23. Februar 2015 · Kommentare deaktiviert für Ceuta, Prozess: Reportage über 15-jährigen Überlebenden · Kategorien: Deutschland, Marokko, Spanien

Süddeutsche Zeitung

Nathan will reden

Von Stefan Klein

Nathan wollte nach Spanien. Er wollte es unbedingt. Lange hatte er dafür gekämpft, aber als er sein Ziel endlich erreichte, da wollte er weg, so schnell wie möglich. Vermutlich war der Kampf zu hart und zu blutig gewesen, als dass er noch Freundschaft hätte schließen können mit dem Land. Von Tarifa schlug er sich durch nach Cadiz, in Cadiz bettelte er sich das Geld zusammen für die Reise ans andere Ende des Landes nach San Sebastian, und da hatte der 15-jährige Junge aus Kamerun Glück. Er traf auf einen freundlichen Menschen, der ihm eine Fahrkarte kaufte für den Bus, von dem Nathan nicht wusste, wohin er fährt, außer: weg.

An der Seite des Busses stand ein von Flaggen umkränztes Wort geschrieben, Nathan weiß nicht mehr genau, was für ein Wort es war, aber er weiß noch, dass es mit „Euro“ losging und dass es irgendwie nach Ferne aussah. Das gefiel ihm. Es wurde eine lange Reise, es ging über Landesgrenzen hinweg, und Nathan wunderte sich, dass keine Kontrollen stattfanden und keiner nach Papieren fragte, die er nicht besaß. Ab und zu hielt der Bus an Tankstellen, und das war dann eine Gelegenheit zu pinkeln und Luft zu schnappen, manchmal bekam Nathan auch etwas zu trinken spendiert. Dann war wieder ein Stopp, und Nathan verpasste die Weiterfahrt.

Plötzlich saß er allein in einem Tankstellenbistro und hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Er hörte Leute um sich herum in einer Sprache sprechen, die er noch nie gehört hatte. Es muss für den Jungen gewesen sein, als wäre er unter Aliens auf dem Mond gelandet.

Gelandet war er in einer Stadt im Ruhrgebiet.

Jetzt, ein gutes Vierteljahr später, kommt Nathan beschwingt und anscheinend gut gelaunt durch den Hauptbahnhof dieser Stadt gelaufen. Unbeschwert sieht er aus, doch das kann eigentlich nicht sein nach allem, was er hinter sich hat. Und auch das, was er vor sich hat, ist nicht gerade wenig. In der Schule sind Tests zu schreiben, ein Theaterstück ist einzuüben, und dann auch noch das Basketballtraining. Nathan, inzwischen 16 Jahre alt, ist angekommen in Deutschland, auch wenn sich jetzt in diesen Februartagen natürlich sein Gedächtnis meldet und daran erinnert, was vor einem Jahr war und wie es ihm da ging.

Er ist erst 16. Ein Jahr ist vorüber, und noch immer hat er dieses Gesicht vor Augen, den Schläger

Ceuta und Melilla heißen diese beiden historischen Kuriositäten im Norden Afrikas. Obwohl auf marokkanischem Boden gelegen, gehören beide Orte zu Spanien; wer sie erreicht, ist in Europa, und erreichen wollen sie viele. Zwar hat man den Flüchtlingen aus Afrika vor Ceuta und Melilla riesige, mit messerscharfen Klingen gespickte Doppelt- und Dreifachzäune in den Weg gestellt, trotzdem versuchen sie es immer wieder. Man muss großen Mut haben und klettern können; nach Ceuta aber gibt es auch einen Weg übers Meer, um eine Mole herum. Nathan hat beides versucht, vor einem Jahr war er dabei, als ein paar Hundert Flüchtlinge vor Ceuta auf den Strand zustürmten.

