution.org/zivile-aktionen-in-nordsyrien/
In Manbij, unweit der Türkei, begann vor einem Jahr der Aufbau des Zentrums für Zivilgesellschaft „SyrerInnen für Syrien“. Die Bildungsarbeit mit Jugendlichen, kulturelle Aktivitäten und die Förderung von Frauen bilden Hauptschwerpunkte des Zentrums. Nachdem Dschihadisten von ISIS die Stadt übernommen haben, kann die Arbeit derzeit allerdings nur im Untergrund fortgesetzt werden: https://www.adoptrevolution.org/der-versuch-von-selbstorganisation-zentrum-zivilgesellschaft-manbij/
Aus Zabadani, einer seit langem belagerten Stadt nahe Damaskus, erreichten uns kürzlich sowohl traurige Nachrichten – mehrfache nächtliche Fassbombenangriffe – als auch beeindruckende Bilder. Die AktivistInnen vor Ort haben den Glauben an eine bessere Zukunft für Syrien nicht verloren – und sich vor allem sich nicht dem Hass hingegeben, den das Regime mit Bombardement und Belagerung säen will. Zum Bericht mit Bildern: https://www.adoptrevolution.org/botschaften-aus-einer-belagerten-stadt-bericht-aus-zabadani/
Seit dem 10. Dezember 2013 ist die Menschenrechtsaktivistin und -anwältin Razan Zeitouneh verschleppt, zusammen mit drei KollegInnen. Die Familie von Zeitouneh hat sich per Statement erneut an die Öffentlichkeit gewandt, sowohl um an die Entführer, aber auch an die militärischen Kräfte vor Ort wie internationale Organisationen zu appellieren, die Verschleppung der zivilen AktivistInnen zu beenden. Hier die deutsche Übersetzung des Statements: https://www.adoptrevolution.org/erneutes-statement-der-familie-razan-zeitounehs-free-razan/
Am 21. August 2013 kam es zum tödlichen Chemiewaffen-Angriff auf das Damaszener Umland Ghouta. Mittlerweile ist klar: Auch Deutschland ist tief in das syrische Chemiewaffenprogramm verstrickt. Um die deutschen Chemielieferungen nach Syrien – und damit auch die deutsche Rolle bei Ghouta – zu ermitteln, braucht es dringend eine gründliche Aufarbeitung, argumentiert unser Aktivist Zuher: https://www.adoptrevolution.org/deutsche-chemielieferungen-nach-syrien-aufklaerung-bitter-noetig/
In den Presseschauen (unter: https://www.adoptrevolution.org/category/presseschau/) informieren wir u.a. über diese Themen:
- Porträts der Macht: Wie Familien- und Regierungsstrukturen in Syrien überlappen
- Alltag in der Küstenstadt Tartous: Syrien anno 2000er?
- Kafranbel: Graffitis als Ausdrucksmittel ziviler AktivistInnen – gegen Regime wie ISIS
- Auswirkungen des Krieges auf Zivilgesellschaft & Wirtschaft: Die kurdischen Gebiete
- Folgen der syrischen Flüchtlingskrise: Libanon & Kurdistan-Irak
Mit den besten Grüßen,
das Adopt a Revolution-Team