11. Dezember 2013 · Kommentare deaktiviert für Frontex: Theater – „Widersprüche werden klarer“ (Berliner Zeitung) · Kategorien: Mittelmeerroute · Tags: , , ,

„[…] Im Unterschied zum Dokumentartheater aus den 1960ern, von Autoren wie Peter Weiss oder Rolf Hochhuth, enthalten Sie sich jeder Agitation oder Meinungsbekundung.

Wir lassen die Dinge für sich selbst sprechen. Es ist das, was uns bei der Arbeit fasziniert, den Dingen auf die Spur zu kommen. Es ist zum Beispiel interessant zu sehen, wie in offiziellen Papieren eine Staatengemeinschaft ihre Werte verschiebt. Früher war der europäische Raum als ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts definiert. Die Freiheit stand an erster Stelle, das hat sich verschoben, inzwischen steht die Sicherheit zuerst. Gleichzeitig wird Sicherheit zu einem Binnengut für die Menschen „drinnen“, es entsteht ein offener Binnenverkehr. Und die Menschen „draußen“ fallen unter den Begriff der „illegalen Migration“. Wenn man sich die Papiere der EU oder aus dem Innenministerium anschaut, steht immer mehr das „Illegale“ im Vordergrund, die illegalen Schleuserorganisationen, die illegalen Migranten. Ähnliches ließ sich Anfang der 1990er beobachten, als der Ostblock zusammenbrach und über 400000 Asylbewerber nach Deutschland kamen. Auf einmal tauchten in offiziellen Papieren Begriffe wie Asylantenflut und Asylantenschwemme auf, als handele es sich um eine Naturkatastrophe. Gleichzeitig wurde die befristete Arbeitserlaubnis abgeschafft, die Menschen wurden abhängig von den Sozialleistungen des Staates. Seitdem hat sich das Klima wie man so schön sagt, nachhaltig verändert.

Was kann Ihr Theater, das ein Sachbuch, ein Zeitungsartikel oder eine TV-Reportage nicht können?

Das Besondere am Theater ist, dass man mit anderen Menschen eine Gemeinschaft auf Zeit wird. Es ist ein Ort der kollektiven Konzentration. Du bekommst eine Fülle von Details zu einem Thema, über das du in der Regel schon etwas weißt. Aber desto genauer du auf einen Gegenstand schaust, umso ferner schaut er zurück. Denn plötzlich merkst du, was drin steckt, du beginnst eigene Verbindungen herzustellen, du wirst zum Ko-Autor des Abends. Das geht nur im Theater.

Glauben Sie noch an einen politischen Auftrag des Theaters?

Im Dokumentartheater kann einem bewusster werden, in welcher Gesellschaft man lebt. Die Widersprüche werden klarer. Man versteht besser, was im eigenen Namen geschieht. Das sind ja keine Diktatoren, sondern gewählte Vertreter, die in Ausschüssen zusammen sitzen, Papiere verfassen und Entscheidungen treffen. Die handeln im Auftrag der Wähler, in unserem Auftrag.“

via Theater: Widersprüche werden klarer | Theater – Berliner Zeitung.

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