29. Mai 2014 · Kommentare deaktiviert für „Ägypten: Stimmenthaltung als Votum“ – Telepolis · Kategorien: Ägypten

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Ägypten: Stimmenthaltung als Votum

Der Wahlboykott wird zum Politikum gegen den „Retter as-Sisi“

Der Retter Ägyptens drängt zur Wahl, er will die Lizenz zur Herrschaft und kaum einer geht hin. 40 Millionen seiner Landsleute wollte as-Sisi an den Wahlurnen sehen, um Ägypten und der Welt zu beweisen, dass die durch das Militär bewerkstelligte Machtübernahme legitimiert war, dass es darüber einen nationalen Konsens gibt.

Die aufgebauschte Zahl von 23 Millionen, die am 30. Juni 2013 auf die Straße gingen, um den Rücktritt Mursis zu fordern, auf die man immer wieder hinwies, um das „Gerede“ vom Putsch zu wiederlegen, gelten nun als Maßstab. Auf jeden Fall wollte der Präsidentschaftskandidat as-Sisi mehr als die 13,2 Millionen Stimmen, die Mursi 2012 bei seiner knappen Wahl zum Präsidenten auf sich vereinigte, übertreffen. Heute geht die Wahl in die Verlängerung, weil die Beteiligung bei den angesetzten zwei Wahltagen zu wünschen übrig ließ.

Anhänger diverser Organisationen der revolutionären Jugend und vor allem die Muslimbrüder hatten zum Boykott der Wahl aufgerufen – und wie es derzeit den Anschein hat, sind sie diejenigen, die aus der schwachen Wahlbeteiligung Rückendeckung für ihre Anliegen und ihre Kritik ziehen können.

Genaue Zahlen zum Politikum der Wahlbeteiligung sind noch nicht bekannt; die staatsnahe Zeitung al-Ahram berichtete gestern von vier bis acht Millionen Ägypter, die nach Schätzungen „verschiedener Quellen“ am Montag, dem ersten Wahltag, ihre Stimme abgaben. Dass der Dienstag dann zu einem freien Tag für alle Staatsangestellten erklärt wurde, wird ebenso als deutliches Zeichen für eine Beteiligung gewertet, die am Ende weit unter den 51.86 % der Wahl von 2012 liegen könnte, wie die gestern verkündete Verlängerung der Wahl um einen Tag.

Geht es nach Informationen von Mada Masr, einer Publikation, die sich kritische Distanz zur Regierung und zum Machtapparat leistet, so war die Beteiligung am Dienstag „noch schwächer als am ersten Tag“.

As-Sisi hat nach einem Mada-Masr-Bericht opulent Wahlplakate verteilt, er kann auf die Unterstützung vieler Parteien zählen, darunter so unterschiedlicher wie die liberale Wafd-Partei und die salafistische an-Nour-Partei; jeder, der mit dem Tourismus in Verbindung steht, hofft auf as-Sisi, der versprochen hat, die Branche zur Priorität zu machen. Vor allem aber hat as-Sisis Kampagne sich nicht damit zurückgehalten, darauf zu verweisen, dass man auch die Unterstützung von Persönlichkeiten hat, die schon zu Mubaraks Zeiten eine wichtige Rolle einnahmen.

Risse, die nicht leicht zu überspielen sind

Das wird seinen Wahlkampfhelfern nun laut al-Ahram als Fehler vorgehalten, weil damit die Vorstellung einer „Wiederbelebung des Mubarak-Regime“ bestätigt werde. Wahrscheinlich hatten dies die jüngeren Wahlberechtigten nicht nötig, um überzeugt davon zu sein, der Wahl besser fernzubleiben.

Gut die Hälfte der Ägypter, 52 Prozent, ist unter 25 Jahre, 60 Prozent sind unter 30 Jahre alt. Die Arbeitslosigkeit lag 2012 bei den 15- bis 24-Jährigen bei 35,7 Prozent. Laut ersten Einschätzungen war das Ausbleiben junger Wähler auffällig.

Bestätigen sich die Anzeichen für eine außergewöhnlich schwache Wahlbeteiligung, so hat es as-Sisi, sollte er gewählt werden, mit gesellschaftlichen Rissen zu tun, die er nicht leicht überspielen kann: gegenüber einer revolutionären Jugend, die er in seinen Reden nach der Absetzung Mursis als Zukunft des Landes beschwor, gegenüber den Muslimbrüdern, die in Ägypten tief verankert sind.

Nicht nur, dass sich daraus ein beständiges Unruhepotential ergibt, dass auch einen Polizeistaat vor Probleme stellt, die Legitimationslücken werden diejenigen zu nutzen verstehen, die sich schon unter Mubarak weigerten, ihre Privilegien zugunsten von Reformen aufzugeben. Der korrupte Beamtenapparat zum Beispiel. Und die Bevölkerung wird bei einem schwachen Wahlergebnis as-Sisis und beim Ausbleiben versprochener Verbesserungen der eigenen Lebensverhältnisse möglicherweise wieder das tun, woher der frühere Feldmarschall die Legitimation für seine Machtergreifung bezog: auf die Straße gehen.

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