Der Versuch endete mit fünfzehn Toten. Jedenfalls ist das die Zahl, die immer genannt wird. Nathan glaubt, dass es viel mehr waren, zweimal, dreimal so viele. Er selber hat an dem Tag eine Verletzung am rechten Unterarm erlitten, er muss nur den Pullover ein Stück zurückschieben, und es zeigt sich eine große Narbe. Nathan sieht den Polizisten der Guardia Civil noch heute vor sich, wie er auf ihn eindrischt, einen Schrank von einem Kerl, sehr kräftig, schwarze Haare, vielleicht 27, 28 Jahre alt – das Bild habe er im Kopf, sagt Nathan, er werde es nicht vergessen. Wenn man ihm Fotos vorlege, würde er den Mann identifizieren können. Möglich, dass das bald passieren wird, in einem Gericht.

Das große Unrecht, das an Europas Südgrenzen zur schrecklichen Gewohnheit geworden ist – es ist bisher nur selten von Richtern untersucht und geahndet worden. Das stille Sterben auf dem Meer, die Brutalitäten der Grenzschützer, die illegale Praxis, Migranten nach Überwindung der Grenze sofort wieder abzuschieben, all dies weiß man aus Dokumentationen von Aktivisten, aber nicht aus Gerichtssälen. Doch es sieht so aus, als ändere sich dies gerade. Immer öfter landen Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, und gerade ist dort, unterstützt von Pro Asyl, eine neue Klage eingegangen. Es geht um die Schuld am Tod von elf Afghanen, der Beschuldigte ist Griechenland.

Auch dies ist wieder so ein Fall, bei dem nicht sein sollte, was nicht sein darf. Das Fischerboot mit 27 Flüchtlingen an Bord war auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland, als es in schwerer See in Not geriet. Ein Schiff der griechischen Küstenwache wurde aufmerksam, doch was folgte, war nicht etwa die Rettung der Flüchtlinge. Vielmehr nahm die Küstenwache das Boot in Schlepptau und zog es mit voller Kraft zurück in Richtung Türkei. Push-back nennt sich das, wenn Flüchtlinge dorthin zurückverfrachtet werden, wo sie herkommen. Doch das Tau war zu kurz, die See zu rau, das Tempo zu hoch, das Fischerboot soff ab, drei Frauen und acht Kinder ertranken.

Aktionen dieser Art, bei denen Menschen wie Stückgut verschoben werden, sind gängige Praxis an Europas Außengrenzen, zu Lande, aber auch zu Wasser wie in der Ägäis. Auf Gerechtigkeit oder Entschädigung brauchen die Opfer in Griechenland nicht zu hoffen, im Fall der elf Toten hat die Militärstaatsanwaltschaft in Athen die Ermittlungen einfach eingestellt. „Unter skandalösen Umständen“, sagt Pro Asyl. Deshalb der Weg nach Straßburg zum Menschenrechtsgerichtshof, denn einer der Überlebenden sagt: „Wenn wir schweigen, wird es immer so weitergehen. Wir wollen nicht, dass andere dasselbe erleiden müssen wie wir.“

In der Ruhrgebietsstadt werden am Ende eines langen Gesprächs sehr ähnliche Sätze fallen. Ein Junge aus Afrika hat sich, so wirkt es, schon eingestimmt auf seine Rolle in einem Prozess, den eine Organisation anzustrengen versucht, die sich „Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte“, englisch abgekürzt ECCHR, nennt und ihren Sitz in Berlin hat. Die hat schon lange ein Auge auf die Vorgänge am Südrand der Festung Europa, und der brutale Grenzschutzeinsatz in Ceuta vor einem Jahr war dann der Anlass, aktiv zu werden und zusammen mit spanischen Anwälten einer nur sehr halbherzig ermittelnden Untersuchungsrichterin Druck zu machen.

Natürlich wird die Mole von Ceuta bewacht. Wer, wenn nicht Nathan, weiß, was das bedeutet?

Vor allem geht es darum, Betroffene zu finden und sie zu ermutigen, sich als Zeugen oder Nebenkläger zur Verfügung zu stellen. Leicht ist es nicht, schon gar nicht bei solchen Migranten, die noch in Marokko sind und den Durchbruch nach Spanien bislang nicht geschafft haben. Gegen die Guardia Civil auszusagen und dann beim nächsten Versuch an der Grenze genau dieser Guardia Civil gegenüberzustehen – für viele sei das eine beunruhigende Vorstellung, sagt Rechtsanwalt Carsten Gericke vom ECCHR. Doch dann kommt ein Anruf, und der Anrufer hat einen Tipp.

