25. September 2016 · Kommentare deaktiviert für „Die Balkanroute soll noch aussichtsloser werden“ · Kategorien: Balkanroute, Deutschland, Europa · Tags: ,

Quelle: FAZ

Auf dem Flüchtlingsgipfel in Wien klagt Kanzlerin Merkel, dass die Balkanroute zwar als geschlossen gelte, trotzdem seien seit Februar allein auf diesem Weg 50.000 Asylbewerber illegal nach Deutschland gelangt. Damit soll bald Schluss sein.

von STEPHAN LÖWENSTEIN, WIEN

Die Länder, die zwischen der Türkei und Mitteleuropa liegen, wollen stärker zusammenarbeiten, um die sogenannte Balkanroute für Migration weiter zu erschweren. Mit entsprechenden Willensbekundungen hat am Samstag in Wien ein Treffen von Regierungschefs und Ministern aus zehn Ländern geendet. Denn die Balkanroute gilt zwar seit einer entsprechenden Vereinbarung vom Februar, die ebenfalls in Wien getroffen wurde, als „geschlossen“, doch findet weiterhin massenweise illegale Migration darauf statt. Das machte in Wien Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich, die sich auf dem Treffen darüber beschwerte, dass allein auf diesem Weg seit Februar 50.000 Asylbewerber illegal nach Deutschland gelangt seien. Anders als das damalige Treffen waren diesmal auch Griechenland, Deutschland und die EU-Spitze in Person von Ratspräsident Donald Tusk in Wien eingeladen.

Merkel sagte: „Unser Ziel muss sein, die illegale Migration so weit wie möglich zu stoppen.“ Sie sicherte Griechenland und Italien weitere Hilfe in der Flüchtlingskrise zu. So werde Deutschland aus diesen Staaten mehrere hundert Migranten mit Bleiberecht pro Monat aufnehmen. Gerade diese Menschen bräuchten eine Perspektive. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex werde voraussichtlich ihren Aufgabenbereich ausdehnen, sagte Merkel. Griechenland habe einen Hilfsantrag für die Überwachung der Grenze zu Mazedonien gestellt.

Der „Balkangipfel“ endete ohne bindende Beschlüsse. Der gastgebende österreichische Bundeskanzler Christian Kern zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass er seinen Zwecke erfüllt habe. Die Botschaft des Treffens laute: „Druck erhöhen, klar machen, dass es weiter gehen muss. Die Probleme sind nicht gelöst, aber ich bin optimistisch.“ Auf drei Prioritäten habe man sich verständigt: Die Hilfsstrukturen in den Herkunftsländern zu verbessern, weitere Vereinbarungen nach dem Vorbild des Türkei-Deals zu schließen und Griechenland beim Schutz der Außengrenze stärker zu unterstützen. Dazu solle die EU-Agentur Frontex zusätzliche Kräfte erhalten.

Tusk sagte: „Wir müssen praktisch und politisch sicherstellen, dass die Westbalkanroute für illegale Migration für immer geschlossen ist.“ Merkel sagte: „Wir wollen insgesamt Illegalität bekämpfen und Legalität stärken.“

„Solidarität gibt es nicht a la carte“

Als Staaten für weitere Vereinbarungen zur Rücknahme von Flüchtlingen nannte Kern Niger, Mali, Senegal und Ägypten; Libyen komme derzeit nicht in Frage. Tusk habe zugesichert, dass das Rückführungsabkommen mit Afghanistan vorankomme. Den Unmut der Bundeskanzlerin über die weiter stattfindende Migration über die Balkanroute könne er verstehen, sagte der sozialdemokratische Regierungschef in Wien. „Es war ein sehr gutes Meeting, alle waren sehr erleichtert, dass man da mal Fraktur gesprochen hat.“

Es sei wichtig, die Grenzen zu schützen. „Das heißt in einem vereinten Europa, die EU-Außengrenzen zu schützen. Wenn das nicht gelingt, dann werden wir erleben, dass viele Länder anfangen, nationale Lösungen zu setzen,“ sagte Kern unter Anspielung auf die Obergrenze von 37.500 Asylbewerbern, die Österreich sich für dieses Jahr gesetzt hat. Um eine Überschreitung zu verhindern, hat die Regierung eine sogenannte Notverordnung vorgelegt, die aber noch nicht beschlossen ist, und die eine Schließung der österreichischen Grenzen gegenüber den EU-Nachbarn im Osten und Süden vorsieht. Kern gestand ein, dass diese Maßnahme umstritten ist. Er sagte aber auch: „Wenn alle Länder in Europa im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße eine Obergrenze wie Österreich hätten, dann könnten wir 2,3 Millionen Flüchtlinge aufnehmen.“

