15. Juli 2012 · Kommentare deaktiviert für B4p Bericht Tunis: Angehörige Verschwundener · Kategorien: Tunesien · Tags: , , , ,

Treffen mit den Angehörigen der Verschwundenen

Tunis 9.7.2012

Eine Gruppe von etwa 10 Frauen des Boats4People Projektes traf sich am ersten Projekttag in Tunis mit einer Gruppe von Müttern, Ehefrauen und Schwestern (und zwei Vätern), sowie mit Frauen des italienischen feministischen Kollektivs »Il Venticinque Undici« (die „25 11“, benannt nach dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen). Es ging einerseits um ihre Kämpfe und Forderungen und andererseits um Aktionsideen für die Woche. Die beiden Gruppen kämpfen bereits seit über einem Jahr gemeinsam für mehr Informationen und Transparenz über den Verbleib und das Schicksal der Harragas. Es geht bei diesen Familien um verschwundene Angehörige, die in den Wirren der tunesischen Revolution, als für die Zeit zwischen März und Mai 2011 das europäische Grenzregime gegenüber Nordafrika und die Wachhundfunktion der nordafrikanischen Mitelmeeranrainerstaaten ausgeschaltet war, mit anderen 30 – 50.000 Menschen in unzähligen Booten Richtung Sizilien und Europa aufmachten. 

Die Mütter hatten Porträtfotos und zum Teil auch Bilder von Fernsehaufnahmen aus italienischen Nachrichtensendungen, in denen sie ihre an der italienischen Küste eingetroffenen Söhne und Ehemäner hatten identifizieren können, dabei und traten sehr entschlossen und kämpferisch auf. 

Die Frauen (und zwei Väter) berichteten über ihre bisherigen Erfolge: sie erkämpften eine Delegation von 6 tunesischen Angehörigen, die versuchten, Zugang zu den Haftzentren und Abschiebeknästen an der sizilianischen Küste (Milo, Trapani etc) zu erhalten, um mithilfe von in Tunesien genommenen Fingerabdrücken, ihre Angehörigen wieder zu finden. Darüber hinaus versuchen sie zu erzwingen, dass die tunesischen und italienischen Behörden durch das Zusammenführen und Vergleichen von genommenen Fingerabdrücken ebenfalls zu Identifizierungen beitragen könnten. Eine weitere Perspektive, so berichteten die Fraün, stellen Dossiers mit Informationen über die Verschwundenen dar, die beim tunesischen Ministerium für Soziales liegen, und ebenfalls untersuchen sollen, welches Schicksal die Angehörigen genommen haben. Ausserdem versuchen die Familien der Verschwundenen, Druck auf die tunesische Telekommunikationsfirma Tunisiana aufzubauen, da zum Teil zwischen den Menschen in den Booten und den Familien letzte Telefonkontakte stattgefunden hatten, die nun mithilfe der Satelliteninformationen lokalisiert werden könnten, um rauszufinden, an welchen Positionen die Boote sich zum Zeitpunkt der Telefonate befanden. Zudem wurde eine Skypekonferenz mit einem tunesischen Anwalt in Italien abgehalten, um mehr Informationen zu seinem kürzlich Besuch in Milo zu erhalten. 

Es wurden verschiedene Positionen zu den Adressat_innen der Proteste ausgetauscht, ob dies (Oppositions-)parteien oder doch die tunesische Regierung sein sollten, mit dem Ergebnis, das aus dem Treffen der Wunsch entstand, den Protest in Form von Kundgebungen vor das Sozialministerium tragen und Treffen und runde Tische zwischen den verschiedenen zuständigen ital. und tunes. Behörden zu fordern. 

Außerdem gab es die Idee, durch eine Kundgebung vor dem Sozialministerium, weiter Druck auf die tunesische Regierung aufzubauen, erneut Gespräche zum Verbleib der Angehörigen mit der italienischen Regierung aufzunehmen und eventüll auch öffentlich zu erklären, dass aus mehreren Familien Mitglieder in den Hungerstreik treten würden, um ihre Verzweiflung und gleichzeitig ihre Entschlossenheit kanalisieren zu können.

 Im Laufe der Woche gab es mehrere Kundgebungen und Aktionen, Arbeitsgruppen und Workshop zum Thema der Angehörigen der Verschwundenen und Toten.

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