Quelle: der Freitag | 30.11.2016
Interview Wie verändern Krieg, Flucht und Exil die Geschlechterrollen? Die syrische Soziologin Nisren Habib forschte in ihrem Heimatland, im Libanon und jetzt auch in Deutschland
Sie bittet um Entschuldigung, als sie in den Hof des Berliner Wissenschaftszentrums kommt. Das könne heute länger dauern, sie spreche sehr langsam. Die vergangene Nacht hat Nisren Habib vor der Ausländerbehörde verbracht, um in der langen Warteschlange einen Termin zu bekommen – zum sechsten Mal. Die Berliner Bürokratie ist unerbittlich, auch wenn es um eine syrische Wissenschaftlerin mit einem Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung geht. Dieses Mal hat es geklappt. Jetzt kann Habib weitere drei Monate in Deutschland forschen und erzählen: darüber, wie Krieg und Exil Geschlechterrollen verändern.
der Freitag: Frau Habib, wenn Sie die Situation in Syrien vor Ausbruch des Krieges 2011 und heute vergleichen: Wie hat sich seitdem die Rolle der Frau verändert?
Nisren Habib: Wir alle dachten zunächst, die Revolution sei eine Chance für Frauen. Stattdessen hat uns der Krieg zurück in die Häuser getrieben. In Syrien leben progressive und traditionelle Frauen Tür an Tür. Aber rechtlich sind sie alle benachteiligt. Es gab auch vor dem Krieg keine Lobby für sie. Und dann muss man unterscheiden – im Libanon ist die Situation für geflüchtete Frauen natürlich anders als in Jordanien – oder in Europa.