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„Das ganze Asylsystem entspricht nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten der Migration“
Birgit v. Criegern
Judith Gleitze von „borderline-europe“ über Flüchtlingslager in Sizilien, Frontex und fatale Auswirkungen der Dublin-II-Regelung
Der EU-Gipfel zum Thema der Flüchtlingspolitik ging in Brüssel über die Bühne, indem man an Abschottung festhielt. Die bereits existierenden Maßnahmen sollen effektiver genutzt werden, „insbesondere in Hinblick auf Kooperationen mit den Herkunfts- und Transitstaaten, Aktivitäten von Frontex und den Kampf gegen Schleusung und Menschenhandel“, wie es im Entwurf für die Abschlusserklärung hieß.
Kein verbindliches Programm für den Schutz von asylsuchenden Menschen auf hoher See also – trotz der jüngsten Tragödie mit mehr als vierhundert Toten vor Lampedusa im Oktober. Beratungen über eine europäische Asylpolitik wurden auf den kommenden Sommer verschoben. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kommentiert:
Die geplanten Maßnahmen werden das Sterben von Flüchtlingen an Europas Grenzen nicht beenden… Durch die Perfektionierung der Abschottungsmaßnahmen werden Fluchtrouten immer länger und gefährlicher.
Seitens der europäischen Regierungschefs bleibt man dabei, dass das Eurosur-System zur Überwachung der Außengrenzen genutzt werden solle. Und die Grenzüberwachungsagentur „Frontex“ soll – etwa mit ihren Grenzaktivitäten im Programm „Hermes“ – ausgeweitet werden und mehr Geldmittel erhalten.
Zwischen 25.000 und 36.000 Menschen sollen in 2013 Italien erreicht haben, unter ihnen syrische Flüchtlinge als größte Gruppe, gefolgt von eritreischen und somalischen Flüchtlingen.
Die Vereinigung borderline-europe dokumentiert seit 2007 die Vorgänge an den europäischen Außengrenzen und leistet Hilfe für Geflüchtete an mehreren Orten. Sie berichten von unmittelbaren Vorgängen, wenn die Boote Geflüchteter vor Lampedusa oder Malta anlanden wollen, und sie weisen auch auf die Lebensumstände für die überlebenden Flüchtlinge hin, die versuchen, ihren Asylantrag zu stellen.
So wird zum Beispiel wiederholt von „dramatischen Verhältnissen“ in Sizilien berichtet: Das zentrale Aufnahmelager CARA im Ort Mineo wird hier seit März 2011 betrieben. Offiziell bietet es 2.000 Plätze, ist aber seit diesem Jahr ständig mit der knapp doppelten Anzahl an Flüchtlingen belegt. Schon eine ganze Reihe von Protestkundgebungen von Migranten wurden hier gegen unwürdige Verhältnisse und teils rassistische Behandlungsweisen durchgeführt.
Judith Gleitze arbeitet bei borderline-europe in der Außenstelle Sizilien sowie in dem sizilianischen Verein Borderline Sicilia Onlus, einem Monitoring-Netzwerk zur Migration auf Sizilien, das die Ereignisse auf dem Blog siciliamigranti.blogspot.com dokumentiert. Die Artikel werden in ehrenamtlicher Arbeit ins Deutsche und ins Englische übersetzt.
Statt Frontex eine Seenotrettungsagentur
Wie viele Menschen kamen in 2013 vor den italienischen Küsten nach Schätzung von borderline-europe ums Leben?
Judith Gleitze: Das kann man nicht sagen, da wir überhaupt nicht wissen, wie viele Menschen losgefahren und niemals angekommen sind. Laut Aussage der italienischen NGO Fortress Europe sind es in diesem Jahr mindestens 695 Menschen, die nachweislich an den europäischen Grenzen den Tod gefunden haben. Viele von ihnen sind auf dem Mittelmeer gestorben.
Wie beurteilen Sie das Ergebnis der Europaratssitzung vom 25. Oktober? Zum Beispiel bei dem beschlossenen Ausbau von Frontex macht man – wie auch schon in der Vergangenheit – das Argument geltend, dass die Agentur nicht nur zur Abwehr von Flüchtlingen, sondern auch für Rettung aus Seenot eingesetzt werde. Was halten Sie für erforderlich, um mehr Leben zu retten?