So wird der Kameruner Nathan gefunden, und der entpuppt sich bald als ein Zeuge, wie man ihn sich nur wünschen kann. Schon beim ersten Treffen mit Anwalt Gericke ist der beeindruckt von der Präzision, mit der Nathan die Ereignisse vom 6. Februar 2014 an der Mole vor Ceuta schildert.

Auf dieser Mole setzt sich der doppelte Grenzzaun, der Ceuta von Marokko trennt, ein Stück weit ins Meer fort. Sehr lang ist diese Aufschüttung nicht, man kann leicht um sie herum schwimmen oder sich an ihr entlang hangeln, wenn man nicht schwimmen kann. Eigentlich kein Hindernis, doch die Mole wird bewacht von der Guardia Civil, und Nathan weiß aus Erfahrung, was das bedeutet. Obgleich einer der Jüngsten unter den Migranten, gehört er zu den Veteranen. Es ist bereits sein fünfter Versuch, über die Grenze zu kommen. Er hat alles schon am eigenen Leib gespürt: die Gummigeschosse, die Schlagstöcke, das Tränengas.

Sie sind 300, vielleicht 400 Afrikaner an diesem Morgen. Sie haben sich in Gruppen aufgeteilt, Nathan ist in der ersten. Als einer der Erfahrenen geht er voran, um den anderen Mut zu machen. Er, der Nichtschwimmer, trägt einen Gummischlauch am Körper, den er aufbläst, als sie sich dem Wasser nähern. Mit der einen Hand tastet er sich die Mole entlang, mit der anderen versucht er, paddelnd voranzukommen.

Dann fallen Schüsse, Nathan hört auch Schmerzensschreie. Er sieht, wie die Grenzschützer zielen und schießen. Er selber wird von den Garben aus Gummikugeln diesmal nicht getroffen. Aber da ist dieser schwarzhaarige Kerl, dessen Gesicht Nathan nicht vergessen wird. Sein Schlagstock verletzt Nathan am Kopf und reißt ihm die Haut am rechten Ellenbogen auf. Die Tränengasschwaden lassen ihn nach Atem ringen.

Nathan schafft es auf die spanische Seite, er ist eigentlich am Ziel, aber so wie ein paar Monate vorher, als er auch schon mal so weit gekommen war, wird er zusammen mit anderen umgehend durch eine Tür im Zaun zurückgeschoben auf die marokkanische Seite. Er hätte das Recht, um Schutz zu bitten und einen Asylantrag zu stellen. Er hätte das Recht auf einen Anwalt und einen Dolmetscher. Stattdessen: pushed back.

Nathan ist tropfnass und blutet am Arm, andere haben diese kleinen, runden Wunden auf der Haut, wie sie von Gummigeschossen herrühren, die die Guardia Civil benutzt. Aber auf spanischem Boden kümmert sich keiner um die Verletzungen, das passiert erst auf der marokkanischen Seite. Nathans Platzwunde am Arm muss genäht werden.

Noch weiß er nicht, was für ein tödlicher Einsatz dies war, aber dann sieht er Leichen am Strand liegen, es sind Tote darunter, die er kennt, Kameruner wie er. Eine ordentliche Obduktion würde Fragen nach der Todesursache beantworten, aber die Marokkaner wollen es nicht so genau wissen. Es wird schnell beerdigt, und so bleibt nur die – auch von Nathan gestützte – Vermutung, dass die Brutalität zu Panik, und die Panik zum Ertrinken geführt hat.