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos hatte zuvor das Prinzip der europäischen Solidarität beschworen. „Solidarität gibt es nicht a la carte. Solidarität und Verantwortungsbewusstsein sind Grundsatzwerte“, sagte er. Es handle sich „nicht nur um moralische Werte, sondern auch um juristische Prinzipien, die explizit in den EU-Verträgen enthalten sind.“

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siehe auch: Zeit Online

„Wir brauchen wieder Kontrolle über unsere Außengrenzen“, fordert Österreichs Kanzler und findet auf dem Flüchtlingsgipfel Gehör. Der Einlass nach Europa wird härter.

Die Balkanroute soll für Flüchtlinge ein halbes Jahr nach Schließung der Grenzen noch undurchlässiger werden. Darauf haben sich laut Österreichs Kanzler Christian Kern die Anrainerstaaten der Balkanroute bei ihrem Gipfel in Wien geeinigt. An dem Treffen nahmen auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Griechenlands Premier Alexis Tsipras teil.

Die europäische Grenzschutztruppe Frontex solle aufgestockt werden, sagte Kern. Einsätze entlang der Strecke wie etwa im Nicht-EU-Land Serbien seien möglich. „Wir brauchen wieder Kontrolle über unsere Außengrenzen“, forderte Österreichs Kanzler. Die Europäische Union und nicht Menschenschmuggler sollten darüber entscheiden können, wer nach Europa komme.

Griechenland hat laut Merkel Unterstützung von Frontex zur Sicherung der Grenze zu Mazedonien und Bulgarien angefordert. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte schon vor Beginn des Gipfels: „Wir müssen praktisch und politisch sicherstellen, dass die Westbalkanroute für illegale Migration für immer geschlossen ist.“

50.000 Flüchtlinge kamen über den Balkan

Kern sagte mit Blick auf die Stärkung von Frontex, Merkel habe beklagt, dass trotz der Schließung der Balkanroute im Frühjahr immer noch 50.000 Menschen auf diesem Weg nach Deutschland gekommen seien. „Wenn wir diese Frontex-Operationen mit größerer Konsequenz in Zukunft durchführen werden, ist es natürlich klar, dass wir in der Peripherie Europas möglicherweise ein Problem bekommen.“

Es werde dort einen Rückstau von Flüchtlingen geben, sodass man sich auf größere Zahlen einstellen müsse. Klar sei, dass man etwa Griechenland hier verstärkt helfen müsse, Asylverfahren zu beschleunigen. Zudem müsse eine Lösung für Afghanen und Pakistaner gefunden werden, die Griechenland nicht zurück in die Türkei abschieben wolle, da die Regierung in Athen den Nato-Partner nicht als sicher einstufe.

Merkel will neue Flüchtlingsdeals

Auch Merkel verlangte, die Rückführung von Menschen ohne Bleibereicht müsse funktionieren. Daher sei es notwendig, nach dem Türkei-Deal weitere Abkommen mit afrikanischen Ländern, aber auch mit Pakistan und Afghanistan möglichst schnell zu schließen. Es müsse klar sein, wer aus humanitärer Sicht nicht in Europa bleiben könne, der werde auch wieder in sein Heimatland zurückgebracht.

Sowohl Merkel als auch Kern hoben aber auch hervor, dass die Flüchtlingslage in Europa besser als vor einem Jahr sei. 2015 hatten täglich Tausende Flüchtlinge und Migranten auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland das Mittelmeer überquert, um anschließend über die sogenannte Balkanroute in den Norden Europas zu gelangen. Rund eine Million Menschen kam im Vorjahr nach Europa, der Großteil davon waren Syrer, Iraker, Afghanen und Personen aus anderen Krisenländern.

Das Schließen der Balkanroute im Frühjahr und der Flüchtlingspakt der EU und der Türkei haben die Zahl der in Europa ankommenden Menschen drastisch verringert.

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siehe auch: Die Welt

Frontex soll die Balkanroute dichtmachen

Von Manuel Bewarder, Sonja Gillert, Christoph B. Schiltz, Daniel Friedrich Sturm

Griechenland hat die europäische Grenzschutzagentur Frontex um Hilfe am Übergang zu Mazedonien gebeten.