Judith Gleitze: Das Ergebnis oder besser Nicht-Ergebnis ist bedauerlich. Frontex ist eine Agentur, die der Grenzsicherung dient, warum sollte sie ihr Mandat auf Seenotrettung ausweiten? Was gebraucht wird, ist eine echte Seenotrettungsagentur statt Frontex! Zudem muss endlich Klarheit über die Verteilung von Flüchtlingen, die über See nach Europa kommen, geschaffen werden. Beispielsweise entscheidet sich Malta immer wieder gegen Rettungsmaßnahmen, da die Verteilung von landenden Flüchtlingen nicht europaweit erfolgt. Und das kann Menschenleben kosten.
Zudem müssen europäische und nationale Gesetze, die es unter Strafe stellen, Flüchtlingen aus Seenot zu retten, reformiert werden. Denn in den letzten Jahren wurden ja zivile Retter auf See anschließend in Agrigent angeklagt: So die sieben tunesischen Fischer, die in 2007 44 havarierende Flüchtlinge bargen.
Wir brauchen überdies legale Einwanderungsmöglichkeiten, Visafreiheiten, um dann Asylanträge in Sicherheit zu stellen. Das ganze Asylsystem entspricht doch nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten der Migration. Geschaffen nach dem II. Weltkrieg, spricht es von politischen Flüchtlingen, die von einem Staat verfolgt werden müssen. Verfolgungen durch nicht-staatliche Gruppen zählen nicht. Flucht aus sozioökonomischen Gründen wie Dürre, Hunger, Verschmutzung etc. ist ebenfalls nicht vorgesehen, doch genau dies geschieht auch jeden Tag und zwingt Menschen auf unsichere Boote. Und vergessen wir dabei bitte nicht immer den Anteil der so genannten westlichen Welt an der Schaffung von Fluchtgründen – mit Fischereiabkommen u.ä..
In Lampedusa sind die staatlichen Einrichtungen heillos überfüllt
Auch seit dem 24. Oktober seien erneut knapp 330 Personen vor Lampedusa angelandet, berichtete borderline-europe. Wie sind die Möglichkeiten für die Betroffenen, nachdem sie erst einmal körperlich stabilisiert sind, ein Asylverfahren zu beginnen?
Judith Gleitze: Das derzeitige – und leider immer wiederkehrende Problem – ist der Mangel an vernünftigen Unterbringungsplätzen. Derzeit sind alle staatlichen Einrichtungen komplett ausgelastet. Das führt dazu, dass die Zentren für Asylsuchenden entweder so heillos überfüllt sind, dass die Asylantragstellung und das Verfahren sehr viel Zeit in Anspruch nehmen oder aber die Flüchtlinge in aus dem Boden gestampften Einrichtungen „zwischengeparkt“ werden, in denen sie aber keine Asylanträge stellen können. Das bedeutet, dass viele Flüchtlinge nach ihrer Ankunft auf Sizilien erst einmal gar keinen Antrag stellen können, und das oft wochenlang nicht. Erst, so die Behörden, muss ein Platz in einer der Regelunterkünfte frei werden, dann kann man dort einen Antrag stellen. In der Zwischenzeit leben die Flüchtlinge eingepfercht und ohne Informationen in eigentlich nicht legalisierten Unterkünften wie Turnhallen, alten Schulen, großen Zelten oder ähnliches.
Offenbar werden angelandete Flüchtlinge regelmäßig in das Aufnahmelager Mineo geschickt. Das Lager ist bei borderline sehr in der Kritik. Unterstützer schrieben auf dem Blog „Siciliamigrants“ u.a. von rassistischen Behandlungsweisen durch Wachpersonal. Wie können Sie die Umstände beschreiben, wie die Betroffenen hierher geschickt und interniert werden?
