11. Oktober 2016 · Kommentare deaktiviert für „V-Leute sollen gegen Schleuser vorgehen“ · Kategorien: Deutschland · Tags:

Quelle: Frankfurter Rundschau

Die Bundespolizei will künftig verstärkt verdeckte Ermittler und V-Leute gegen Schleuser einsetzen. Die Linkspartei befürchtet dadurch eine zusätzliche Gefährdung von Flüchtlingen.

Von VIKTOR FUNK

Die Bundespolizei will verstärkt verdeckte Ermittler und V-Leute beim Vorgehen gegen Schleuser einsetzen. Die Behörde baut seit einer Gesetzesänderung im Juni entsprechende Strukturen auf und greift aktuell auf verdeckte Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) zurück.

Durch Hinweise von V-Leuten, also Informanten aus der Szene, hatte die Bundespolizei seit Anfang 2015 drei Schleusungen von insgesamt 1766 Menschen aus der Türkei nach Italien verhindert. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der Linkspartei an die Bundesregierung hervor, die der FR vorliegt.

Die Auskunft der Regierung zeigt, dass Deutschland seit Anfang 2015 eine Vielzahl von Kooperationen mit anderen Staaten und mit der europäischen Polizeibehörde Europol aufgenommen hat, um gegen illegale Einwanderung vorzugehen. Die drei ausgemusterten Frachtschiffe, die insgesamt mehr als 1700 Menschen aus der Türkei nach Italien bringen sollten, konnten demnach durch die Arbeit neuer Ermittlungsgruppen aufgebracht werden. „Hierbei waren die Informationen von Vertrauenspersonen ausschlaggebend“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage.

Andrej Hunko, europapolitischer Sprecher der Linken, wirft den deutschen Behörden vor, dass die Ermittlungstaktik Flüchtlinge in eine noch gefährlichere Situation bringe. „Es ist menschenverachtend, wenn vor allem syrische Familien dadurch in nicht seetüchtige Schlauchboote gedrängt werden“, sagte Hunko der FR. Die Bundesregierung argumentiert dagegen, dass sie Menschen davor bewahre, sich in lebensgefährliche Umstände zu begeben.

Obwohl die Bundespolizei künftig auch Schleuser in der Türkei ins Visier nehmen dürfte, sagt die Bundesregierung, dass sie sich „mit der Türkei über taktische und rechtliche Fragen des grenzüberschreitenden Einsatzes verdeckter Ermittler nicht austauscht“.

„Am Rande der Legalität“

Hunko befürchtet, dass die Einsätze von verdeckten Ermittlern der Bundespolizei unkontrolliert erfolgen würden. „Ich sehe darin einen Freibrief für anlasslose verdeckte Ermittlungen auch im Ausland. Aus dem Bereich von linkem Aktivismus wissen wir, dass Staatsschutzbeamte dabei manchmal am Rande der Legalität agieren.“

Der Zuzug von Kriegsflüchtlingen vor allem aus Syrien, Irak und Afghanistan nach Europa im vergangenen und dieses Jahr ließ auf den Fluchtwegen entsprechende „Dienstleistungen“ blühen. Profiteure waren vor allem Organisatoren der Fluchtwege, aber auch örtliche Händler zum Beispiel im türkischen Izmir, die am Verkauf von Sicherheitswesten oder Booten gut verdienten.

Die europäische Polizeiagentur Europol führt inzwischen eine Liste von mehr als 40 000 Personen, die verdächtigt werden, als Schlepper tätig zu sein. Hunko bezeichnet diese Zahl als „völlig aus der Luft gegriffen“. Er betont, „nur die Abschottungspolitik der Europäischen Union macht die Fluchthilfe profitabel.“

An der nordafrikanischen Küste, in Libyen und auch Ägypten, gibt es inzwischen ganze Dörfer, die vom Geschäft der Schleuser leben. Der Teufelskreis aus ökonomisch schwieriger Lage und dem Geschäft mit den Flüchtlingen ist indes auch der Bundesregierung bewusst. Während der Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch Mali und Niger – Durchgangsländer afrikanischer Flüchtlinge – sagte ein hoher Regierungsbeamter am Wochenende zu tagesschau.de: „Wenn das Geschäft der Schleuser jetzt Knall auf Fall gestoppt würde, wäre das auch ein Problem, dann bräuchte es Alternativen.“

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