07. September 2016 · Kommentare deaktiviert für „Mit Milliarden gegen Fluchtursachen“ · Kategorien: Deutschland

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Krisen, Kriege, Naturkatastrophen: Wie der Bund Entwicklungs- und Wiederaufbauhilfe leistet.

Von Stefan Braun, Berlin

In der Debatte über die richtige Antwort auf die Flüchtlingskrise gibt es seit Monaten scharfen Streit. Und es gibt sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie es um die Lage in Deutschland bestellt ist. Doch so sehr dies das Land spaltet, so sehr eint die größten Kontrahenten eine Einsicht, dass Europa, die Welt und Deutschland mehr tun müssen, um die Fluchtursachen in den Herkunftsregionen der Flüchtlinge zu bekämpfen. Vertreter aller Parteien sagen das. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel packte es jüngst in die Botschaft, man werde „sehr viel mehr Geld für Entwicklungspolitik“ bereitstellen müssen.

Passend zur Generalaussprache über die Politik der Regierung an diesem Mittwoch zeigt ein Blick in den Bundeshaushalt, wie sehr die neuen Prioritäten schon durchschlagen und die Arbeit des Auswärtigen Amts, des Entwicklungs- und des Verteidigungsministeriums in Besitz nehmen. Das lässt sich an den sogenannten globalen Ansätzen für die Ressorts schon ablesen. Noch deutlicher wird es bei einem Blick auf die einzelnen Ausgaben. Das gilt zuvorderst für das Entwicklungsministerium. Sein Budget ist in dieser Legislaturperiode besonders stark angewachsen – von 6,3 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf knapp 7,5 Milliarden in diesem Jahr. Und für das kommende Jahr soll noch einmal gut eine halbe Milliarde Euro dazukommen. Die Krisen in der Welt schlagen sich hier besonders stark nieder.

Wenn stimmt, was das Ministerium berichtet, fließen in diesem wie im nächsten Jahr fast drei Milliarden Euro in den direkten Kampf gegen Fluchtursachen, seien es die Folgen von Krisen und Kriegen wie in Syrien und im Irak, seien es die Konsequenzen aus den massiven Spannungen in Staaten Zentral- und Nordafrikas, die längst erheblich zur weltweiten Fluchtbewegung beitragen. Fasst man den Begriff noch etwas weiter, dann kommt ein Problem noch hinzu: das der dramatischen regionalen Klimakatastrophen, die inzwischen auch schon sehr viele Menschen aus ihren angestammten Wohngebieten vertreiben.

Ähnlich deutlich spiegeln sich die Krisen und ihre Folgen im Haushalt des Auswärtigen Amtes (AA) wider. Es kümmert sich nicht um langfristige Projekte gegen Krieg und Hunger, aber es gab in den vergangenen Jahren immer mehr Geld für Krisenprävention, Lebensmittelhilfen der UN oder auch akute Notlagen aus, wenn plötzlich kriegerische Konflikte ausbrechen. Der Haushalt des AA wuchs in den letzten drei Jahren von rund 3,5 auf inzwischen fast fünf Milliarden Euro; mehr als die Hälfte des Geldes wird direkt für die Sicherung von Frieden und Stabilität eingesetzt.

Was hölzern klingt, wird bei genauerem Blick sehr konkret: So steckte das AA allein 2015 und 2016 Hunderte Millionen Euro in den Wiederaufbau von Städten und Regionen, die die Anti-IS-Koalition im Irak vom sogenannten Islamischen Staat zurückerobern konnte. Außerdem beteiligte sich das AA im Namen der Bundesregierung gleich an mehreren Geberkonferenzen für die Flüchtlinge in den Krisenregionen um Syrien und den Irak; im Zuge dessen stockte es die deutschen Mittel für Lebensmittel, Schulausbildung und die Stabilisierung der regionalen Gastländer auf mehrere Hundert Millionen Euro auf. Gemessen am Gesamtbudget (es liegt für 2016 bei knapp 317 Milliarden Euro) sind diese Beträge gering. Gemessen daran, dass es zu Beginn der Legislaturperiode noch gut drei Milliarden Euro weniger waren, ist das erheblich.

Zumal das Mehr für die Verteidigung noch nicht enthalten ist. Dieses Budget ist in den vergangenen drei Jahren ebenfalls um eine Milliarde Euro gestiegen, davon ist mindestens die Hälfte für Einsätze, die in Mali, im Nordirak und in Afghanistan die Lage stabilisieren sollen. Anders ausgedrückt: mit denen Fluchtursachen bekämpft werden.

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