Später wird sich die Guardia Civil mit der Behauptung verteidigen, sie hätte mit den Gummigeschossen nicht auf die Migranten gezielt, es sei ihr darum gegangen, den Grenzverlauf im Wasser zu markieren. Dazu sagt der spanische Anwalt Gonzalo Boye, der mit dem ECCHR eng zusammenarbeitet: „Die halten uns wohl für Idioten.“ Solche „Dummheiten“ würden auf die Guardia noch zurückschlagen, sie hätte gut daran getan, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.

Bei Nathan, dem großen Jungen, überwiegt das schier ungläubige Staunen darüber, dass die Grenzschützer zu solchen Grausamkeiten überhaupt fähig sind. Er sagt: „Abends sind sie zu Hause, haben es gut mit ihren Familien, spielen mit ihren Kindern, und am nächsten Morgen stehen sie auf und töten Migranten an der Grenze.“ Geradeso, als gehöre man als Afrikaner nicht zur Spezies Mensch.

Manchmal, sagt Nathan, und es ist ein entsetzlich trauriger Satz, manchmal frage er sich, ob es sich überhaupt lohne, ein Afrikaner zu sein. Aufgewachsen in einer bettelarmen Familie im Westen Kameruns, erlebt er als kleiner Junge mit, wie ein schlimmer Konflikt seine Eltern zu Feinden macht. Die Mutter flieht mit dem zwölfjährigen Jungen in den Norden des Landes, dann übernimmt ihr Bruder, und gemeinsam fliehen Onkel und Neffe weiter über Nigeria, Niger, Algerien, aber an der Grenze zu Marokko werden sie verhaftet und eingesperrt.

Nathan schieben die Algerier nach Marokko ab, vom Onkel hört er nie wieder etwas. Nathan ist zu jung, um irgendeine Vorstellung zu haben, wie es weitergehen soll, er schließt sich anderen Migranten an, er hört von dem sagenhaften Kontinent Europa und versucht zwei Jahre lang, den Weg dorthin zu finden, mal über Melilla, mal über Ceuta. Schließlich findet er ihn im Spätsommer vergangenen Jahres, ein halbes Jahr nach den Schüssen an der Mole. Die Meerenge von Gibraltar mag auf der Karte aussehen wie ein winziger Spalt, aber in Wahrheit ist es ein stattliches Stück Meer. Sie sind zu elft, und sie haben nur ein kleines Schlauchboot. Sie müssen paddeln und ständig Wasser schöpfen. Drei ertrinken, dann kommt das Rote Kreuz und schafft die, die noch leben, ins spanische Tarifa.

Es kann einer daran zerbrechen, und es wird sich noch herausstellen, wie schwer das Trauma ist, das Nathan erlitten hat. Es kann einer daran aber auch wachsen, weil er sonst nicht überlebt. Manchmal, wenn Nathan lacht, sieht man noch das Kind, aber gleich darauf hört man ihn, wie er das eigentliche Problem kurz und prägnant auf den Punkt bringt. Die wahren Schuldigen in Ceuta und Melilla, sagt er, seien ja nicht die Grenzbeamten, sondern vielmehr die Länder der EU, die dieses unmenschliche Grenzregime fördern und finanzieren, um Afrikas Arme fernzuhalten.

Wie lang ist der Arm der Guardia Civil? Der Junge hat Angst, dass er bis nach Deutschland reicht

Der angestrebte Prozess freilich wird auf die Täter an der Grenze zielen, und Nathan ist offenbar entschlossen, seinen Teil dazu beizutragen. Nicht, dass er sich nicht ein Stück weit hätte überwinden müssen. Nathan ist in Deutschland derzeit nur geduldet, das ist von allen Aufenthaltsgenehmigungen die schwächste. Ein Geduldeter ist in ständiger Gefahr, abgeschoben zu werden, jedenfalls dann, wenn er volljährig ist, in Nathans Fall in weniger als zwei Jahren. Kein Wunder, dass er Anwalt Gericke schon gefragt hat, wie weit der Arm der Guardia Civil wohl reiche und ob er lang genug sei, um die deutschen Ausländerbehörden zu beeinflussen.

