07. August 2013 · Kommentare deaktiviert für Russland: 83 Abschiebelager in Planung · Kategorien: Nicht zugeordnet · Tags:

taz 07.08.13

„Hetzjagd auf Einwanderer geht gnadenlos weiter

RUSSLAND 600 Migranten sind in Moskau inhaftiert. Behandelt werden sie wie Schwerstkriminelle

83 Lager für Abschiebehäftlinge mit 4.500 weiteren Bediensteten will Russland landesweit einrichten. Ein entsprechender Gesetzesentwurf des Föderalen Migrationsdienstes ist bereits ausgearbeitet, berichten russische Medien.

Der Plan wurde dieser Tage bekannt, als mit der Inhaftierung von 3.000 Migranten in den ersten Augusttagen eine neue Welle von Migrantenfeindlichkeit mitten im Vorwahlkampf um das Moskauer Bürgermeisteramt einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte. Die Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters versuchen sich gegenseitig in fremdenfeindlicher Rhetorik zu überbieten und betonen ihre Entschlossenheit im Kampf gegen die „ethnische Kriminalität“.

Nur wenige Stunden nach Tätlichkeiten dagestanischer Marktstandbetreiber auf dem Moskauer Markt „Matwejewskij“ gegen Polizisten Ende Juli hatte die Moskauer Polizei mit einer Hetzjagd auf Ausländer ohne gültige Papiere begonnen. Rechtsradikale Gruppen in St. Petersburg und Moskau nutzten sofort die Gunst der Stunde und boten der Polizei ihre Hilfe an. Mit Bekanntwerden der „Säuberungsaktionen der Märkte“, eine Sprachregelung, die viele an sogenannte. „Säuberungsaktionen“ aus dem Tschetschenien-Krieg erinnert, machten sich auch die nationalistischen Gruppen auf den Weg. In Märkten und U-Bahn-Unterführungen forderten sie oft im Beisein der Polizei Asiaten auf, die Papiere vorzuzeigen. Wer keine gültigen Papiere vorlegen konnte, wurde der Polizei übergeben. […]

In Moskau traf es vor allem Usbeken, Vietnamesen, Afghanen. Eilig wurde eine Zeltstadt aufgebaut, in der 900 Personen untergebracht werden sollen. Zur Zeit halten sich hier vor allem Vietnamesen auf. Niemand darf die Zeltstadt, die von einer hohen Mauer umgeben ist, ohne Genehmigung verlassen. […]

Zunächst hatten Angehörige der Inhaftierten diese mit Nahrungsmitteln und Zigaretten versorgen dürfen, doch bereits am zweiten Tag habe man das den Angehörigen verboten, so ein Inhaftierter gegenüber dem Internetportal gazeta.ru. Muhammed aus Afghanistan schildert gazeta.ru, warum er in der Zeltstadt festsitzt. Er sei festgenommen worden, weil er ohne Papiere unterwegs war. Vier Tage habe man ihn auf einer Polizeistation festgehalten. Dort habe er nachts auf dem Boden schlafen müssen und sei die ganze Zeit über ohne Essen gewesen. Er hoffe, in einem Gespräch mit der Migrationsbehörde diese davon überzeugen zu können, dass er nicht nach Afghanistan abgeschoben werden könne.

Der Tadschike Farchat berichtet, er sei an der U-Bahn-Station Vychino aufgegriffen worden und sofort in die Zeltstadt gebracht worden. In einer Woche gehe sein Flieger zurück in die Heimat, wo er heiraten wolle. Doch er könne die Reise nicht antreten, weil er in einer Woche immer noch in Abschiebehaft sei.

Am Montagabend traf die erste humanitäre Hilfe im Moskauer Abschiebelager ein: zwei Tonnen Reis für die Vietnamesen. Diese hatten sich beschwert, sie könnten die Nahrung nicht vertragen.

Derzeit sind, nach Angaben der russischen Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina noch 600 Personen in der Zeltstadt inhaftiert. Da die Behörden bekanntgegeben hatten, 3000 Migranten verhaftet zu haben, bemühen sich Menschenrechtler und Angehörige herauszufinden, wo die restlichen 2400 Migranten inhaftiert sein könnten.

BERNHARD CLASEN

Weitere Berichte:

http://www.3sat.de/mediathek/index.php?display=1&mode=play&obj=34040

http://www.3sat.de/page/?source=/boerse/magazin/166728/index.html

http://de.rian.ru/politics/20130522/266168034.html

http://www.n-tv.de/mediathek/videos/panorama/Polizei-stuermt-unterirdische-Siedlung-in-Moskau-article10771911.html

http://www.spickmich.de/news/201306082000-moskau-stadt-unter-der-stadt-entdeckt

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