Stimmt die EU dem zu, wäre das ein klarer Kurswechsel. Bislang hat sie einen Grenzschutz auf dem Balkan immer abgelehnt.
Am 6. Oktober tritt die neue Frontex-Verordnung in Kraft – ein erster Schritt zu einer echten Grenz- und Küstenwache.

Warum das wichtig ist:

Deutschland plant, Griechenland und Italien künftig jeweils 6000 Flüchtlinge pro Jahr abzunehmen, weil die vereinbarten europäischen Aufnahmeprogramme schlecht laufen.

Die Europäische Union (EU) soll künftig die Balkanroute geschlossen halten. Der Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, bestätigte Recherchen der „Welt am Sonntag“, wonach der griechische Migrationsminister Ioannis Mouzalas vor wenigen Tagen eine entsprechende Anfrage gestellt hatte: „Griechenland hat Frontex um einen umfassenden Einsatz an der Grenze zur ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien sowie nach Albanien gebeten“, sagte Leggeri. „Wir befinden uns derzeit mit Athen in guten Gesprächen darüber, wie diese Mission konkret aussehen soll.“

Dabei geht es um die konkrete Ausgestaltung von möglichen Ausweiskontrollen oder anderen Schritten zur Grenzüberwachung. Für das Ergebnis werde es sehr wichtig sein, dass die EU-Mitgliedsstaaten auch ausreichend Grenzbeamte zur Verfügung stellten, so Leggeri. Griechenland hatte zuvor bereits mehrmals einen Frontex-Einsatz auf seinem Gebiet abgelehnt.

Im Frühjahr hatten Österreich und mehrere osteuropäische Staaten kurzerhand die Balkanroute in Mazedonien geschlossen. In der Folge war die Zahl der Flüchtlinge auf dem Weg in die EU stark zurückgegangen.

Innerhalb der EU wurde diese Maßnahme heftig diskutiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) etwa lehnte sie bislang entschieden ab. Der nun geplante Einsatz von Frontex an der mazedonischen Grenze würde einen Kurswechseln markieren, da die EU den Grenzschutz auf dem Balkan bislang abgelehnt hat.

Deutschland will jeden Monat 500 Migranten übernehmen

Wie die „Welt am Sonntag“ aus dem Auswärtigen Amt erfuhr, plant die Bundesrepublik, Griechenland und Italien künftig jeweils 6000 Flüchtlinge pro Jahr abzunehmen. Hintergrund dafür ist der schlechte Anlauf der eigentlich vereinbarten europaweiten Aufnahmeprogramme.

Deutschland will künftig jeden Monat 500 Migranten jeweils aus Griechenland und Italien übernehmen. Dadurch sollten vor allem Familien wieder zusammengeführt werden, die auf der Flucht auseinandergerissen wurden.

Am 6. Oktober tritt zudem die neue Frontex-Verordnung in Kraft. Das ist der erste Schritt hin zu einer echten Grenz- und Küstenwache. Frontex wird anschließend über mehr als 1000 Grenzbeamte verfügen, die schnell eingesetzt werden können.

Frontex-Einsatz in Serbien deutet sich an

Gleichzeitig wird Frontex nach Inkraftreten der neuen Verordnung bald auch in benachbarten Nicht-EU-Ländern eingesetzt werden können. Nach Informationen der “Welt am Sonntag“ deutet sich zunächst ein Einsatz in Serbien an. Dem Vernehmen nach wird aber auch eine Mission in Mazedonien erwogen.

Der mazedonische Außenminister Nikola Poposki macht eine solche Anfrage davon abhängig, ob die Flüchtlingszahl wieder ansteigt: „Es kommt auf die Zahl der Grenzübertritte an, ob wir einen Frontex-Einsatz benötigen werden“, sagte Poposki.

„Wenn wir gemeinsam mit den Griechen und den geläufigen Mitgliedsstaaten den Zustrom kontrollieren können, werden wir das nicht fordern. Wenn die Zahl der Flüchtlinge steigt und die Sicherung der Grenze außer Kontrolle gerät, dann werden wir natürlich die Möglichkeit eines Frontex-Einsatzes erwägen.“

Poposki fügte hinzu: „Ein Frontex-Einsatz in Mazedonien war die ursprüngliche Idee. Aber es kam nicht dazu, weil man die Einstimmigkeit aller Mitgliedsstaaten braucht, um Frontex-Kräfte einzusetzen. Griechenland ist einer der Mitgliedsstaaten, deswegen gab es zu der Zeit keinen Willen Frontex an den Außengrenzen der EU einzusetzen.“

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