Italiens Küstenwache ließ 200 Flüchtlinge ertrinken
Recherchen belegen verweigerte Seenotrettung vor Lampedusa im Oktober / Organisationen fassungslos über »Sterbenlassen als Abschreckungspolitik«
Bei dem Untergang von zwei Flüchtlingsbooten vor Lampedusa mit über 200 Toten ist den Schiffbrüchigen offenbar eine rechtzeitige Rettung verweigert worden. Wie Flüchtlingsorganisationen in einer gemeinsamen Erklärung berichten, sei die verweigerte Seenotrettung von italienischen Journalisten ans Licht gebracht worden.
Demnach habe die italienische Küstenwache viel zu spät Rettungsmaßnahmen eingeleitet, dies sei unter anderem mit dem Verweis gerechtfertigt worden, die Behörden von Malta seien zuständig gewesen. Rund 200 Flüchtlinge »hätten überleben können, wenn die Rettungsmaßnahmen sofort in Gang gesetzt worden wären«, heißt es in der Erklärung.
»Left to die, das Sterbenlassen auf See, gehört offensichtlich nach wie vor zur EU-Abschreckungspolitik gegenüber Flüchtlingen«, zeigte sich Helmut Dietrich von der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration entsetzt. Der Europareferent der Organisation Pro Asyl, Karl Kopp, zeigte sich »fassungslos, dass Flüchtlinge sterben müssen, weil die zur Rettung verpflichteten Einsatzkräfte zweier EU-Staaten über Zuständigkeiten streiten«.
In dem konkreten Fall sei die Beweiskette »so dicht, dass die Verantwortlichen auch juristisch zur Rechenschaft gezogen werden müssen«. Dazu rät auch der frühere Kapitän der Cap Anamur und Mitglied der Menschenrechtsorganisation borderline-europe, Stefan Schmidt: »Das Verhalten der italienischen und maltesischen Behörden widerspricht allen Regeln des Seerechts, das sollte unbedingt zur Anzeige gebracht werden.«
Die Organisationen verweisen auf die von »Fortress Europe« dokumentierten mehr als 18.000 Todesfälle aus den vergangenen 20 Jahren, bei denenMenschen zu Opfern des europäischen Grenzregimes wurden. »Die meisten starben im Mittelmeer und immer wieder gibt es den Vorwurf unterlassener Hilfeleistung«, heißt es weiter.
via 30.11.2013: Italiens Küstenwache ließ 200 Flüchtlinge ertrinken neues-deutschland.de