Andererseits dürfte es wenige Migranten in Deutschland geben, die von Juristen so intensiv betreut werden wie Nathan, und man lasse dabei, sagt Gericke, allergrößte Vorsicht und Behutsamkeit walten. Das mag so sein, aber man kann natürlich auf die Idee kommen, dass da eine Organisation in noch so ehrenwerter Absicht einem Jungen nach den Jahren einer albtraumhaften Flucht etwas aufbürdet, das vielleicht zu schwer ist für ihn.

Zwar sagen alle, die ihn kennen, wie intelligent Nathan sei, wie gut er in den wenigen Monaten schon Deutsch gelernt habe und wie ernst er die Schule nehme. Abitur erscheint realistisch, vielleicht sogar das Studium der Informatik, von dem Nathan träumt. Aber es ist erst der Anfang, der Junge ist noch nicht auf festem Grund. Wenn er mit seiner Mutter telefoniert und fragt „Ça va?“ – wie geht’s, dann sagt sie „Ça va“ – geht schon, aber er weiß, dass es nicht stimmt und dass sie das nur sagt, um ihn nicht zu beunruhigen. Nathan ist den Tränen nahe, als er davon erzählt.

Wirkliche Integration dauert. Nathan ist kein Muslim, er ist gläubiger Katholik, aber als er einmal in einem Bahnhof auf einen Zug wartet und auf einer Bank Platz nimmt, da steht der ältere Deutsche, der da sitzt, sofort auf, demonstrativ. Nathan hat das gekränkt.

Da ist die Frage, ob es überhaupt zu verantworten ist, dass alles an ihm hängt, dem Traumatisierten

Es ist einiges zu verarbeiten für diesen Jungen aus Afrika. Eine zusätzliche Last ist der Prozess, der jetzt sehr wahrscheinlich geworden ist, nachdem 16 Beamte der Guardia Civil zu Beschuldigten erklärt worden sind. Aber wenn sich nicht noch weitere aussagewillige Zeugen finden, wird sich die Anklage zu einem beträchtlichen Teil auf die Aussage Nathans stützen müssen, ein traumatisierter Jugendlicher würde sich auf großer Bühne in der Hauptrolle wiederfinden. Gonzalo Boye sagt, man wisse um die Verantwortung und werde alles tun, um den Jungen maximal zu schützen. Man werde, so wie in dieser Reportage, seine tatsächliche Identität geheim halten und es Nathan ermöglichen, seine Aussage in einer Videoübertragung zu machen, sodass er nicht persönlich erscheinen muss zum Prozess in Ceuta.

Für Nathan ist das eine gute Nachricht, denn er will ja aussagen, er will es, trotz allem, unbedingt. Er hat dasselbe Motiv wie die afghanischen Überlebenden der Schiffstragödie in der Ägäis: Er will, dass die Welt endlich erfährt, was an den Südgrenzen Europas tatsächlich passiert. Wie viel Blut dort fließt und mit welcher Grausamkeit die Grenzschützer gegen Migranten vorgehen. Gerade weil er selber großes Glück gehabt hat und durchgekommen ist, empfindet er die Toten von Ceuta und Melilla als Verpflichtung, den Mund aufzumachen und zu schildern, was er gesehen und erlebt und erlitten hat.

Deshalb tritt er auch bei Veranstaltungen auf, die Europas tödliche Grenzen zum Thema haben. Beim ersten Mal, das war im Rahmen eines Filmfestivals, Nathan war erst kurz vorher in Deutschland eingetroffen, da hat er sich nur zeigen und kaum etwas sagen können. Aber Nathan wird sich an solche Auftritte gewöhnen, denn er ist gefragt als Zeit- und Augenzeuge. Er sagt, was er weiß, er wird es auch vor einem Gericht tun. Nathan ist noch sehr jung, aber er hat ein ausgeprägtes Empfinden für Gerechtigkeit. Es sagt ihm, dass die, die den tödlichen Einsatz in Ceuta vor einem Jahr zu verantworten haben, hart bestraft werden müssen – „sehr hart“.

Stefan Klein

Kommentare geschlossen.