Judith Gleitze: Mineo ist derzeit das größte europäische Auffangzentrum für Asylsuchende. Es handelt sich um eine ehemalige Siedlung für amerikanische Soldaten, daher wirken die vielen kleinen Häuschen auf dem Gelände erst einmal gar nicht schlecht. Doch der Schein trügt. 2.000 Plätze wurden hier im März 2011 geschaffen, derzeit befinden sich ca. 3.800 Menschen hier.
Auf Lampedusa oder an der sizilianischen Küste angelandet, werden sie als potentielle Asylsuchende in ein so genanntes CARA, ein Zentrum für Asylsuchende, verlegt. Das betrifft z.B. nicht die Ägypter oder Tunesier, die anlanden. Bei diesen wird von vorneherein aufgrund der Herkunft ausgeschlossen, dass es sich um Asylsuchende handeln könnte. Das ist natürlich vollkommen illegal, da jeder Mensch erst einmal das Recht auf eine Antragstellung hat. Es gibt offiziell drei dieser CARAs auf Sizilien, eines in Trapani im Westen, eines in Innersizilien (Caltanissetta) und eben Mineo, das im sogenannten Notstand eröffnet wurde und dann als CARA auch nach der Beendigung der Notstandsregelung beibehalten wurde.
Kurz gefasst gibt es folgende Kritikpunkte: Überbelegung und dadurch mangelnde medizinische und psychosoziale Versorgung, viele Migranten leiden aufgrund der schlechten Essenversorgung an Magen- und Darmproblemen, Traumatisierte werden nicht behandelt etc., es gibt keine Möglichkeit, in der Wartezeit z.B. die Sprache zu erlernen. Es gab ab und an Sprachkurse, aber bei mehr als 3.000 Bewohnern ist das unmöglich zu organisieren.
Und es gibt sehr lange Wartezeiten: Erst einmal vergehen Wochen bis zur möglichen Antragstellung, dann sehr viele Monate bis zu Anhörung und Entscheidung. Der Durchschnitt der Wartezeit liegt bei ein bis zwei Jahren. Das liegt am italienischen Anhörungsverfahren, in dem eine Asylkommission in Syrakus vorgesehen ist, die Mineo mit behandeln muss. Durch die Entfernung werden umständliche Verfahrenswege bewirkt? In Zeiten des „Notstandes“ 2011 wurden Unterkommissionen gebildet, damit die Verfahren schneller geführt werden können, doch diese wurden wieder abgeschafft. So sind wir derzeit bei einem Schnitt von 30-35 Anhörungen in der Woche. Bei den bekannten Anwesenheitszahlen kann man sich vorstellen, wie lange es dauert, bis man an der Reihe ist.
Ein weiteres großes Problem ist die Lage: Das Zentrum ist elf Kilometer von der nächsten Stadt entfernt. Bergauf. Das bedeutet für die dort lebenden Flüchtlinge eine komplette Ausgrenzung aus dem sozialen Leben für Monate und Jahre.
Geschäfte, die auf dem Rücken der Migranten ausgetragen werden
Das „Antirassistische Netzwerk Catania“ und Borderline Sicilia dokumentieren viele Einschränkungen für die Flüchtlinge, die in dem Lager leben. Welche Möglichkeiten für Bewegungsfreiheit und Rechtsschutz gibt es zum Beispiel in Mineo für sie?
Judith Gleitze: CARA sind prinzipiell offene Einrichtungen, das heißt, wer drinnen ist, darf hinaus. Umgekehrt funktioniert das nicht, daher können wir auch selten Besuche im Zentrum machen. Das Essen wird von einer Firma gestellt, die damit sehr viel Geld verdient. Die Migranten hingegen dürfen nicht selber kochen, obwohl jedes der Häuschen über eine Küche und einen Grill vor dem Haus verfügt. Hier werden die Flüchtlinge über Monate und Jahre massiv eingeschränkt.
Da Anwälte und Unterstützungsgruppen keinen freien Zutritt zum Zentrum haben ist die Frage nach der Rechtsberatung eine äußerst delikate. Die Betreiber können den Flüchtlingen zwar Anwälte vermitteln, aber das tun sie dann auch nur in ihrem Sinne, sprich, Anwälte, die mit den Betreibern einer Meinung sind und damit dann noch Geld verdienen. Frei gewählte Rechtsberatung ist also fast unmöglich, da die Flüchtlinge ja auch nicht in die nächste größere Stadt, nach Catania, fahren können, um sich einen Anwalt zu suchen. Sie haben dafür kein Geld und auch keine Kontakte. Es gibt also faktisch nur die Freiwilligen, die in regelmäßigen Abständen nach Mineo fahren und vor dem Zentrum ihre Hilfe anbieten.
Zudem möchte ich noch auf das Business hinweisen, das mit den Flüchtlingen in Mineo – und anderswo – gemacht wird. Alles findet im Inneren statt. Flüchtlinge, die nicht in die Stadt Mineo laufen können oder wollen, müssen im kleinen Laden im Zentrum einkaufen. Das Essen, wie schon erwähnt, wird geliefert. Die Miete des ganzen Anwesens geht in die Hunderttausende im Monat und beträgt über 6 Millionen Euro im Jahr. Das Zentrum schafft Arbeitsplätze und erhält viel Geld vom Innenministerium. Alles ein Geschäft, das letztendlich auf dem Rücken der Migranten ausgetragen wird, die verdammt sind, hier zu leben.
Bei Mineo führten Flüchtlinge wiederholt Protestkundgebungen durch. So demonstrierten am 3. Oktober rund 300 Asylsuchende gegen die langen Wartezeiten für die Prüfung ihrer Anträge, berichtete borderline-europe bei „Siciliamigranti“. Welche Proteste erfolgten noch? und wie werden die Forderungen und Kundgebungen der Geflüchteten, des Antirassistischen Netzwerks Catania und von Borderline Sicilia von der regionalen Politik wahrgenommen?
Judith Gleitze: Proteste wie die Besetzung der Straße von Gela nach Catania, die in der Nähe des Zentrums vorbeiführt, werden mit Tränengas und Schlagstöcken geahndet. Die Flüchtlinge hingegen haben keine Mittel, sich dagegen zu wehren. Auch wenn in den Medien hochgespielt wurde, es hätte beim letzten Protest im Oktober einen „Guerillakampf“ gegeben, muss man doch einmal relativieren: schwer bewaffnete Polizisten gegen Flüchtlinge, die höchstens einen Stein finden können, um diesen zu werfen. Da kann man sicher nicht von „Guerilla“ sprechen.
Es kommt regelmäßig zu Protesten von Flüchtlingen in Mineo. Ihr einziges Mittel ist die Besetzung einer wichtigen Verkehrsverbindung, der Straße von Gela nach Catania. Andere Möglichkeiten des Protestes sind einzelne Hungerstreiks, 2011 gab es auch sieben Selbstmordversuche. Die Flüchtlinge versuchen verzweifelt, gegen das Vergessenwerden zu protestieren, denn so empfinden sie die lange Wartezeit, in der sie einfach nichts tun können. Die Flüchtlingsgruppen unterstützen die Proteste durch ihre Anwesenheit und vor allem durch das Veröffentlichen dessen, was vor Ort geschieht, denn oftmals sind die Presseberichte doch sehr gefärbt von rassistischem Gedankengut.
Mineo muss geschlossen werden, das ist die einhellige Meinung der Flüchtlingsgruppen. Die regionale Politik sieht zwar hier und da die Probleme, die das Zentrum mit sich bringt, aber es ist doch eine zu große Einnahmequelle, als dass man es aufgeben möchte. Somit werden die Proteste mit Tränengas beendet und die Flüchtlinge damit eingeschüchtert, dass das alles Rückwirkungen auf ihren Asylantrag haben kann. Doch sie geben nicht auf, und wir werden sie weiter unterstützen.
Es muss legale Einreisemöglichkeiten nach Europa geben
Es scheint, dass die regionale Politik, die direkt für die Geschehnisse an der italienischen Küste zuständig ist – wie zum Beispiel die Bürgermeisterin von Lampedusa Giusi Nicolini – die EU-Mehrheitspolitik mit Abschottung ablehnt. Es sieht aus wie ein Tauziehen.
Judith Gleitze: Jemand wie die Bürgermeisterin von Lampedusa erlebt diese Tragödien jedes Mal hautnah – wie auch die Bewohner der Insel. Von „oben“, vom grünen Tisch, kann man viel bestimmen, beraten, denken, doch die Realität ist eine andere. Ich denke, das wird jedem so gehen, der direkt mit diesen Tragödien konfrontiert ist und sieht, was die „Festung Europa“ anrichtet.
Schon die italienischen Regierungsmitglieder sind letztendlich weit von der Realität entfernt, wie man an der angeordneten Trauerfeier für die toten Eritreer des Unglücks vom 3. Oktober vor Lampedusa mit 366 Toten erkennen konnte: die Überlebenden waren nicht eingeladen, statt dessen jedoch Vertreter der eritreischen Regierung, vor der eben jene Menschen geflohen waren. Grotesker geht es kaum. Dennoch bleibt Giusi Nicolini wohl eine der wenigen, die sich massiv gegen diese Politik auflehnen, leider.
Welche Entwicklung auf europäischer politischer Ebene wäre notwendig für Lebensrettung und den Respekt von Menschenrechten an den EU-Außengrenzen?
Judith Gleitze: Es muss legale Einreisemöglichkeiten nach Europa geben. Sei es durch einen humanitären Korridor oder durch Visaerleichterungen. Die Panikmache, dann kämen alle, ist nicht berechtigt, wenn man sieht, dass es weltweit, Binnenflüchtlinge mitgezählt, über 45 Millionen Menschen gibt, die aus den diversesten gründen fliehen müssen. Angekommen sind in Italien in diesem Jahr bisher gerade einmal 36.000.
Jetzt werden sicher wieder Stimmen laut: „Wann stellen Sie denn Zelte in Ihrem Garten für diese Leute auf?“ Dann, wenn die europäische Politik aufhört, Lebensgrundlagen zu zerstören, die Menschen dazu zwingen, das eigene Land zu verlassen. Auch wir aus der so genannten westlichen Welt tragen viel zu Fluchtursachen bei, vergessen wir das nicht. Zudem stelle ich mir, wenn ich mich im außereuropäischen Ausland befinde, immer wieder die Frage: Was wäre, wenn jetzt ein Krieg ausbricht und du kannst nicht mehr nach Hause? Und hier wollen sie dich nicht haben? Ich hoffe für alle, die eine so große Angst haben, durch nach Europa kommende Flüchtlinge etwas zu verlieren, dass sie nie in diese Situation kommen mögen.
Zudem sollte die EU eine umfassende Strategie für die Migration von Arbeitskräften entwickeln, inklusiver legaler Zugangsmöglichkeiten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Abschaffung der Dublin II- inzwischen ja schon III- Verordnung, die besagt, dass der Flüchtling in dem ersten europäischen Land verbleiben muss, in dem er ankommt. Länder wie Malta verweigern immer wieder die Seenotrettung und verweisen auf Italien, da Flüchtlinge sonst in Malta bleiben müssten, sind sie einmal dort angekommen. Diese Verordnung ist also nicht nur unmenschlich, weil sie verhindert, dass Flüchtlinge zu Verwandten oder Bekannten ziehen, die schon in Europa leben und sie unterstützen könnten, sie kann auch Leben kosten.
Es muss eine Änderung des Überwachungssystems geben. Es kann nicht sein, dass angebliche Sicherheit – wenn der „Migrant als Bedrohung“ gezeichnet wird – vor Leben geht. Seenotrettung muss vor Abschottung stehen, sprich, das Seenotrettungsprinzip, das es ja gibt, muss Vorrang haben. Dazu gehört auch, die internationalen Konventionen hierzu einzuhalten und Gerettete wirklich in einen „sicheren Hafen“, wie es die SAR (Search and Rescue) Konvention vorschreibt, zu bringen. Einen Hafen, von dem aus sie nicht in Haft genommen werden oder sonstiger unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sind. Außerdem darf Seenotrettung nicht kriminalisiert werden – Seenotrettung ist eine Pflicht, kein Verbrechen.